Essen-Borbeck. Mit dem Sofortprogramm Innenstadt holte die Stadt Essen drei Start-up-Unternehmen an die Limbecker Straße. Das soll nun auch in Borbeck klappen.
Mit dem „Sofortprogramm Innenstadt“ will die Stadt Essen Leerstände von Ladenlokalen in Borbeck-Mitte verringern. Gefragt sind junge, innovative Geschäftsideen, die auch mit Hilfe des Landes finanziell gefördert werden. Vor Ort erntet die Essener Marketing (EMG) dafür Lob von Politik, Handel und Initiativen. Aber es gibt auch Kritik.
„Mykraut“, „Strike.Wardrobe“ und „The Outleter“ – so heißen drei junge Unternehmen, die mit Unterstützung des Förderprogramms zumindest für zwei Jahre einen neuen Standort an der Limbecker Straße gefunden haben. So lange nämlich währt die finanzielle Starthilfe in Form einer subventionierten Miete für ein Ladenlokal von maximal 300 Quadratmetern Größe. Nur 20 Prozent der Altmiete müssen die Unternehmer selbst berappen. Die Vermieter indes müssen die Miete ihrerseits um mindestens 30 Prozent senken. Die Differenz tragen Stadt und Land. Nach Ablauf sollten die Bewerber komplett auf eigenen Füßen stehen.
Das Sofortprogramm bietet die Chance, etwas ohne großes Risiko auszuprobieren
„Wir haben in der Essener City bereits gesehen, dass wir mit dem Sofortprogramm Leerstände erfolgreich bekämpfen können und spannende Unternehmen ansiedeln“, sagt Svenja Krämer, Citymanagerin bei der EMG. „Das Förderprogramm ist eine große Chance für alle Unternehmen, einfach mal etwas auszuprobieren, da das wirtschaftliche Risiko überschaubar bleibt.“
Die Bewerbungsphase für Unternehmen ist ab sofort gestartet. Auch im Essener Westen werden vornehmlich „Start-Ups“, neue Handelskonzepte, Gastronomie, Dienstleister, aber auch nachbarschaftliche Initiativen gesucht. Eine Einschätzung, die auch Cebo-Vorsitzende Klaudia Ortkemper teilt: „Bistros, Pizzerien und Restaurants werden hier doch vermisst.“ Auch ein wenig mehr Mode und vielleicht ein Spielwarenhandel stehen auf ihrer Wunschliste.
Kevin Kerber, stellvertretender Bezirksbürgermeister in der BV IV, sieht es ähnlich. „Für mich ist das Programm grundsätzlich eine Chance, ein B-Zentrum wie Borbeck zusätzlich zu beleben. Besonders sollte man Angebote für junge Leute schaffen, um dauerhaft junge Familien in den Stadtteil zu holen. Daher braucht es Geschäfte, die diese Klientel ansprechen.“
Essen-Borbeck besitzt großes Kundenpotenzial für Angebote an alle Generationen
Stellen Sie ihr Unternehmen vor
Bewerbungen für das Förderprogramm können ab sofort eingereicht werden. Unter www.start-up-essen/borbeck sind Interessenten an der richtigen Adresse. Danach entscheidet eine Jury aus Stadt, Politik und Branchenvertretern aus Handel und Gastronomie, wer über das Landesprogramm gefördert wird. Ziel ist es, möglichst mehrere Leerstände im Borbecker Zentrum zu besetzen.
Wollen Sie sich bewerben? Dann melden Sie sich auch in der Redaktion und stellen ihr Unternehmen vor. Kontakt: redaktion.stadtteile-essen-waz@funkemedien.de; Stichwort: „Leerstand Borbeck“
Doch Borbeck besitzt auch schon jetzt Potenzial, denn die Bevölkerungsstruktur ist ausgeglichen, wie Walter Frosch vom Borbecker Bürger- und Verkehrsverein weiß. „Der Anteil der Generationen liegt im Mittel der Stadt Essen.“ Das verspricht potenzielle Kundschaft für unterschiedlichste Unternehmungen. Zumal Borbeck auch über einen funktionierenden Wochenmarkt verfügt, der auch Käufer aus Schönebeck, Frintrop und Dellwig anzieht. „Da gibt es sicherlich Mitnahmeeffekte.“
Als Moderator des „Masterplan Borbeck“ ist Frosch seit vielen Jahren an einer positiven Entwicklung des Stadtteils interessiert und beteiligt. Deshalb steht er dem Förderprogramm auch positiv gegenüber. „Ziel muss es sein, dass die Menschen im Quartier wieder stolz auf ihr Zentrum sind und nicht nur gerne zum Einkaufen kommen, sondern hier auch Essen gehen und Zeit verbringen.“ Was sich Frosch wünscht: „Wir brauchen neue, mutige Ideen. Auch wenn diese eventuell scheitern. Das war beispielsweise im Masterplan auch so, als beispielsweise der prämierte Spielplatz am Germaniaplatz floppte. „Dann muss man eben etwas anderes versuchen.“
Die Konkurrenz durch das Centro Oberhausen ist in Borbeck spürbar
Die geografische Lage Borbecks hingegen sei Standortvorteil und Bürde zugleich. „Das Zentrum ist gut erreichbar, doch das Mittelzentrum spürt die Konkurrenz beispielsweise durch das Centro Oberhausen und auch durch die Essener City“, erklärt Florian Hecker, Leiter Stadtwerbung und Sprecher der EMG. Auch dies habe zuletzt zu Leerständen geführt.
