Borbeck/Vogelheim. Die evangelische Kirchengemeinde in Essen-Borbeck und Vogelheim plant den Umbruch und startet ihr Programm „Zukunft konkret“. Was dahintersteckt.
„Wie soll unsere Kirche sein?“, fragt die evangelische Kirchengemeinde Borbeck/Vogelheim. Im Rahmen ihres Projektes „Zukunft konkret“ will sich die Gemeinde neu aufstellen und sucht daher nun aktiv den Dialog mit Menschen jeden Alters im Stadtteil. Was sich hinter dem Projekt verbirgt, erklären Pfarrer Kai Pleuser und Presbyter Andreas Döring.
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Die evangelische Kirche in Borbeck-Vogelheim hat einiges vor. Auch in Zeiten, in denen in vielen Gemeinden der Stadt der Rotstift regiert, sich im Zuge stetig sinkender Zahlen von Gläubigen zunehmend Großpfarreien bilden und Kirchengebäude geschlossen werden, „wolle man gemeinsam nach vorne blicken und Zukunft aktiv gestalten“, wie Pfarrer Kai Pleuser sagt. Deshalb lädt die Gemeinde nun zu zwei öffentlichen Diskussionsrunden ein.
Evangelische Gemeinde in Essen-Borbeck/Vogelheim zählt 300 Mitarbeiter
Das Gemeindeleben im Essener Westen spielt sich vorrangig an drei Orten ab: Gottesdienste werden in der Matthäuskirche (Bocholder Straße), in der Dreifaltigkeitskirche (Stolbergstraße) und gemeinsam mit der katholischen Kirchengemeinde im Ökumenezentrum Markushaus (Forststraße) gefeiert. Neben der klassischen Gemeindearbeit, also Seelsorge, Beerdigung, Trauung und Taufen, gibt es zahlreiche Gruppen und Kreise. Vier Jugendklubs sowie eine Übermittagsbetreuung im „Coffee-Corner“ (Bocholder Straße) zählen ebenso dazu wie die interkulturelle Arbeit im „Kreuzer“ (Friedrich-Lange-Straße).
Zwei Diskussionsrunden stehen an
Die evangelische Kirchengemeinde Borbeck/Vogelheim lädt alle Interessierten, die sich aktiv an der Gestaltung des Gemeindelebens beteiligen wollen, ein, ihre Wünsche und Vorschläge im Rahmen einer öffentlichen Diskussion einzubringen.
Dazu gibt es zwei Gelegenheiten: am Sonntag, 24. Oktober, 11.30 Uhr, nach dem Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche, Stolbergstraße 54, und am Montag, 25. Oktober, 18 Uhr, per Zoom. Zugangsinformationen auf www.gemeinde-borbeck-vogelheim.de
Auch gibt es Arbeitsmarktprojekte wie das Zentrum für Joborientierung. Die Unterstützung von Migranten, beispielsweise im Jugendmigrationsdienst und als Angebot für Jugendwohnen, wird großgeschrieben. Erwachsenenbildung, das Altenheim Bethesda sowie Beteiligungen, zum Beispiel am evangelischen Kita-Verband Essen, runden das Angebot ab. „Aktuell zählen wir mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, rechnet Andreas Döring vor. „Das ist für eine Gemeinde mit knapp 9000 Mitgliedern schon extrem viel.“
Diskussionsrunden mit den Menschen vor Ort in der Kirche und als Zoom-Konferenz
Handlungsbedarf besteht dennoch: „Das Leitbild unser Gemeinde war bislang, ein guter Gastgeber zu sein, der eine Vielzahl von Angeboten vorhält“, sagt Pfarrer Pleuser. Doch es stelle sich die Frage, ob und wie dies heute noch finanzierbar sei und vor allem, „ob man damit den Wünschen der Menschen überhaupt noch gerecht wird“.
Bei der Beantwortung dieser Frage gehe es, so Pleuser, nicht darum, alles rigoros über Bord zu werfen, was bislang wichtig erschien, sondern um eine „notwendige Transformation, die den aktuellen Bedürfnissen der Menschen Rechnung trägt“. So habe er seit seinem Amtsantritt zunehmend erfahren, dass es Bedarf z.B. bei der Begleitung Trauernder und Alleinerziehender gibt.
Ziel des Projekts „Zukunft konkret“ sei es jedoch nicht, einfach die Palette der regelmäßigen Angebote zu erweitern, sondern den Menschen Freiräume zu eröffnen, um sich selbst aktiv einzubringen, Möglichkeiten der Begegnung zu schaffen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Von daher sei es nun wichtig, eine Diskussion anzustoßen und „die Zukunft gemeinsam in den Blick zu nehmen“, wie Pleuser betont.
Alle drei Pfarrstellen wurden im Februar neu besetzt, um Teamarbeit zu stärken
Dass dies nicht einfach ist, weiß Andreas Döring aus eigener Erfahrung: „Es gibt viele Menschen, die in der Kirchengemeinde gar nicht in Erscheinung treten, weil ihnen Kirche fremd ist und sie diese als abgeschlossene Gesellschaft wahrnehmen.“ Deshalb wolle man nun erfahren, wer Interesse habe, sich gestalterisch zu betätigen. Wichtig sei, so Döring, dass all jene, die sich aktiv einbringen wollen, dies als Bereicherung verstehen. „Sie sollen sich ausprobieren können, ohne gleich eine Verpflichtung eingehen zu müssen.“ Da stehe die Kirchengemeinde vor einem Öffnungsprozess.
Dieser Prozess habe bereits begonnen. Im Februar dieses Jahres wurden alle drei Pfarrstellen neu besetzt. Neben Kai Pleuser arbeiten nun Pfarrerin Maren Wissemann und Pfarrer Michael Banken, der auch dem Presbyterium vorsitzt, zusammen. Gemeinsam mit Andreas Döring, Bankens Stellvertreter im Presbyterium, und Finanz- und Baukirchmeister Jens Kuhlemann setzen alle unisono auf Teamarbeit, um gemeinsam am Umbruch zu arbeiten. Pleuser: „Wir wollen den Menschen im ersten Schritt zuhören und erfahren, was sie bewegt, um daraus Schlüsse über die zukünftige Gestalt unserer Kirchengemeinde zu ziehen.“