Essen. Wolfgang Packmohr, Polizeidirektor a.D., gründete einen Essener Ableger des bundesweit aktiven Vereins “Fuss e.V.“ - und sucht nach Verbündeten.
Fußgänger geraten in Essen zusehends unter die Räder - und das leider im wahrsten Sinne des Wortes: Rund 20 Prozent mehr verunglückte Passanten im Straßenverkehr binnen eines einzigen Jahres sind eine alarmierende Größenordnung. Vor allem ältere Menschen und Kinder sind die Opfer, weil die Fahrzeuge auf den Straßen – Autos, Fahrräder und E-Scooter – mehr werden und der Platz so für jeden einzelnen schrumpft. Jeder sucht sich da seinen vermeintlich sichersten Weg, auch gegen alle Vorschriften und vielfach ohne Rücksicht auf Verluste. Und letztlich gehen diese Verdrängungseffekte in Richtung der Bürgersteige und damit letztlich auf Kosten der Schwächsten. Doch die haben jetzt einen prominenten Fürsprecher.
Wolfgang Packmohr, Polizeidirektor a. D. und früherer Chef der Verkehrsdirektion des Essener Präsidiums, hat nach seiner Pensionierung wahr gemacht, was er kurz vor seinem Abschied angekündigt hatte: Als Privatier gründete Packmohr die Essener Ortsgruppe des bundesweit aktiven Vereins "Fuss e.V.", dessen Mitglieder sich für die Rechte der Fußgänger engagieren und als deren Lobby dort auftreten wollen, wo Passanten der Schuh am allermeisten drückt.
Die noch kleine Ortsgruppe macht sich auf die Suche nach Gleichgesinnten
Noch ist der Köpfe Schar in der Ortsgruppe überschaubar: Neben Packmohr sind es dessen Ehefrau und ein dritter Mitstreiter. Doch man stehe schließlich am Anfang und werde sich nun auf die Suche nach Gleichgesinnten machen - jetzt, "wo das öffentliche Leben langsam wieder beginnt", meint Packmohr, der mit seinem Engagement ein Umdenken erreichen will: Dass die Menschen das Gehen nicht nur als natürlichste Art der Fortbewegung begreifen, sondern auch als Verkehrsart, die den anderen mit Hilfsmitteln nicht untergeordnet werden darf. Denn es ist ein so einleuchtender wie auswegloser Gang der Dinge: "Zu Fuß bleibt am Ende für alle", gibt der Verkehrsexperte zu bedenken. Mit Sicherheit.
Wer sich dem Verkehrsraum ohne Denkverbote nähern, ihn neu entdecken, strukturieren und wieder verteilen will, braucht viele Verbündete. Das weiß Packmohr aus seiner aktiven Zeit als leitender Beamter nur zu gut. Um den Blick auf die zunehmenden Nöte der Fußgänger zu richten, ohne die Rechte der anderen Verkehrsteilnehmer aus dem Auge zu verlieren, will sich der Pensionär zunächst an einem sehr bodenständigen Vorbild orientieren, das vielen ein Begriff sein dürfte.
Auch die Radfahrer müssen mehr Verkehrsraum bekommen
Ähnlich der Arbeit der Unfallkommission soll zunächst eine stadtweite Bestandsaufnahme her, die grundlegende Fragen beantwortet: Wie groß ist in der Regel der Anteil der Fußgänger am Verkehr und an der Verkehrsfläche, der ihnen in Essen tatsächlich zur Verfügung steht? Wo in Essen sind Passanten und durch welche jeweiligen Bedingungen besonders gefährdet? Was kann man im Schulterschluss der Behörden wie Polizei und Stadt, aber auch Interessenverbänden wirksam dagegen unternehmen, ohne zu vergessen, "dass auch die Radfahrer mehr Verkehrsraum bekommen müssen, aber nicht auf Kosten der Fußgänger", so Packmohr.
Dabei wird es dann um die Instandhaltung von maroden Gehwegen, die eine ernste Gefahr besonders für Senioren an Rollatoren darstellen, die Intervalle von Ampelschaltungen an Überwegen oder mögliche Barrieren für Menschen mit Handicaps genauso gehen wie um Autos, die für Fußgänger nicht nur eine Gefahr sind, wenn sie rollen, sondern auch wenn sie still stehen. Etwa, wenn hüftig auf dem Gehweg widerrechtlich geparkte Wagen Passanten auf die Fahrbahn ausweichen lassen, was Packmohr zum Beispiel im Gedränge auf der Rüttenscheider Straße immer wieder beobachtet. Das nicht immer stringente Handeln oder - schlimmer noch - das stillschweigende Dulden von solchen Verstößen durch die Ordnungskräfte empfindet der Ex-Polizist schlicht als "Unehrlichkeit".
Die ins Boot kriegen, die verantwortlich sind
Ehrlich wäre es, entweder die Parksünden des Autoverkehrs stadtweit einheitlich und ebenso konsequent wie alle anderen Verstöße auch zu ahnden oder anachronistisch-radikal einen Gehweg zu opfern, indem man ihn entwidmet und zum Parkplatz erklärt, ist Packmohr überzeugt. An dieser Sicht der Dinge mag sich mancher reiben, doch dann ist das Interesse an "Fuss e.V." in Essen doch auch schon geweckt: "Wir wollen versuchen, die ins Boot zu kriegen, die verantwortlich sind."
Dass Handlungsbedarf besteht für den Essener Verkehrsraum, wird kaum jemand anzweifeln wollen: Die Zahl der Verunglückten, die mit keinem Verkehrsmittel, sondern auf Schusters Rappen unterwegs waren, stieg im vergangenen Jahr deutlich von 338 auf 403. Von den 2202 Verletzten auf Essens Straßen, deren Zahl im Vergleich zum Vorjahr insgesamt nahezu konstant blieb, waren 188 Kinder, 273 Senioren und 399 Rad- oder Pedelecfahrer. Bei den jüngsten Verkehrsteilnehmern unter den Verunglückten registrierte die Polizei binnen eines Jahres eine Zunahme um 9,3 Prozent, bei den ältesten um 10,8 Prozent und bei den Radlern um 6,7 Prozent.
Wer sich bei "Fuss e.V." engagieren möchte, wendet sich an Wolfgang Packmohr unter der Rufnummer 0177/605 3679.