Genau diese sind für Jürgen Becker überhaupt kein Problem. Der Vorsitzender des Kulturhistorischen Vereins ist selbst Vermieter und in Borbeck sehr aktiv. Er sagt: „Leerstände hat es schon immer gegeben. Es ist eben immer Bewegung drin. Doch das ist normal.“ Sein Palette reicht von Standorten weit über 2000 Quadratmetern Größe wie die Edeka-Filiale und der Getränkemarkt „Trinkgut“ am Wolfsbankring bis hin zu kleinen Ladenlokalen wie „Just Ballons“ an der Marktstraße mit 60 Quadratmetern.
Aktuell steht die ehemalige Sparda-Bank-Filiale an der Marktstraße leer. „Doch da habe ich bereits einen neuen Mieter gefunden.“ Eine Finanzabteilung der Deutschen Bank wird nach Borbeck kommen – ab April 2022 und für fünf Jahre. Er habe nahezu alle seine Objekte derzeit vermietet.
Auch das milliardenschwere Unternehmen Lindt profitierte vom Förderprogramm
Vom Förderprogramm hält Becker eher wenig: „Wenn eine Immobilie zu lange leer steht, dann muss man eben mit der Miete runter. Doch das reguliert der Markt.“ Davon abgesehen, dass das Sofortprogramm sowieso nur Vermieter mit Ladenlokalen betrifft, würden bei der Finanzierung alle belastet. „Das finde ich nicht gut. Das Geld kommt auch vom Land, und da gibt es in NRW sicherlich Regionen, wo eine Hilfe nötiger wäre. Und wenn in Essen, dann auch in anderen Stadtteilen.
Wozu der Eingriff in den Mietmarkt führt, zeige das Beispiel Lindt. Der milliardenschwere Schweizer Edel-Chocolatier habe sich das Programm zunutze gemacht und zog an die Limbecker Straße. „Das ist sicherlich nicht Sinn der Sache, aber es passiert“, sagt Becker. „Da steckt der Fehler im Detail.“
So sehen die Stärken und Schwächen von Borbeck aus
Dass das Förderprogramm „Sofortprogramm Innenstadt“ nun auch in Borbeck greifen soll, hat gute Gründe. Schon vor einem Jahr lotete die Stadt die Stärken und Schwächen des Stadtteils aus. Über 1000 Menschen aus Borbeck nahmen damals an der Umfrage online und per Papierfragebogen teil.
Ausreichend Ärzte, Banken und Friseursalons, außerdem eine sehr gute Anbindung und auch genügend bezahlbare Parkplätze – das sind die Pfunde, mit denen der Stadtteil Borbeck laut Bürgerumfrage wuchern kann. Schwächer bewertet wurden die Aufenthaltsqualität, Gastronomie sowie die Kultur- und Freizeitmöglichkeiten.
An Kundschaft mangelt es sicher nicht. „Die Borbecker Innenstadt ist gut frequentiert“, so das Ergebnis der FOM Hochschule. Professor Christian Rüttgers, der die Umfrage begleitete: „Im Mittel kommen die Befragten zweimal pro Woche in das Zentrum.“ Über das Jahr nutzten 84 Prozent von ihnen Borbeck-Mitte zum Einkaufen oder den Marktbesuch; 73 Prozent nahmen Ärzte oder Banken in Anspruch. „Diese Ergebnisse sind für uns sehr wichtig, da es sich um die Einschätzung der Anwohner handelt“, so Svenja Krämer, Citymanagerin bei der Essen Marketing GmbH. Ein Fingerzeig auch für das nun initiierte Förderprogramm.