Essen-Altenessen. Islamische Bestattungsfelder auf dem Essener Nordfriedhof sollen ausgeweitet werden. Nach Entgleisungen am Hallo-Friedhof sorgt das für Kritik.

  • Auf dem Nordfriedhof in Altenessen soll das islamische Bestattungsfeld vergrößert werden. Die Politiker vor Ort haben Bedenken.
  • Im benachbarten Stoppenberg sorgten zuletzt Verkehrsprobleme, Anwohnerproteste und Gewaltvorkommnisse bei Groß-Beerdigungen auf dem Hallo-Friedhof für Schlagzeilen.
  • Die Stadt hat als Reaktion Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Sicherheit und Ordnung auf den Essener Friedhöfen vorgelegt.

Mit dem Hallo-Friedhof und dem Nordfriedhof gibt es in Essen zwei Bestattungsorte für Muslime, die rege genutzt werden. Am Hallo-Friedhof kommt es bei Beerdigungen regelmäßig zu Verkehrsproblemen, Anwohnerprotesten und teilweise auch Gewalt. Viele Altenessener fürchten ähnliche Vorkommnisse an ihrem Nordfriedhof und sehen eine von der Stadt angepeilte Erweiterung des muslimischen Bestattungsfeldes daher kritisch.

Weitere Bauabschnitte auf dem Altenessener Nordfriedhof sind laut Stadt möglich

Das Islamische Bestattungsfeld auf dem Nordfriedhof in Altenessen wurde im Mai 2020 angelegt, zunächst mit 52 Wahlgrabstelle. In diesem Jahr wurde das Feld um 156 Grabstellen und einem Kinderreihengrabfeld mit 50 Grabstellen erweitert. Weitere Bauabschnitte seien möglich, so die Stadt. Einen aktuelle Zeitplan gebe es aber nicht, er sei abhängig von den Beisetzungszahlen. Jacqueline Schröder vom städtischen Presseamt erklärt: „Ein weiterer Ausbau wird frühestens in zwei bis drei Jahren stattfinden.“

Vanessa Gremer, SPD-Fraktionsvorsitzende in der Bezirksvertretung, erklärt: „Es ist unverständlich, warum eine Erweiterung auf nur einem Friedhof erfolgen soll.“ Es gebe weitere brachliegende Friedhofsflächen, die ebenfalls einer Prüfung unterzogen werden sollten. Ziel sollte es sein, für eine gezielte und gerechte Dezentralisierung im gesamten Stadtgebiet zu sorgen. Die Bezirksvertretung hat daher die Verwaltung beauftragt zu prüfen, inwieweit das realisierbar ist.

Bezirksbürgermeister fordert Prognose für muslimische Beisetzungen

„In Steele, Freisenbruch und Haarzopf wohnen auch Muslime“, erklärt Bezirksvertreter Karl-Heinz Kirchner (SPD) und fordert, beispielsweise auch Flächen in und um diese Stadtteile zu prüfen. Bezirksbürgermeister Hans-Wilhelm Zwiehoff (SPD) betont jedoch: „Wenn hier in Altenessen der Anteil der Muslime höher ist, muss es der Anteil der Gräber auch sein.“ Er fordert eine Prognose die zeigt, was in den kommenden Jahren auf den Stadtteil zukommt.

Dieses Schild weist den Weg zum Islamischen Bestattungsfeld auf dem Altenessener Nordfriedhof.
Dieses Schild weist den Weg zum Islamischen Bestattungsfeld auf dem Altenessener Nordfriedhof. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Bei Muslimen spielt neben der Wohnortnähe insbesondere auch die Nähe zu bereits bestatteten Angehörigen bei Muslimen eine große Rolle. Das ist die Spirale, in der der Hallo-Friedhof in Stoppenberg steckt: Das Islamische Bestattungsfeld dort zählt zu den ältesten und mit 1400 Wahlgräbern, 550 Reihengräbern und 2150 Kinderreihengräbern zu den größten in ganz Deutschland. Nicht nur Essener Muslime finden hier ihre letzte Ruhe, sondern auch Verstorbene aus ganz Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus. Clan-Beerdigungen mit Hunderten Gästen finden regelmäßig statt.

