Essen. Wegen stark gestiegener Bestattungszahlen wird die Kapazität des islamischen Friedhofs in Essen bald erschöpft sein. Was Muslime vorschlagen.
Das islamische Grabfeld auf dem Hallo-Friedhof entwickelt sich in doppelter Hinsicht zum Problem-Friedhof: zum einen wegen der zum Teil massiven Anwohner-Beschwerden, zum anderen wegen drohender Kapazitätsgrenzen. Stadtsprecherin Jasmin Trilling führt die „coronabedingt stark angestiegenen Bestattungszahlen“ als wesentlichen Grund für das Kapazitätsproblem an.
Muhammet Balaban, Vorsitzender des Dachverbandes „Kommission Islam und Moscheen in Essen“, sieht jetzt vorrangig die benachbarten Revierstädte und Akteure wie den Regionalverband Ruhr am Zuge: „Essen kann in Zukunft nicht mehr die muslimischen Beisetzungen aus dem ganzen Ruhrgebiet übernehmen.“
Hinzu kommen wachsende Vorbehalte in der Politik. Die SPD-Fraktion im Bezirk Zollverein etwa hat sich – wie berichtet – bereits für einen Erweiterungsstopp des Islam-Friedhofs Am Hallo ausgesprochen. Gleichzeitig dringt sie darauf, das Gelände des benachbarten Modellflug-Sportvereins Essen Nord Ost unangetastet zu lassen und nicht mehr als Erweiterungsfläche für den Islam-Friedhof einzustufen.
Bezirksbürgermeister: „Der einzige Friedhof der Stadt, der schwarze Zahlen schreibt“
Sowohl Muhammet Balaban als auch Zollverein-Bezirksbürgermeister Michael Zühlke (SPD) weisen darauf hin, dass die Essener Friedhofsverwaltung sehr gut an muslimischen Beisetzungen verdiene. Der SPD-Mann behauptet sogar: „Der Hallo-Friedhof ist der einzige Friedhof der Stadt, der schwarze Zahlen schreibt.“ Das Bestattungsfeld auf dem Nordfriedhof in Altenessen, derzeit die einzige Alternative in Essen, werde anscheinend nicht so gut angenommen.
Zweites islamisches Bestattungsfeld in Altenessen
Auf dem Nordfriedhof Altenessen sind letztes Jahr 52 Wahlgrabstellen für muslimische Beisetzungen entstanden, aktuell stünden davon nur noch fünf zur Verfügung. Im Bau befinde sich eine Erweiterung aus 130 Wahl- und 80 Reihengrabstellen für Kinder. Weitere Bauabschnitte seien möglich, so die Stadt. „Freiheit Emscher“ ist ein Stadtentwicklungsprojekt zwischen Essen und Bottrop. Auf dem ehemaligen Bergbau-Areal soll ein Zentrum mit Gewerbe und moderner Industrie, Wohnen, Grünflächen und Freizeitangeboten am Wasser entstehen.
Ein Blick in die Statistik der Friedhofsverwaltung belegt, wie rasch der neue muslimische Teil im Süden des Hallo-Friedhofs in den letzten zehn Jahren gewachsen ist. 2011 seien 1130 Wahlgrabstellen sowie 290 Reihengrabstellen für Erwachsene und 576 für Kinder angelegt worden. Mit Ausnahme der Reihengrabstellen für Kinder sei diese Kapazität jedoch schon fast erschöpft.
Aktuell würden nun die Gräberfelder Nummer 59 und 60 im ersten Abschnitt ausgebaut, sie stünden kurz vor dem Abschluss. Die Erweiterung umfasse 330 Wahl- und 80 Reihengrabstellen für Erwachsene. Der nächste Bauabschnitt (220 Wahlgräber), ursprünglich für die Folgejahre geplant, werde bereits dieses Jahr realisiert.
Erste und zweite Generation fand ihre letzte Ruhe noch in den jeweiligen Heimatländern
Wie Muhammet Balaban berichtet, hätten muslimische Zuwanderer der ersten und zweiten Generation noch überwiegend in den jeweiligen Heimatländern ihre letzte Ruhe gefunden. „Die nachfolgenden Generationen wollen aber lieber hier beerdigt werden, deshalb benötigen wir mehr Fläche.“ Seinen Angaben zufolge werde der Integrationsrat am Mittwoch (16. Juni) einen Arbeitskreis Islamischer Friedhof ins Leben rufen.
Darin sollen auch die zunehmenden Spannungen rund um das Islamische Bestattungsfeld thematisiert werden. Vom islamischen Friedhof dürfe kein Unfrieden ausgehen, bekräftigt Balaban. Er verweist auf die libanesische Community und ihre Familien-Union, die sich vorrangig um die Friedhofsbelange kümmere.
Der Zollverein-Bezirksbürgermeister bringt unterdessen einen Vorschlag ins Spiel, für den er bereits vor Jahren heftig gescholten worden ist: nämlich ein großer muslimischer Zentralfriedhof auf der Freiheit Emschertal, einer alten Industriebrache nahe der bald renaturierten Emscher. „Dort gibt es Platz genug und obendrein einen Autobahnanschluss“, sagt Zühlke.