Essen. Der Essener Ralf Schultheiß fotografiert seit 40 Jahren Promis für Werbung und Magazine. Die Schau „Forty Faces“ setzt sein Werk groß in Szene.

Ein Modeschöpfer mit aufgeribbeltem Pulloverärmel, wo gibt’s denn sowas? Als Ralf Schultheiß den Designer Wolfgang Joop 1984 in Hamburg fotografiert, weiß er sofort – das ist das Bild: Ein Mann, ebenso traumschön wie traumverloren über den Dächern von Hamburg – und der lose Wollfaden am Handgelenk.

Unter den „Forty Faces“, die der Essener Fotograf jetzt im Red Dot Design Museum auf Zollverein im atemberaubenden XXL-Format zeigt, steht das Joop-Porträt exemplarisch für die Kunst Schultheiß’, Prominenz mit Glamourfaktor abzulichten und den Reichen und Schönen trotzdem noch einen Hauch von Nahbarkeit zu verleihen.

Star-Designer Giorgio Armani knöpft fürs Foto das Oberhemd auf

Wenn Schauspiel-Legende Peter Ustinov frech durch den Griff seiner Gehhilfe lugt, Urgestein Trude Herr über dem Doppelkinn eine Schnute zieht und Stardesigner Giorgio Armanidas Oberhemd aufknöpft, dann werden Bilder auch zu Vertrauensbeweisen. Sie erlauben Schultheiß als „Meister der inszenierenden Fotografie“, so Red Dot-Chef Peter Zec, seit 40 Jahren Bilder zu machen, die wohl jeder schon einmal in Magazinen, Werbung und auf Plakaten gesehen hat. So glamourös wie Schultheiß’ fotografisches Werk geriet am Dienstagabend auch die Vernissage auf Zollverein.

Krupp-Stiftungsvorsitzende Ursula Gather als Schirmherrin und OB Thomas Kufen waren ebenso dabei wie eine ganze Reihe Essener Stadtprominenz, um mit Schultheiß ein besonderes Berufsjubiläum zu feiern. 40 Jahre Lifestyle-Fotografie, sie verdichten sich auf Zollverein zu 40 Gesichtern und besonderen Geschichten.

Schultheiß erzählt davon auch in der Ausstellung, die anders ist als gewohnte Foto-Schauen, weil sich die ausdrucksstarken Promi-Bilder und Normalo-Gesichter inmitten der preisgekrönten Warenwelt so herrlich mit dem Industrieambiente reiben. Mancher Betrachter entdeckt da ganz ungeahnte Bezüge, wenn sich ein Paar in der soften „Bilitis“-Nacktheit der späten 70er Jahre unter einer Auswahl von designter Kinderwagen aneinander schmiegt. „Da sehen wir das Ergebnis.“

Schon die Diplomarbeit von Ralf Schultheiß druckt die FAZ auf drei Doppelseiten ab

Die Erotik gehört zum Spiel, wenn Fecht-Olympiasiegerin Anja Fichtel vor der Kamera Florett und Oberkörper blank zieht und Weltmeisterin Regina Halmich 1997 mit Boxhandschuhen vor dem halb entblößtem Busen posiert. Bilder einer mittlerweile eher aus der Zeit gefallenen männlichen Sichtweise.

Schon die Diplomarbeit, die der junge Absolvent der renommierten Folkwanghochschule 1980 abliefert, weist dabei den Weg. Das Fach der visuellen Kommunikation ist damals noch jung, und Folkwang-Professor Willy Fleckhaus ist nicht nur einer der innovativsten und mutigsten Lehrer, sondern auch Artdirektor des FAZ-Magazins.

Schultheiß’ phallische Orchideen-Pracht wird 1980 gleich auf drei FAZ-Doppelseiten abgedruckt und markiert den Anfang einer Karriere, die den gebürtigen Essener an die exklusivsten und fremdesten Orte der Welt von Mailand bis Miami, von Kapstadt bis Kuala-Lumpur geführt hat. Und auf die Titelseiten bedeutender Magazine, auch auf Playboy und Penthouse.

Donald Trump posiert 1993 im Palm Beach vor der Kamera des Essener Fotografen

Manche Schultheiß-Bilder sind mittlerweile so berühmt geworden wie die darauf Abgebildeten, darunter die Aufnahme des jungen Donald Trump 1993, der damals doch eigentlich nur Trostpflaster ist, weil sich Schultheiß auf Steffi Graf eingeschossen hatte. Und der Blick auf Giorgio Armanis blanke, behaarte Brust ist ebenso eindrücklich wie einmalig. Einen, den die Welt sonst nur im blauen Pullover kennt, kann Schultheiß für das Hemd-auf-Abenteuer gewinnen, weil der Essener den Star-Designer damals an einen Schlagerstar der 60er Jahre erinnert. Am Ende bekommt er von Armani sogar noch eine Lampe geschenkt.

Links die junge Jutta Speidel, rechts die in Issey Miyake gehüllte Jana Zec und der „Menschenfresser“ aus Papua-Neuguinea im Hintergrund: Diei Fotoschau von Ralf Schultheiß zeigt 40 sehr verschiedene Gesichter.
Links die junge Jutta Speidel, rechts die in Issey Miyake gehüllte Jana Zec und der „Menschenfresser“ aus Papua-Neuguinea im Hintergrund: Diei Fotoschau von Ralf Schultheiß zeigt 40 sehr verschiedene Gesichter. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Der mittlerweile 69-jährige Fotograf und Herausgeber des Top-Magazins muss über einen eminent wirksamen Charme verfügen, der ihm früh die Türen zu Magazinen und Backstage-Türen geöffnet. Hanna Schygulla präsentiert sich da als verletzbare und doch wehrhafte Frau und die behaarten Achselhöhlen unter den verschränkten Armen gleich mit. Während Desiree Nosbusch ihr Gegenüber noch mit dem scheu-lockenden Blick einer 24-jährigen Jungmoderatorin fixiert.

Infos zur Ausstellung

Die Fotoausstellung „Forty Faces – 40 Jahre People-Fotografie von Ralf Schultheiß“ ist bis zum 6. März 2022 im Red Dot Design Museum auf der Essener Zeche Zollverein, Gelsenkirchener Str. 181. zu sehen.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11-18 Uhr. Eintritt 9/erm. 4 Euro. Für Museums-Gäste gilt die 2G-Regel.

Am 12. Dezember, 14 bis 15 Uhr, führt der Essener Fotograf Ralf Schultheiß interessierte Besucherinnen und Besucher persönlich durch seine Ausstellung und erzählt die Geschichten hinter den großformatigen Fotografien. Eine verbindliche telefonische Voranmeldung (Tel.: 0201-30104-60) ist erforderlich.

Das schwedische Pop-Duo „Roxette“ geht mit Schultheiß sogar in den Schnee, der so weiß ist wie der Hintergrund, den der Essener Fotograf für seine Bilder bevorzugt. Anfangs bringt er noch weiße Laken mit ans Set und nutzt am liebsten Tageslicht. Mittlerweile sorgt auch die digitale Technik für ein perfekt ausgeleuchtetes Staunen über die in Issey Miyake gehüllte Jana Zec oder auch über die Vulkanwächter auf dem Mount Yasur, die Schultheiß 2017 bei einer Expeditionsreise durch die Südsee trifft.

Dass „Menschenfresser“ aus Papua-Neuguinea und Modedesigner aus Hamburg so in einer Ausstellung zusammenfinden, auch das ist eben eine Kunst, die Ralf Schultheiß beherrscht.