Essen. Nach Anwohnerprotest hat die Stadt Essen in einer Straße Gehwegparken erlaubt - es gab heftige Reaktionen. Besonders eine Forderung wird laut.

  • Nach einer Knöllchenflut hatte die Stadt in Schönebeck das Gehwegparken erlaubt, die entsprechenden Schilder sollen in Kürze aufgestellt werden.
  • Die Fußgängerlobby wehrt sich und fordert Spielstraßen die von den Anliegern mit finanziert werden – und zwar nicht nur in Schönebeck, sondern als grundsätzliche Lösung, um dem Parkdruck zu entgegnen.
  • Das Thema soll im Verkehrs- und Beschwerdeausschuss sowie in den Bezirksvertretungen diskutiert werden.

Viele Straßen in Essen sind so schmal, dass das Parken dort verboten ist. Das Ordnungsamt hatte zuletzt unter anderem in Karnap und Schönebeck Knöllchen verteilt. Nach einer Bürgerversammlung erlaubte die Stadt in der Kalkstraße nun das Gehwegparken auf einer Straßenseite. Dagegen regt sich Widerstand, besonders aus der Ecke der Fußgängerlobby. Es stellt sich die Frage, ob nun für jede Essener Wohnstraße eine individuelle Lösung gefunden werden muss – Anwohner und Anwohnerinnen der Thusneldastraße in Karnap planen jedenfalls auch schon eine Bürgerversammlung. Das Thema wird jetzt wohl auf die politische Agenda rücken.

Forderung: Wohnstraßen in Essen zu Spielstraßen umbauen

„Gehwege Zweck zu entfremden und zuzuparken ist keine Lösung für das allgemeine Parkproblem“, erklärt Wolfgang Packmohr, Vorsitzender von Fuß e.V.. Er fordert, wie auch diverse Leserbriefschreiber und Kommentatorinnen in den sozialen Netzwerken, einen verkehrsberuhigten Bereich, also eine Spielstraße einzurichten – und zwar nicht nur in der Schönebecker Kalkstraße. Das wäre eine Lösung, die auch auf andere Wohnstraßen in Essen übertragbar wäre.

Die Anwohner der Thusneldastraße in Karnap können nicht am Straßenrand parken, weil die Fahrbahn eine Restbreite von 3,05 Metern aufweisen muss, sonst droht ein Knöllchen.
Die Anwohner der Thusneldastraße in Karnap können nicht am Straßenrand parken, weil die Fahrbahn eine Restbreite von 3,05 Metern aufweisen muss, sonst droht ein Knöllchen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

In Spielstraßen sind die Bordsteine abgesenkt, Fußgänger, Radfahrer, Rollstuhlfahrer und andere Verkehrsteilnehmer haben Vorrang, es gilt Schrittgeschwindigkeit, geparkt wird in entsprechend markierten Bereichen. „Die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereiches würde das Parken ohne Behinderung für Anlieger, Feuerwehr und Entsorgungsbetriebe zulassen, wie die Anlieger es anstreben“, erklärt Packmohr. Bei dieser Lösung würden die Interessen aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigt. Auch Leserbriefschreiber Georg Michels betont: „Die Stadt sollte dieses Instrument offensiv fördern und so das Leben für die Menschen in Essen weiter verbessern.“

Thema Gehwegparken auf politischer Tagesordnung in Essen

Die Forderungen richtet Wolfgang Packmohr auch an den Verkehrs- und den Beschwerdeausschuss der Stadt sowie an die entsprechenden Bezirksvertretungen. Die politischen Gremien werden sich nicht zum ersten Mal mit diesem Problem befassen. Es stand – nach ähnlichen Konflikten in Rüttenscheid und Holsterhausen – auch schon im April auf den Tagesordnungen.

Das Ergebnis damals eher unkonkret: Ratsherr Ulrich Malburg (SPD) erklärte, dass das Problem die ganze Stadt in unterschiedlicher Ausprägung betreffe. Malburg: „Die Fußgänger sind bedauernswert.“ Man müsse den Blickwinkel dabei erweitern, und als Verwaltung ganzheitlich eine Verbesserung der Situation herbeiführen. Verkehrsdezernentin Simone Raskob (Grüne) verwies darauf, dass es ein Förderprojekt der Grünen Hauptstadt-Agentur zum Fußverkehr gebe.

