Essen. Noch heute vermittelt „Fatma Gül und ihre Kinder“ tiefe Einblicke. Das Porträt-Buch der Essener Malerin Ina Seeberg kommt zu neuen Ehren.
Wer die Malerin Ina Seeberg kennt, weiß, dass sie schon viele Jahre zur Völkerverständigung mit der Türkei beiträgt. Sie unterrichtete Kunsterzieher an der Anadolu-Universität, gab 20 Jahre Workshops an der Akademie für Kunst und Musik in der Nähe von Marmaris. Ihr Engagement basiert auf ihrem Buch „Fatma Gül und ihre Kinder“. Wie zuvor bei „Gruppenkinder“ begleitete sie Menschen mit Kreidestift und Gesprächen. Nach 33 Jahren hat es wieder Früchte getragen. Anlässlich des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens vor 60 Jahren entstand das Theaterstück „Gastfrau - zwischen Heim und Weh“.
Burcin Keskin hatte das Buch von ihrer Mutter bekommen und mit Miriam Meister um ein Interview bei Ina Seeberg gebeten. Denn ihre festgehaltenen Eindrücke sollten einfließen. Und die Malerin und Autorin kann viel erzählen von den Güls, deren Namen für das Buch verändert wurden und die sie über zwei Jahre begleitet hatte. Die damals zunächst sechsköpfige Familie lebte in Kupferdreh. Vater Osman kam mit Anhang aus der Bergarbeiterstadt Zonguldak und schuftete im deutschen Bergbau, um die Verwandtschaft zuhause zu unterstützen. „Fatma konnte weder Lesen noch Schreiben, aber sie sprach ganz gut Deutsch, das sie sich beim Einkaufen angeeignet hat“, berichtet Ina Seeberg.
Nicht das Buch, die persönliche Zuwendung war Fatma wichtig
Die Künstlerin wollte ihr beim Lernen helfen. Fatma sei nicht interessiert gewesen. Auch nicht an dem Buch, das in einem Schrank verschwand, erinnert sich die 80-Jährige. „Ihr war meine persönliche Zuwendung wichtig.“ Klagen über Rassismus kamen ihr nie zu Ohr. Sie sprachen über das Wetter, Kochrezepte oder die Hausaufgaben der Kinder, während Ina Seeberg versuchte, sich in einem Knäuel aus Familie, Freunden und Verwandten zu konzentrieren. Die wurden gleich eingebunden bei den Kreidezeichnungen der Köpfe und Genreszenen. Dabei ging es ihr „nicht um anatomische Ähnlichkeit, sondern in den Gesichtern Charakterzüge sichtbar werden zu lassen“.
Das Verhältnis war freundschaftlich. Sie erlebten sogar zusammen eine Autoreise in die Türkei. Am Ende des Buches fragt sich Ina Seeberg, was aus den Güls wohl wird. Lange über die Arbeit hinaus betreute sie die Familie, die irgendwann zurückgegangen ist nach Zonguldak. „Ich bin sehr froh, dass ich die Lebenswirklichkeit türkischer Gastarbeiter kennenlernen durfte“, betont sie und „dass das Buch zu neuen Ehren kommt“. Im kommenden Jahr sind Aufführungen des daraus entstandenen Theaterstücks in Essen angedacht.
„Fatma Gül und ihre Kinder“ ist noch in ausgewählten Buchhandlungen wie „LeseLust“ erhältlich oder über ina.seeberg.IS@googlemail.com