Eine muslimische Bestattung pro Tag bei Großfamilien

Und auch in Stoppenberg steht immer wieder eine Erweiterung im Raum, die Kapazitäten sind bald ausgeschöpft. Für den zuständigen Bezirksbürgermeister Michael Zühlke (SPD) kommt das nicht in Frage, wie er bereits vor einigen Monaten erklärt hatte: „Das Experiment Islamisches Bestattungsfeld muss beendet werden, es darf keine Erweiterung mehr geben.“ Weder der Einsatz von Sicherheitsleuten noch der von Polizisten der Einsatzhundertschaft zur Sicherung muslimischer Trauerfeiern seien auf Dauer eine Lösung. Das war in der Vergangenheit oft nötig und das Umfeld im Ausnahmezustand. Mit dem Faustschlag eines muslimischen Trauergastes ins Gesicht des Friedhofsleiters war Mitte des Jahres ein vorläufiger Höhepunkt erreicht.

Gewalt, Diebstahl und Vandalismus sind Einzelfälle

Grundsätzlich wird die Sicherheit und Ordnung auf den 23 kommunalen Friedhöfen nach Angaben der Stadt Essen gewährleistet. Allerdings werde die Situation durch einige wenige Einzelfälle negativ überlagert. Die Schwerpunkte liegen insbesondere bei wenigen muslimischen Großbestattungen aus dem Bereich der sogenannten Clan-Familien auf dem Friedhof Am Hallo. Das Thema Vandalismus begrenze sich hauptsächlich auf das Großereignis auf dem Nordfriedhof in der Nacht vom 19. April mit dem Diebstahl der Bergmannsfigur und der Verwüstung von rund 100 Grabstätten. Allerdings komme es immer wieder zu Graffiti-Schmierereien an Friedhofseinrichtungen, insbesondere an den Toilettenanlagen. Beispielhaft sind hier nach Angaben der Stadt das historische Portal des Ostfriedhofes und die Toilettenanlagen der Friedhöfe Frillendorf, Werden II und Siepenfriedhof zu nennen.

Als Reaktion hat die Stadt jetzt „Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Sicherheit und Ordnung auf den Essener Friedhöfen“ vorgelegt. „Das neue Sicherheitskonzept für die Durchführung von Großbestattungen wird bereits erfolgreich angewandt“, heißt es in dem Schreiben der Stadt. Bei genauerem Hinsehen sind beim Punkt Sicherheitsvorschriften bei Groß-Beerdigungen keine entscheidenden Neuerungen zu finden: Es soll nur eine muslimische Bestattung pro Tag geben, wenn es sich um Verstorbene aus einer sogenannten Großfamilie handelt. Außer dem Bestatterfahrzeug dürfen nur zwei Shuttle-Fahrzeuge eingesetzt werden. Die Regelung und Kontrolle der Zufahrt der Fahrzeuge soll ausschließlich durch externes Sicherheitspersonal erfolgen. Polizei und Ordnungsamt sollen zudem sichtbare Präsenz zeigen, die Videoüberwachung „an Kriminalitätsschwerpunkten“ soll ausgeweitet werden.

SPD-Fraktion fordert Verkehrskonzept für Nordfriedhof in Altenessen

Die Bezirksvertretung Altenessen fordert, dass das Konzept speziell auf den Nordfriedhof angepasst wird. Abgesehen vom Sicherheitskonzept müsse zudem für den Altenessener Friedhof ein Verkehrskonzept erarbeitet werden. Gremer: „Eine Erweiterung bringt automatisch ein deutlich erhöhtes Verkehrsaufkommen mit sich. In der Kuhlhoffstraße sind die Jugendfarm, der Bürgerpark, eine Fußballanlage, ein Tennisverein sowie eine Grundschule ansässig.“ Bereits jetzt bestehe dringender Handlungsbedarf, weil der Zustand ein „erhebliches Risiko“ für Kinder aufweise.

Diese Vorschläge nickte die Bezirksvertretung mehrheitlich ab und sprach sich gleichzeitig gegen den Vorschlag der AfD-Fraktion aus: Die ist per se gegen die Erweiterung des islamischen Bestattungsfeldes auf dem Nordfriedhof. Außerdem fordert sie, dass die Friedhofssatzung dahingehend ergänzt wird, dass die Widmung der Friedhöfe auf in Essen oder dort wohnhaft gemeldete Verstorbene sowie deren Verwandte ersten und zweiten Grades beschränkt wird. Dazu hatte die Stadt im Sommer schon Stellung bezogen: Eine Beschränkung käme nur für alle „Externe“ in Betracht – oder eben gar nicht. Und zudem würde man damit die vielen trauernden Muslime bestrafen, die sich wie selbstverständlich an Recht und Gesetz und die Friedhofsordnung halten.