Essen-Holsterhausen. Warum es für Frank Witzke, Chef der Gesamtschule Holsterhausen, nie einen Zweifel daran gab, Lehrer an einer Gesamtschule zu werden. Ein Porträt.

Der Leiter der Gesamtschule Holsterhausen, Frank Witzke (61), ist fast schon ein Jahr im Amt – und an der Schule sozusagen ein alter Hase: Im April 2021 hatte er offiziell die Leitung der Gesamtschule übernommen, dabei kennt er das Haus seit 2007. Seit jenem Jahr ist Witzke in Holsterhausen beschäftigt; der Lehrer für Englisch und Kunst ist in Sachen Gesamtschule das, was man einen echten Überzeugungstäter nennt: „Ich selbst bin in Mülheim auf eine Gesamtschule gegangen. Als ich beschloss, Lehrer zu werden, war die Wahl einfach, welche Schulform es sein soll.“

Seine tiefe Überzeugung, dass die Gesamtschule die ideale Schulform ist, hat Witzke schon in seiner Kindheit gewonnen. Er gehörte als Schüler damals zum zweiten Jahrgang der neu gegründeten Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Mülheim, sie hieß damals noch anders, das Ganze wurde vom Land als „Schulversuch“ deklariert, und es war eine Zeit der wilden Experimente: „Neben den klassischen Bildungsinhalten haben wir im Deutschunterricht zum Beispiel ein halbes Jahr lang jedes Wort kleingeschrieben, denn es gab deutschlandweit eine Bewegung, die die Groß- und Kleinschreibung abschaffen wollte.“ Es war auch neu, dass man im Unterricht über Comics sprach und nicht nur über vermeintlich hohe Literatur, und Witzke hat in Erinnerung, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer auch außerhalb des Unterrichts „intensiv um uns Schüler gekümmert haben. Ich fühlte mich die ganze Zeit sehr gut aufgehoben.“

Gesamtschule Holsterhause: Auch Schülerfreizeiten sollen ins Agenda-Profil passen

Folglich wurde er selbst Gesamtschul-Lehrer. „Ich wollte es genauso gut machen wie die Lehrer, die ich selbst hatte.“ Er startete zunächst in Duisburg und ging dann, 2007, nach Holsterhausen. Die dortige Gesamtschule existiert seit 1997 und ist somit Essens jüngste; von Anfang an setzte die Schule auf Inklusion, als das Wort noch gar nicht erfunden war, und man verschrieb sich auch bis heute dem Agenda-21-Gedanken der Vereinten Nationen. Auch darin geht es um Ziele und Werte, die heute in aller Munde sind, aber damals, 1992, im Jahr des Beginns der Agenda 21, noch fremd erschienen: Nachhaltigkeit, zum Beispiel. Oder die Entwicklung des Klimawandels, den heute jedes Kind begreift, gibt der „Agenda 21“ heute Recht. Folglich setzte die Gesamtschule Holsterhausen auf ein ökologisches Profil; und wenn Schulleiter Frank Witzke jetzt berichtet, dass er das Austauschprogramm der Schule auf neue Beine stellen will, dann heißt das konkret: „Wenn es in der Oberstufe eine Flugreise nach Italien oder Sizilien geben soll, dann auf jeden Fall mit einer Kompensation, was den CO2-Ausstoß angeht.“

Zu den Neuerungen, an den Witzke mitarbeitet, ist die Etablierung der Schule als „Musikprofilschule NRW“, als gerade mal eine von acht im Bundesland; pro Jahrgang wird eine Musikklasse eingerichtet. Das gibt es an der Schule zwar schon lange, aber das offizielle Programm des Landes ist neu, und Holsterhausen bewarb sich dafür mit Erfolg.

Veränderungen der Schüler gehen an der Schule in Holsterhausen nicht vorbei

Die Gesamtschule Holsterhausen zählt zwar jährlich zu den am meisten nachgefragten Gesamtschulen im Stadtgebiet, die Zahl der Schülerinnen und Schüler ist auffällig stabil, aber trotzdem „ist sehr viel Bewegung in der Schülerschaft“, sagt Witzke. Er meint: Verändertes Freizeit- und Konsumverhalten, der Einfluss von Medien, Migration – all diese Themen gehen an der Schule alles andere nicht vorbei, und Witzke hat nicht erst jetzt den Anspruch, auf diese Veränderungen passende Antworten zu finden. „Der Geist der Gesamtschule“, sagt Witzke, sei einerseits „schwer zu greifen“, manifestiert sich aber konkret in Zahlen: Von den 61 Abiturientinnen und Abiturienten, die im vergangenen Jahr die Oberstufe mit dem Reifezeugnis verließen, waren 39 ohne eine gymnasiale Empfehlung gekommen.