Ordnungsamt muss bei Knöllchen Verhältnismäßigkeit beachten

Jörg Stratenwerth, Leiter des Ordnungsamtes erklärte, dass bei dem Verteilen von Knöllchen in dieser Angelegenheit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelte. „Ausnahmslose Sanktionierung des Gehwegparkens ist rechtswidrig.“ Das dürfte Anwohner und Anwohnerinnen besonders der Kalk- und Thusneldastraße aufhorchen lassen, die zuletzt zur Kasse gebeten wurden. Sie hatten dem Ordnungsamt „Abzocke“ vorgeworfen, weil sie „schon immer“ am Straßenrand geparkt hätten und es hätte „nie Probleme gegeben“.

Fuß e.V. sieht keinen Parkraum-Engpass

Drei Meter und fünf Zentimeter - so breit muss die Fahrbahn laut Rechtssprechung noch sein, wenn ein Auto am Rand parkt. Die Kalkstraße ist mit 4,45 Metern zu schmal, um dort sein Auto abzustellen. Die, die es doch taten, wurden zuletzt vom Ordnungsamt zur Kasse gebeten. Auf einer Bürgerversammlung mit Vertretern von Stadt, Feuerwehr und Entsorgungsbetrieben wurde dann das einseitige Gehwegparken beschlossen.

Wolfgang Packmohr, Vorsitzender von Fuß e.V., hat sich die Situation vor Ort angeschaut. Sein Urteil: „Das Problem scheint eher zu sein, den Zweit- oder Drittwagen auch am Haus stehen haben zu wollen oder die Garage nicht wirklich bestimmungsgemäß zu nutzen oder das Auto aus Bequemlichkeit lieber auf der Straße statt auf dem Stellplatz abzustellen.“ Ein Parkraum-Engpass sei für ihn in der Kalkstraße nicht erkennbar.

Welche Lösung für die Thusneldastraße gefunden wird, ist noch unklar. Bei der Errichtung von Spielstraßen spielen Zeit und Geld mal wieder eine entscheidende Rolle. „Für die Kalkstraße war die jetzt gefundene Lösung die schnellste und beste für die Anwohner“, erklärt Ratsherrin Jessica Fuchs (CDU), die die Bürgerversammlung initiiert hatte und ihren Karnaper Kollegen darin unterstützen will, eine ähnliche Veranstaltung dort zu organisieren.

Fußgänger-Verein fordert Sofortmaßnahmen

Bordsteine absenken, Parkplatz-Markierungen anbringen, Schilder aufstellen, das alles kostet für die Errichtung von Spielstraßen Zeit und Geld. „Die anfallenden Kosten können an die Anlieger, die ja auch die Nutznießer dieser Regelung sind, kostenanteilig umgelegt werden“, findet Wolfgang Packmohr, der aber auch eine provisorische Einrichtung des verkehrsberuhigten Bereiches für denkbar hält. Auf die Absenkung der Gehwege könnte dann zunächst verzichtet werden. Mit dem Gehwegparken, wie es jetzt zumindest in der Kalkstraße Praxis ist, sei die Gefährdung der Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, offenkundig und rechtfertigt aus Sicht des Fuß e.V. Sofortmaßnahmen. „Wenn die Bordsteine nicht abgesenkt sind, wird es nur schwierig, Parkplätze zu markieren“, stellt Stadtsprecherin Jasmin Trilling zum Thema Provisorium fest.

Blickt man auf das gesamte Stadtgebiet wird deutlich, dass das Hauptproblem Straßen sind, die vor einigen Jahrzehnten gebaut wurden. Bei Neubaugebieten, wie etwa in der Rüttenscheider Roswithastraße wird oft direkt ein verkehrsberuhigter Bereich geplant.

Update Samstag, 16.10.: Jasmin Trilling betont, dass das Gehwegparken in der Kalkstraße explizit erst dann gilt, wenn die entsprechenden Schilder aufgestellt sind: „Es wurde zwar die Lösung vorgebracht, dass das Parken im Seitenbereich eingerichtet werden kann. Aber erlaubt ist es erst, wenn dort eine entsprechende Beschilderung eingerichtet wird.“