Essen. Regina Halmich löste mit ihrem WM-Titel vor 25 Jahren einen Boom aus. Um das Frauenboxen von heute sorgt sie sich.

Vor 25 Jahren holte Regina Halmich mit dem Sieg über die Amerikanerin Kim Messer im Fliegengewicht als erste deutsche Boxerin einen WM-Titel. Es war der Start einer unverwechselbaren Karriere, in der Halmich von 1995 bis 2007 ungeschlagene Weltmeisterin der WIBF war. Die heute 43-Jährige, die in Berlin und Karlsruhe lebt sowie als Vortragsrednerin, Moderatorin und Fitnessberaterin arbeitet, erinnert sich.

Frau Halmich, diesen Mittwoch ist es 25 Jahre her, seit Sie als erste deutsche Frau einen WM-Titel im Boxen gewonnen haben. Werden Sie das feiern?

Regina Halmich: Das war damals etwas so Außergewöhnliches. Die deutschen Medien haben sich am Anfang so schwer mit mir getan. Da hat sich zum Glück einiges verändert. Feiern werde ich nicht. Ich werde vielleicht in mich gehen und den Kampf Revue passieren lassen. Gerade der Gewinn der ersten Weltmeisterschaft ist natürlich etwas sehr Besonderes.

Wie geht es Ihnen heute? Was machen Sie so als Ex-Boxerin?

Halmich: Mir geht es gut. Ich bekomme seit meinem Karriereende immer wieder tolle Jobs angeboten. Das ist ein schönes Gefühl. Ich hätte nie gedacht, dass ich auch elf, zwölf Jahre danach noch so gut beschäftigt sein würde. Ich habe mehrere Sponsoren, ich halte Vorträge, ich gebe Training, moderiere auch mal eine Veranstaltung. Seit meinem letzten Kampf Ende 2007 hatte ich keinen Tag Langeweile.

Als Rechtsanwaltsgehilfin mussten Sie also nie wieder arbeiten.

Halmich: Nein. Die Ausbildung habe ich aber sowieso nur zur Sicherheit und meinen Eltern zuliebe gemacht. Ich wusste damals schon, dass ich Profiboxerin werden würde.

Artem Harutyunyan (Deutschland,) jubelt mit Dariusz Michalczewski (l), ehemaliger Box-Weltmeister, Profiboxerin Regina Halmich und Ismail Özen-Otto (M), Promoter von Universum Box Promotion, nach seinem Sieg im Kampf gegen Dumanow (Russland).
Artem Harutyunyan (Deutschland,) jubelt mit Dariusz Michalczewski (l), ehemaliger Box-Weltmeister, Profiboxerin Regina Halmich und Ismail Özen-Otto (M), Promoter von Universum Box Promotion, nach seinem Sieg im Kampf gegen Dumanow (Russland). © dpa

Nicht alles Geld verpulvern und sich auch nach der Karriere ein Geschäftsfeld erschließen – das gelingt nicht allen ehemaligen Profisportlern.

Halmich: Ich habe einfach beides erlebt. Ich bin über viele Jahre mit sehr wenig Geld ausgekommen. Und zum Schluss mit relativ viel. Mein Ding war, dass ich einfach normal weitergelebt habe. Ich bin nicht ausgeflippt und habe mir die größte S-Klasse gekauft und nur noch Markenklamotten. Deshalb geht es mir immer noch gut. Und ich habe als ehemalige Sportlerin so viel aus meiner Karriere ins normale Leben mitnehmen können. Ich bin noch genauso diszipliniert, fleißig, ich versuche immer, die Leute zu erreichen und zu bewegen, 100 Prozent zu geben. Ich bin zuverlässig, das spüren die Leute, und deshalb bin ich so gut gebucht.

Sie waren die erste Frau im deutschen Boxen, die große Gagen bekommen hat. Haben Sie es nicht wenigstens ein bisschen wie viele Ihrer männlichen Kollegen gemacht und sich auch mal etwas gegönnt?

Halmich: Ach, da bin ich typisch Frau. Als ich besser verdient habe, bin ich natürlich nach jedem Kampf shoppen gegangen und habe mir Schuhe oder eine schöne Handtasche gegönnt. Und ich habe immer gern Geld für Fernreisen ausgegeben, für Urlaube. Ich schaue mir gern die Welt an, das ist mein Luxus.

Bei Ihrem Abschiedskampf 2007 haben 8,8 Millionen Menschen eingeschaltet. Das gibt es heute nicht mehr, weder bei den Frauen noch bei den Männern...

. Halmich:.. das gab es damals abgesehen von Henry Maske, Axel Schulz und den Klitschkos auch nicht. Am Anfang habe ich immer im Vorprogramm der Männer geboxt, und in den letzten Jahren meiner Karriere war dann ich die Hauptkämpferin. So schlimm wie alles angefangen hat, und so sehr ich belächelt und unterschätzt wurde – so schön ist es, dass ich heute sagen kann: Ich habe es geschafft. Ich habe es als Frau in einer Männerdomäne geschafft, nur durch meine Leistung. Das ist es, was ich den Frauen von heute mitgeben möchte. Dass sie selbstbewusster werden. Dass sie von sich sagen können, wirklich gut in etwas zu sein, ohne eingebildet rüberzukommen. Das fehlt Frauen oft. Ich habe im Verlauf meiner Karriere gemerkt: Je mehr an mir gezweifelt wurde, desto mehr war ich auf dem richtigen Weg.

