Essen-Schuir. Hofladen und noch viel mehr: Landwirte in Essen müssen neue Wege finden, um die Zukunft ihrer Höfe zu sichern. Welche Ideen es in Schuir gibt.

Die Bilderbuch-Idylle von kleinen Bauernhöfen mit Kühen, Schweinen und Hahn auf dem Misthaufen ist zunehmend Geschichte: Familienbetriebe müssen aufgrund des Preisdrucks neue Wege finden, um weiter existieren zu können. Im Essener Stadtteil Schuir ist diese Entwicklung besonders gut abzulesen: Wo die Landwirte früher Äcker bestellten, Kühe melkten und Schweine aufzogen, spielen heute Menschen Fußball-Golf, sie übernachten dort, ernten auf dem Acker selbst oder mieten Hühner.

Der Reiterhof Schuir inklusive Ferienwohnungen liegt idyllisch im grünen Essener Süden.
Der Reiterhof Schuir inklusive Ferienwohnungen liegt idyllisch im grünen Essener Süden. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Auf dem Reiterhof Schuir von Tanja und Rainer Erbach kommen heute Pensionspferde unter, wo früher Schweine gehalten wurden. Und Teile des Bauernhofes sind zu Ferienwohnungen umgebaut. „Bis zum Jahr 2000 war ich Bauer, mit Schweinehaltung und Ackerbau“, sagt Rainer Erbach. Doch irgendwann sah er sich gezwungen, die Schweinehaltung aufzugeben. Mit seinen 600 Tieren konnte er mit den Preisen großer Mastbetriebe nicht mehr mithalten.

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Deshalb entschied sich die Familie, auf die Kombination aus Reiterhof und Ferienwohnungen zu setzen. Erbach ist glücklich damit und hat auch bereits eine potenzielle Nachfolgerin: Eine seiner Töchter macht bald das Abitur und möchte dann in die Pferdewirtschaft gehen. Doch die immer schwieriger werdenden Bedingungen in der Landwirtschaft treiben Erbach dennoch um. Der 63-Jährige schließt sich immer wieder Demonstrationen an, aus Solidarität mit denen, die weiterhin auf Viehzucht und Ackerbau setzen. Und die gibt es auch noch in seiner Nachbarschaft.

Direktvermarktung im Hofladen in Essen-Schuir

Eine sehr lange Tradition hat der Oberschuirshof, seit 1760 ist er im Familienbesitz. Auch heute gibt es dort noch Gemüse, Obst, Fleisch und Eier, nur keine Milchwirtschaft mehr. Vermarktet werden die Produkte direkt im Hofladen. „Ich glaube, dass Direktvermarktung ein Weg der Zukunft ist, aber er ist eine Nische“, sagt Landwirt Nikolas Weber. Denn damit erreiche er nur einen kleinen Teil an Menschen regelmäßig, der Großteil kauft im Supermarkt ein. „Wir merken immer noch, dass der Verbraucher nicht so handelt, wie er redet“, sagt der 39-Jährige. „Am Ende des Tages regiert der Preis und es muss schnell gehen.“

Die „Feldfreunde“ sind ein Standbein des Oberschuirshofes: Privatleute können Felder anmieten und dort selbst ernten.
Die „Feldfreunde“ sind ein Standbein des Oberschuirshofes: Privatleute können Felder anmieten und dort selbst ernten. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Und neben den Preisen gibt es noch andere Hürden. Vor allem beim Gemüseanbau wird die Trockenheit zunehmend zu einem Risiko. Deshalb stellt Weber seinen Betrieb möglichst breit auf. Besonders ist das Angebot der Miethühner: Kitas, Schulen, Seniorenheime und Familien können für eine gewisse Zeit einen Hühnerstall samt vier Tieren mieten, sie pflegen, füttern und die Eier nutzen. Zudem vermietet Familie Weber Felder. Sie übernimmt die Aussaat, Privatleute sind dann von Mai bis Oktober für die Pflege zuständig und können auf 50 oder 100 Quadratmetern selbst ernten.

Landwirtschaft in Essen ist weiter im Wandel

Auf dem Rutherhof steht das „Teamerlebnis“ heute im Mittelpunkt. Uwe Schlieper setzt auf Freizeit und Tourismus, um den Hof seiner Familie weiterführen zu können. Auf dem Gelände können Gäste Fußballgolf oder Swin-Golf spielen und im Restaurant „Die Farm“ essen. Zudem züchtet Schlieper Strauße, mit dieser Entscheidung fing 1998 der Wandel des Hofes an.

Uwe Schlieper testet die Swin-Golfanlage auf dem Gelände des Essener Rutherhofs. Besucher können auch Fußball-Golf spielen oder im Restaurant „Die Farm“ essen.
Uwe Schlieper testet die Swin-Golfanlage auf dem Gelände des Essener Rutherhofs. Besucher können auch Fußball-Golf spielen oder im Restaurant „Die Farm“ essen. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

„Als ich Kind war, hatten wir Hühner, Schweine, Kühe – es war ein klassischer Bauernhof“, sagt Schlieper, der den Hof im Essener Süden in der dritten Generation führt. Sein Großvater hatte das Gelände in den 1920er-Jahren gepachtet. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erlebte Schlieper den Preisverfall bei landwirtschaftlichen Produkten. Um mithalten zu können, hätte er den Hof deutlich vergrößern müssen, was aufgrund der stadtnahen Lage gar nicht möglich gewesen sei. Während er mit dem Wandel lebt, sei er für seine Mutter schon schwieriger, deren Schweiß und Herzblut in die traditionelle Landwirtschaft geflossen sind.

Die junge Generation, die weiter landwirtschaftliche Produkte herstellt und vertreibt, setzt immer mehr auf die Direktvermarktung. In Schuir sind es zum Beispiel der Buchholz-Hof, Feldmanns Grüner Markt und der Oberschuirshof. Landwirt Weber wünscht sich für die Zukunft, dass sich mehr Menschen mit der Herkunft der Lebensmittel befassen, sie entsprechend wertschätzen und dann auch bereit sind, faire Preise zu zahlen.

Landwirtschaftliche Betriebe in NRW werden größer

  • Die Entwicklungen in Schuir zeigen beispielhaft, was auf vielen Bauernhöfen im Land geschieht – immer mehr Landwirte setzen auf zusätzliche Einnahmequellen, wandeln ihre Betriebe um oder geben sie gar ganz auf.
  • Daten dazu liefert die Landwirtschaftszählung: 2020 ergab sie, dass nahezu jeder zweite landwirtschaftliche Betrieb in Nordrhein-Westfalen zusätzliche Einnahmequellen hat. Ein Viertel aller Betriebe setzte 2020 auf erneuerbare Energien, weitere Einnahmequellen sind Dienstleistungen für andere landwirtschaftliche Betriebe, Haltung von Reitsportpferden, Direktvermarktung und Forstwirtschaft.
  • Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in NRW ist zwischen 2010 und 2020 um sechs Prozent auf knapp 34.000 Betriebe gesunken.
  • Zugleich gibt es einen Trend zu Großbetrieben: Mittlerweile haben zehn Prozent der Betriebe 100 oder mehr Hektar landwirtschaftliche Flächen.