Essen-Bergerhausen. Marlis Potgrave ist Karnevalistin mit Leib und Seele. Viele Jahre organisierte sie das Programm, leitete die Sitzungen. Warum sie jetzt aufhört.
- Marlis Potgrave ist Karnevalistin mit Leib und Seele.
- Jahrzehntelang war sie während der Session kaum zu Hause.
- Jetzt will sie ohne Amt und Stress richtig feiern – wenn Corona es irgendwann wieder zulässt.
Jahrzehnte lang war die Wagenbauhalle in Essen-Bergerhausen ihr zweites Zuhause: Nach 33 Jahren gibt Marlis Potgrave ihr Amt als Sitzungspräsidentin der Essener Karnevalsgesellschaft Knüppelhusaren auf. Warum sie ab jetzt Karneval nur noch feiern will.
Die Liebe zum närrischen Treiben wurde Marlis Potgrave in die Wiege gelegt. Ihr Vater Herbert Bögel, den alle nur Boss Bögel nannten, war ebenfalls Präsident der Knüppelhusaren und zudem Vorsitzender des Festkomitees Essener Karneval. „Ich mit dem Karneval aufgewachsen, bin mit Leib und Seele Karnevalistin“, sagt Marlis Potgrave. Sie war Tanzmariechen, leitete Tanzgruppen des Vereins, darunter die „Two Faces“.
Seit 1988 war sie als Präsidentin des Vereins im Amt, organisierte das Programm, handelte die Verträge mit Künstlern oder deren Agenturen aus und moderierte die Sitzungen, von der Gala- bis zur Seniorensitzung. Regelmäßig besuchte Marlis Potgrave die Veranstaltungen anderer Vereine und Künstlerpräsentationen, um neue Talente zu entdecken.
Das Amt der Präsidentin machte der Essenerin Spaß, war aber auch anstrengend
Das Amt habe ihr viel Spaß gemacht, aber auch Zeit und Nerven gekostet. „Ich bin jetzt dreimal elf Jahre im Amt, das ist eine gute Zeit, um aufzuhören. Jetzt möchte ich auch einmal unbeschwert feiern“, sagt die 74-Jährige, die früher als Apothekenhelferin, bei der Sparkasse und in einer Boutique tätig war.
Wegen Corona ist das Feiern ja aktuell eher schwierig und auch auf eine offizielle Abschiedssitzung muss Marlis Potgrave wegen der Pandemie verzichten. „Den Abschied kann man ja nachholen“, betont die Mutter eines Sohnes. Als Präsidentin könne man die Sitzungen nicht unbeschwert genießen, man schaue ständig auf die Uhr, ob der Zeitplan funktioniert und die Künstler rechtzeitig eintreffen.
Der Karnevalsverein wollte eigentlich in dieser Session umziehen
Die vergangenen Jahre feierten die Knüppelhusaren im Mehrgenerationenhaus in Frohnhausen, jetzt wollten sie eigentlich ins Julius-Leber-Haus in Leithe wechseln. „Auch das ist wegen Corona erst einmal auf 2023 verschoben“, sagt Rainer Ehrens, Schriftführer der Knüppelhusaren.
Nicht nur im Verein war Marlis Potgraves Engagement gefragt. In den Jahren 2012 bis 2014 begleitete sie als Hofdame die Stadtprinzenpaare auf über 200 Terminen pro Session, besorgte Blumen und Verpflegung, half beim Anziehen des Ornats und beim Richten der Frisur. In der Session sei sie ständig unterwegs gewesen. „Mein Mann lässt mich machen, er selbst ist inzwischen nicht mehr so am Karneval interessiert. Wenn jemand fragt, wo er ist, sag ich immer: Mein Mann hütet die Möbel“, erklärt die 74-Jährige und lacht.
Gern erinnert sie sich an kleine Anekdoten aus den vergangenen 33 Jahren, die immer noch für ein Schmunzeln sorgen. „Einmal haben wir beim Rosenmontagszug vom Wagen auch Obst geworfen und eine Apfelsine flog geradewegs durch ein offenes Fenster an der Zugstrecke in ein fremdes Wohnzimmer.“
Der Nachfolger wird im kommenden Jahr bestimmt
Ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin werden im kommenden Jahr bestimmt. „Man wird dazu vorgeschlagen und die Mitglieder stimmen dann darüber ab“, berichtet Marlis Potgrave. Dass die Mitgliederzahl von 2013 bis heute von 19 auf 60 angewachsen sei, stimmt die Noch-Präsidentin optimistisch.
Der Wagen wird in Bergerhausen umgestaltet
Die Vorsitzende der KG Knüppelhusaren ist Nicole Gans, zweiter Vorsitzender und Wagenbaumeister ist André Krause, Schriftführer und Moderator Rainer Ehrens.
Die Vereinsfarben des Traditionsclubs sind Rot, Weiß und Grün. Der vereinseigene Wagen wird jedes Jahr passend zum aktuellen Motto umgestaltet. Die Arbeiten finden in der Wagenbauhalle des Festkomitees Essener Karneval auf dem Gelände der Jugendhilfe an der Schürmannstraße in Bergerhausen statt.
In Corona-Zeiten sei es allerdings schwierig, die Mitglieder beisammen zu halten, da fast alle Gemeinschaftsaktivitäten wie der Wagen-(Um-)bau in Bergerhausen und das Anfertigen der Kostüme ausfielen. Wichtigstes Ereignis neben der Galasitzung sei jedes Jahr die Teilnahme mit dem selbst gestalteten Wagen und einem Fußtrupp am Essener Rosenmontagszug. Noch 2019 sei das Gefährt der Knüppelhusaren als bester Gesellschaftswagen prämiert worden. Derzeit ist die Stimmung eher ein bisschen deprimiert. „Wahrscheinlich wird es wieder keinen Zug geben“, befürchtet Rainer Ehrens.
Man halte sich deshalb bei der Bestellung von Wurfmaterial jetzt erst einmal zurück und warte die endgültige Entscheidung ab. „Süßigkeiten und anderes Material kosten allein etwa 1000 Euro“, sagt Ehrens. Ohne Sponsoren gehe es nicht, aber man versuche zusätzlich zu den Mitgliedsbeiträgen ein bisschen Geld durch andere Aktivitäten einzunehmen. Vor kurzem war der Verein mit einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt der Margarethenhöhe vertreten.
Theaterverein war der Vorgänger der Knüppelhusaren
Der Verein hat Tradition: Seit 1937 gibt es die Knüppelhusaren, die damals in Stoppenberg entstanden und sich heute in unterschiedlichen Lokalen im gesamten Stadtgebiet treffen. Der Vereinsname gehe der Überlieferung nach bis ins Mittelalter zurück, erzählt Rainer Ehrens. Um ihre Abgaben an die Fürstäbtissin zu leisten, seien die Bauernburschen regelmäßig zum Markt unterwegs gewesen und hätten ihre Esel dabei mit Knüppeln angetrieben. Am Ende habe es dann oft ein Gelage gegeben. Vorgänger des Karnevalsvereins sei eine Theatergruppe gewesen, die man seit 1919 unter dem Namen Bunte Bühne kannte.