Essen-Werden. Das Denkmalamt hält die „Domstuben“ als Teil einer historischen Straßenansicht in Werden für „eminent wichtig“. Warum dennoch der Abriss droht.
- Die „Domstuben“ in Essen-Werden sind ein Begriff. Doch das ehemalige Kolpinghaus (erbaut im 18. Jahrhundert) ist schwer sanierungsbedürftig.
- Die Propsteigemeinde St. Ludgerus als Eigentümer will neu bauen.
- Dagegen wenden sich Bürgerschaft und Bezirkspolitik. Nun gibt es ein Statement der Denkmalbehörde.
Der geplante Abriss der „Domstuben“ an der Brückstraße in Essen-Werden bewegt die Bezirksvertretung IX. Der Entschluss des Eigentümers, der Propsteipfarrei St. Ludgerus, an dieser Stelle einen Neubau zu errichten, empört die Politik. Noch entsetzter ist man im Gremium allerdings über die Tatsache, dass die Essener Stadtverwaltung sich nicht in der Lage sieht, das vom Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) als „erhaltenswerte Bausubstanz“ eingestufte historische Gebäude vor dem Abriss zu schützen. Für die Aufstellung und Durchführung einer Denkmalbereichssatzung in Werden fehle es an finanziellen und personellen Kapazitäten, heißt es.
„Erhaltenswerte Bausubstanz“ ergebe sich durch die Straßenansicht
Diese Stellungnahme ging den Mitgliedern der Bezirksvertretung zu, nachdem das Gremium in einem interfraktionellen Antrag am 29. September 2021 ein klares Votum für den Erhalt des Gebäudes am Rande der Werdener Altstadt formuliert hatte. Der Prüfungsantrag auf eine Unterschutzstellung sei zwar Sache des Eigentümers und nicht des bezirklichen Gremiums, heißt es dazu von Seiten der Stadt. Eine Innen- und Außenbesichtigung gab es aber im Oktober.
Das Ergebnis: Untere Denkmalbehörde und Rheinisches Denkmalamt sehen zwar keinen Denkmalwert, weil es im Inneren zu viele Umbauten im Laufe der Jahre gegeben hat. Das Urteil „erhaltenswerte Bausubstanz“ ergebe sich aber durch die Straßenansicht, sprich „beim Blick entlang der geschlossenen Reihe zweistöckiger, traufständiger und verputzter Bauten“.
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Das Gebäude bzw. dessen Straßenansicht sei von „eminent wichtiger Bedeutung“, um die Straßenfront gegenüber von St. Ludgerus in ihrer wesentlich auf die Zeit um 1800 zurückgehende Charakteristik zu erhalten. Hilfreich sei da das Instrument der Denkmalbereichssatzung, was aber eben personell wie finanziell nicht leistbar sei, so der Tenor der Verwaltung.
Harte Kritik am Vorgehen der städtischen Denkmalpflege
In Kettwig habe sich eine solche Satzung erfolgreich verwirklichen lassen können, erinnerte Hanslothar Kranz (CDU) in der ersten BV-Sitzung des Jahres 2022, am 18. Januar. Aber man dürfe auch nicht vergessen: „In Werden gab es damals, das war 1986, zu viele Einsprüche.“ Mehrere Versuche, eine solche Satzung in späteren Jahren auf den Weg zu bringen, seien dann aber an der Stadt gescheitert.
Warum es in all den Jahren nicht gelänge, eine Denkmalbehörde personell wie finanziell entsprechend auszustatten, sei ihm unverständlich, sagte Heinz Schnetger (SPD). „Da wird mir sehr bange um historische Bausubstanz in Essen.“ Überhaupt, so Schnetger, habe er den Eindruck, dass Prüfungskriterien sehr unterschiedlich ausgelegt würden. „Mal sind Veränderungen im Innenraum relevant, mal nicht.“ Beim Glückaufhaus beispielsweise sei immerhin die Fassade unter Denkmalschutz gestellt worden.
Idee vom Denkmalschutz ist für die BV noch nicht vom Tisch
Im Falle der „Domstuben“ plädierte Schnetger dafür, die BV möge einen dringenden Appell an den Investor richten, die historische Bausubstanz zu erhalten. „Hier sollte die Bezirksvertretung einmal nicht nach der Genehmigung durch das Bauamt, sondern davor über die Pläne informiert werden.“
Eine „waddische Institution“ seit 1963
Die Wohnhäuser rechts und links der „Domstuben“ sind laut Denkmalliste der Stadt Essen seit 1986 unter Schutz gestellt, während das 1787 unter Abt Bernhard II. Bierbaum als Elementarschule entstandene Gebäude keinen Denkmalschutz genießt.
Das Haus ist indes seit Generationen eine „waddische Institution“: 1963 wurde es Kolpinghaus und war später als Gaststätte und Hotel der Treffpunkt für die Werdener Vereine und Veranstaltungsort schlechthin. Ende 2019 wurde das Lokal geschlossen.
Der Abrissplan der Propsteipfarrei St. Ludgerus wurde seit März 2021 diskutiert. Die Entscheidung dazu fiel im Dezember.
Ludger Hicking-Göbels, erster stellvertretender Bezirksbürgermeister, sieht das Abrissvorhaben erst einmal als „Absichtserklärung“ der Gemeinde. Die Idee vom Denkmalschutz sei für ihn noch nicht vom Tisch. Der Landschaftsverband habe noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. „Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.“
Auch Gerd Kolbecher (FDP) möchte weitere Chancen ausloten. Er könnte sich einen Ideen-Wettbewerb mit Beteiligung der Öffentlichkeit vorstellen. Im Falle der Villa Ruhnau in Kettwig habe es ebenfalls einen Umschwung vom Abrissplan hin zum Erhalt des Hauses gegeben, erinnerte er.
Negativbeispiel: Abriss des Kaiser-Friedrich-Hauses
Bezirksbürgermeisterin Gabriele Kipphardt bekräftigte die Einwände ihrer Vorredner. Getreu dem Sinnspruch „die Hoffnung stirbt zuletzt“ werde die BV IX ihre Bedenken an die Pfarrei als Eigentümer der „Domstuben“ und die Stadt als Wächterin über erhaltenswerte Bausubstanz weiter vortragen – und die Abrisspläne eben nicht einfach „zur Kenntnis“ nehmen. „So etwas wie beim Kaiser-Friedrich-Haus soll uns nicht mehr passieren.“
Zur Erinnerung: Das Jugendstilhaus an der Forstmannstraße in Werden, bekannt unter dem Namen „Kaiser Friedrich“, stand nicht unter Denkmalschutz, andere Häuser in der Straße jedoch schon. Es wurde 2017/2018 abgerissen.