Essen. Das Islamische Bestattungsfeld am Hallo ist über Essen hinaus beliebt – und Anlass für Reibereien. Der Bezirksbürgermeister verlangt eine Zäsur.

Reibereien rund um das Islamische Bestattungsfeld am Essener Hallo-Friedhof sorgen schon seit längerem für unschöne Schlagzeilen. Mit dem Faustschlag eines muslimischen Trauergastes ins Gesicht des Friedhofsleiters ist jedoch die rote Linie überschritten worden. Der Bürgermeister des Bezirks Zollverein, Michael Zühlke, gibt dem für die Friedhofsverwaltung zuständigen Stadtbetrieb Grün & Gruga eine gehörige Portion Mitschuld an der Eskalation auf dem Problem-Friedhof.

Unverhohlen wirft der SPD-Politiker Grün & Gruga Gewinnstreben auf dem Rücken der Menschen im Stadtteil vor. „Der Hallo-Friedhof ist dank des islamischen Begräbnisfeldes der einzige in Essen, mit dem die Stadt schwarze Zahlen schreibt“, kritisiert Zühlke.

Grün & Gruga weist den Profit-Vorwurf des Politikers zurück

Zollverein-Bezirksbürgermeister Michael Zühlke fordert eine Zäsur auf dem Hallo-Friedhof in Essen. Der SPD-Politiker spricht sich strikt gegen eine Erweiterung des Islamischen Bestattungsfeldes aus.
Zollverein-Bezirksbürgermeister Michael Zühlke fordert eine Zäsur auf dem Hallo-Friedhof in Essen. Der SPD-Politiker spricht sich strikt gegen eine Erweiterung des Islamischen Bestattungsfeldes aus. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Eine Sprecherin des Stadtbetriebs hat den Zühlke-Vorwurf, sich auf dem Hallo-Friedhof von rein wirtschaftlichen Überlegungen leiten zu lassen, zurückgewiesen.

Aktuell geht es um die kontrovers diskutierte Frage, ob hoch droben auf dem Islamischen Bestattungsfeld eine begrünte Freifläche für weitere 550 Einzelgräber aufgeschlossen werden soll. Dies würde Grün & Gruga nach der Arithmetik des Bezirksbürgermeisters eine Millionen-Einnahme bescheren: Bei einem Einzelpreis von rund 2000 Euro pro Grab könne der Stadtbetrieb mit einer Gesamteinnahme von gut einer Million Euro kalkulieren.

Doch der Bürgermeister des Zollverein-Bezirks (Katernberg, Stoppenberg und Schonnebeck) erinnert angesichts zunehmender Bürgerbeschwerden an die Beschlusslage der Bezirksvertretung und fordert Grün & Gruga zu einer radikalen Zäsur auf. „Das Experiment Islamisches Bestattungsfeld muss beendet werden, es darf keine Erweiterung mehr geben“, sagt er. Weder der Einsatz von Sicherheitsleuten noch der von Polizisten der Einsatzhundertschaft zur Sicherung muslimischer Trauerfeiern seien auf Dauer eine Lösung.

„Freiflächen auf anderen Friedhöfen werden in Blumenwiesen verwandelt“

Zühlke geht gehörig gegen den Strich, dass frei werdende Flächen auf den Friedhöfen anderer Essener Stadtteile zusehends in Blumenwiesen und Parks verwandelt würden, während der Hallo-Friedhof allein wegen des stark expandierenden islamischen Teils weiterhin wachsen solle. „Das ist ungerecht“, ärgert sich Zühlke, der nicht nur seine Fraktion im Zollverein-Bezirk hinter sich weiß, sondern auch die der CDU. Auf höherer Polit-Ebene hingegen verläuft die komplexe Debatte weitaus diffuser.

Der verprügelte Friedhofsleiter und der angespuckte Modellflugsportler – das sind die spektakulärsten Entgleisungen am Hallo-Friedhof. Ein alltägliches Ärgernis aus Sicht der Anwohner sind zugeparkte Grundstückseinfahrten bei großen Trauerfeiern. Auch am letzten Tag des Fastenmonats Ramadan, dem Zuckerfest, kam es zu einem ungewöhnlich starken Besucherandrang aus dem ganzen Ruhrgebiet. Auf der zugeparkten Langemarckstraße war für Busse der Ruhrbahn kein Durchkommen mehr, die Polizei musste eingreifen.

