Essen. Wegen Corona konnten Essener Grundschüler nicht Schwimmen lernen. An Bädern mangelt es nicht, wohl aber an Personal. Nun wird gehandelt.

Es sind höchst alarmierende Zahlen: Schätzungsweise 8000 bis 9000 Essener Kinder hatten während der Corona-Pandemie keine Möglichkeit, Schwimmen zu lernen. Experten sprechen bereits von der Generation Nichtschwimmer. In dieses düstere Bild passt die Nachricht aus einem Gymnasium im Essener Norden: Von 150 Fünftklässlern, die es in diesem Schuljahr aufgenommen hat, sind 120 oder umgerechnet 80 Prozent Nichtschwimmer. „Das war für mich der Auslöser, endlich tätig zu werden“, sagt der Essener Sportfunktionär und Schwimmtrainer Horst Melzer.

Ergebnis seines Engagements ist eine konzertierte Aktion mit dem Essener Sportbund (Espo) unter Federführung von Oberbürgermeister Thomas Kufen. Dieser hat die eindringliche Losung ausgegeben: „Jedes Essener Kind muss Schwimmen lernen.“

OB Thomas Kufen fordert: „Jedes Essener Kind muss Schwimmen lernen“

Melzers Initiative zielt ab auf die 84 Essener Grundschulen, die aktuell von 20.945 Schülerinnen und Schülern besucht werden. Die wenigsten von ihnen beherrschen inzwischen die Grundlagen des Schwimmens.

Das geringste Problem, so Melzer, sei die Bäderlandschaft in Essen. Im Vergleich zu anderen Ruhrgebietsstädten weise Essen mit neun Hallenbädern zwischen Karnap und Kettwig sogar die höchste Dichte an Bädern auf. Vor allem jedoch hapere es in Essen am notwendigen Ausbildungspersonal. „Daher suchen wir händeringend Schwimmassistentinnen und - assistenten, die Essener Grundschülern vom zweiten Schuljahr aufwärts das Schwimmen beibringen“, sagt Melzer. 20 bis 25 Schwimmausbilder seien eine solide Grundlage, um das Projekt Anfang nächsten Jahres starten zu können. Sie alle erhalten vom Espo ein Honorar von mindestens 15 Euro pro Stunde.

Pilotprojekt macht Essener Kita-Kinder fit fürs SeepferdchenAufgerufen sind interessierte Essener Bürgerinnen und Bürger – vom Studenten bis zum pensionierten Lehrer. Wegen der zunehmenden Zahl tödlicher Badeunfälle in den letzten Jahren stuft Horst Melzer die aktuelle Situation als ernsten Notfall ein. Er sagt: „Unsere Aktion soll dazu beitragen, das Leben junger Menschen zu schützen.“

Vorteil Essen: Die Stadt hat mehr Hallenbäder als andere Ruhrgebietsstädte

Vier Hallenbäder stehen für die geplanten Intensiv-Schwimmkurse zur Verfügung: Hallenbad Thurmfeld, Stadtbad Nordost sowie die beiden Schwimmzentren Oststadt und Rüttenscheid. Sie alle sind an Sonntagnachmittagen für die Öffentlichkeit geschlossen, so dass genug Wasserzeiten für das Projekt zur Verfügung stehen. Ideal: Jedes dieser Bäder verfügt über Lehrschwimmbecken mit 28 Grad Wassertemperatur.

Horst Melzer und Espo-Geschäftsführer Thorsten Flügel bieten den potenziellen Schwimmlehrerinnen und - lehrern eine gründliche Einweisung in Theorie und Praxis des Anfänger-Schwimmunterrichts an. Der theoretische Teil finde im Sport- und Tanzinternat, der praktische im benachbarten Schwimmzentrum Rüttenscheid statt. Sportwissenschaftler betreuen das Projekt. Die Begrüßung übernimmt der Oberbürgermeister. Melzer: „Wichtig ist, dass die künftigen Ausbilder rettungsfähig sind, also das DLRG-Rettungsabzeichen besitzen.“ Wer es noch nicht hat, kann die Prüfung im Schwimmzentrum absolvieren.

Vier Mal als Trainer bei Olympia dabei

Horst Melzer (71) zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Essener Sportszene. Über Jahrzehnte wirkte er als Schulsportreferent der Stadt Essen. Als Schwimmtrainer der SG Essen hatte er die beiden Weltklasseschwimmer Mark Warnecke und Christian Keller unter seinen Fittichen. Sie gewannen Olympia-Medaillen und stellten Weltrekorde auf.

Bei vier Olympischen Spielen zählte Melzer zum Bundestrainerstab. In Essen leitet er das Sport- und Tanzinternat in Rüttenscheid. OB Kufen ernannte ihn zum Olympiabeauftragten der Stadt Essen für die Sommerspiele 2032.

Die praktische Schwimmausbildung in den vier Hallenbädern erstreckt sich auf zehn Sonntage von Januar bis zu den Sommerferien. „Die Kinder sollen das Schwimmen auf spielerische Weise erlernen und die Angst vor dem Wasser verlieren“, sagt Horst Melzer.

Interessierte Schwimmlehrerinnen und -lehrer melden sich ab sofort beim Espo per E-Mail unter info@essener-sportbund.de oder telefonisch 0201/8146100