Warum sind Sie dran geblieben als Sie belächelt wurden?

Halmich: Weil ich wusste, was in mir steckt. Obwohl nur sehr weniger Menschen in meinem engen Umfeld an mich geglaubt haben. Wenn ich 1993/94 erzählt hätte, ich werde mal Hauptkämpferin im ZDF, ich werde Quotenbringerin, ich locke ein Millionenpublikum vor den Bildschirm, dann hätten die Leute gedacht: Die Kleine, die ist ja völlig irre.

Was haben Sie gedacht damals?

Halmich: Ich habe gedacht, dass ich das Zeug dazu habe, einer großen Öffentlichkeit gezeigt zu werden. Dass ich es als Frau wert bin, im Fernsehen gezeigt zu werden. Man wollte mich ja anfangs im ZDF nicht haben, das hat viele Überredungskünste gebraucht. Die Entscheider waren überwiegend Männer, das ist mir in meiner Karriere immer wieder begegnet. Meine Motivation war: Euch beweise ich es.

Sie gelten als die Athletin, die das Frauenboxen in Deutschland salonfähig gemacht hat. Heute muss man sagen: Nicht nur die Frauen haben es nicht geschafft, an Ihre Erfolge anzuknüpfen, auch das Männerboxen liegt hierzulande gerade ziemlich brach.

Die ehemalige Boxweltmeisterin Regina Halmich und Fernsehmoderator Stefan Raab boxen in der ausverkauften Kölnarena gegeneinander.
Die ehemalige Boxweltmeisterin Regina Halmich und Fernsehmoderator Stefan Raab boxen in der ausverkauften Kölnarena gegeneinander. © dpa

Halmich: In Deutschland ist das Boxen im Moment wirklich in einer Krise, aber weltweit hat sich das Frauenboxen durchgesetzt wie nichts. Wir haben Superstars wie Katie Taylor aus England, die inzwischen auch Millionen verdient und eine Millionen-Einschaltquote hat. In Amerika gibt es Claressa Shields, die Mexikanerinnen füllen teilweise Stadien. Nur die Deutschen können nicht mithalten. Es gibt keine Fernsehübertragungen mehr und es ist schwer, von den Gagen für die Kämpfe zu leben, so dass kaum jemand als Vollzeitprofi trainieren kann. Das ist schade.

Dass die Fernsehsender nicht mehr übertragen, hat aber auch etwas damit zu tun, dass die Zugpferde fehlen.

Halmich: Ja, da ist ein großes Problem. Uns fehlen die Charaktere. Keiner traut sich mehr, so richtig den Mund auf zu machen und Farbe zu bekennen. Jeder hat Angst, dass er gleich einen Shitstorm kassiert in den sozialen Medien. Aber wir alle wissen: Nur gut zu boxen allein reicht heute nicht aus. Es braucht Ausstrahlung, Charisma, das mögen die Leute.

Ihre eigene Bekanntheit hat einen Extra-Kick bekommen, als Sie 2001 einen Showkampf gegen Stefan Raab bestritten.

Halmich: Ja, das war eine super Sache. Da konnte ich Leute vor den Fernseher ziehen, die sonst mit dem Boxsport gar nichts am Hut hatten. Das war für mich ein großes Glück. Doch wenn ich danach keine guten Kämpfe geliefert hätte, wären die Leute nicht dran geblieben, dann wäre meine Fangemeinde nicht immer noch größer geworden. Aber ich denke gern an die Raab-Sache zurück...

... Sie haben ihm die Nase gebrochen.

Halmich: Das war wirklich lustig.

Hat er damals denn tatsächlich gedacht, er habe eine Chance gegen Sie?

Halmich: Ich glaube ja. Der Stefan ist ein ganz schlechter Verlierer, er ist ein Gewinnertyp, positiv verrückt. Für den Rückkampf 2007 hat er richtig hart trainiert. Aber natürlich wirst du in drei Monaten kein Profiboxer.

Er hat wieder verloren. Hatten Sie nach dem Nasenbruch im ersten Kampf ein schlechtes Gewissen?

Halmich: Natürlich nicht. Stefan hatte im Vorfeld so viele Sprüche abgedrückt, dass ich dachte: Hey, ich muss dir zeigen, was ich kann. Ich war dann clever, habe gewartet, mir das angeguckt, und irgendwann habe ich gesehen, dass es bei ihm konditionell schwierig wurde. Da war ich an der Reihe. Dann habe ich die Lücke gesehen und wusste: Das wird ein Volltreffer. Auch wenn es sich blöd anhört: Das war ein gutes Gefühl. Das war ein mediales Highlight. Aber kein sportliches.