Islamisches Bestattungsfeld in Essen zählt zu den größten und ältesten in Deutschland

Das Islamische Bestattungsfeld hoch oben auf dem Hallo-Friedhof in Essen zählt zu den ältesten und größten in Deutschland.
Das Islamische Bestattungsfeld hoch oben auf dem Hallo-Friedhof in Essen zählt zu den ältesten und größten in Deutschland. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Das Islamische Bestattungsfeld auf dem Hallo-Friedhof zählt zu den ältesten und größten in ganz Deutschland. Nicht nur Essener Muslime finden hier ihre letzte Ruhe, sondern auch weitaus mehr Verstorbene aus ganz Nordrhein-Westfalen und sogar darüber hinaus. Der Stadtbetrieb weist darauf hin, dass neben der Wohnortnähe insbesondere auch die Nähe zu bereits bestatteten Angehörigen eine große Rolle bei der Wahl des Friedhofs spiele.

Islamischer Friedhof

Grundsätzlich gilt für islamische Friedhöfe – ähnlich wie auf jüdischen – das so genannte Ewigkeitsprinzip. Das heißt: Die Verstorbenen sollen für immer in ihren Gräbern ruhen.Der Islamische Bestatter Hicham El-Founti aus Essen-Karnap weist aber darauf hin, dass Gräber selbst in der arabischen Welt vielfach nicht für immer und ewig angelegt seien – etwa in dichtbesiedelten Städten. Er begrüßt es, dass Friedhofssatzungen hierzulande lange Laufzeiten ermöglichten.

Hinzu kommt, dass neu geschaffene Islamische Gräberfelder in der Nachbarschaft von Essen von vielen Muslimen offenbar gar nicht angenommen werden. Das große Feld auf dem Hallo-Friedhof in Essen sei bei der muslimischen Community im ganzen Ruhrgebiet überaus beliebt, bestätigen auch islamische Bestatter.

Angebliche Erwägungen des Stadtbetriebs, an der Langemarckstraße eigens einen neuen Parkplatz für Friedhofsbesucher anzulegen und dafür Bäume im nahen Waldstück zu fällen, quittiert Zühlke mit Kopfschütteln. Für ihn belegt diese Überlegung das „kommerzielle Interesse“, das Grün & Gruga am Hallo-Friedhof verfolge.

Grün & Gruga dementiert: „Neuer Parkplatz an der Langemarckstraße ist aktuell kein Thema“

Grün & Gruga widerspricht dem Bezirksbürgermeister auch in diesem Punkt. „Ein Parkplatz an der Langemarckstraße ist aktuell kein Thema und wird auch nicht verfolgt“, so Sprecherin Christina Waimann. Auch Zühlkes Profit-Vorwurf weist sie zurück. Grün & Gruga prüfe derzeit Möglichkeiten für kleinere Grabfelder auch auf anderen Friedhöfen im Stadtgebiet, bei denen die Voraussetzungen für islamische Bestattungen erfüllt seien. Dazu gehört vor allem die Ausrichtung der Gräber in Richtung Mekka.

Grundsätzlich stünden jedoch Flächen, die die Voraussetzung einer islamischen Bestattung erfüllten, nur begrenzt zur Verfügung. Grün & Gruga prüfe derzeit weitere Möglichkeiten. So gebe es bereits ein islamisches Gräberfeld auf dem Nordfriedhof in Altenessen, das aktuell um 150 Grabstellen erweitert worden sei und noch mehr Erweiterungspotenzial biete.

Ferner sei Grün & Gruga im Gespräch mit muslimischen Bestattern und Moscheegemeinden. Das Ziel: Auf Grabfeldern, wo in der Vergangenheit bereits Muslime beigesetzt worden seien, soll eine Wiederbelegung ermöglicht werden.