Essen. Vorwürfe aus eigenen Reihen bringen das EBB unter Druck: Wurde Fraktionsgeld für Wahlkampf missbraucht? Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet.
Das nächste große Sturmtief, es braut sich augenscheinlich deutlich früher überm Essener Bürger Bündnis zusammen, als selbst eingefleischte Skeptiker dachten: Auslöser sind geharnischte Vorwürfe eines EBB-Insiders, welche das Finanzgebaren des Bündnisses im Rat ins Zwielicht rücken und die Eingang in ein Schreiben an Oberbürgermeister Thomas Kufen gefunden haben. Sie schlagen in die gleiche Kerbe wie eine Strafanzeige, die aus anderer Quelle schon vor Monaten bei der Staatsanwaltschaft einging. Keine Frage, jetzt wird es ungemütlich.
In dem Brief aus Reihen des EBB geht es um „zumindest fragwürdige“ Abläufe bei Honorarabrechnungen, schlampige Buchführung und fehlende Leistungsnachweise selbst für üppige Zahlungen. Im Rathaus war man prompt alarmiert: Nicht einmal 48 Stunden Zeit ließ der OB dem Fraktionschef des Wählerbündnisses Kai Hemsteeg, die erhobenen Anschuldigungen bis Donnerstagnachmittag auszuräumen. Hemsteeg glaubt, dass ihm dies gelungen ist. Und erklärt, dass der Einflüsterer des OB selber das Problem sei.
Ehepaar beklagt „Veruntreuung von zehntausenden Euro an Steuergeldern“ durchs EBB
Dagegen spricht allerdings, dass auch andere Personen Zweifel an der finanziellen Seriosität des EBB säen. Am weitesten geht dabei ein Ehepaar, das schon Ende Mai dieses Jahres nach eigenem Bekunden „aufgebracht“ einen Bonner Rechtsanwalt engagierte, um bei der Essener Staatsanwaltschaft „die Veruntreuung von zehntausenden Euro an Steuergeldern“ anzuzeigen. Die seien von der EBB-Ratsfraktion für Wahlkampfzwecke missbraucht worden.
Einmal im Jahr wird Rechenschaft verlangt
Laut NRW-Gemeindeordnung (§ 56 Absatz 3) müssen die Ratsfraktionen einmal im Jahr „in einfacher Form“ nachweisen, wofür sie die städtischen Zuschüsse ausgegeben haben. Sinn der Vorschrift ist insbesondere, eine versteckte Parteienfinanzierung zu verhindern. Einfache Form, das heißt: Sehr ins Detail geht die Kontrolle nicht. Es reicht laut Stadtverwaltung eine „summarische Angabe der wesentlichen Ausgabearten“.Auch die Vorlage einzelner Belege darf nicht verlangt werden. Die Kontrolle soll eben nicht in den internen Willensbildungsprozess der Fraktionen eingreifen, indem durch eine exakt aufgegliederte Darstellung die interne politische Arbeit erkenn- und letztlich kontrollierbar werden könnte.
In dem Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt, wird der Verdacht formuliert, dass zwischen Juli 2019 und Oktober 2020 städtische Zuschüsse „in einer Höhe von mindestens rund 49.000 Euro – fast ein Drittel der Jahreseinnahmen der EBB-Fraktion – zweckwidrig verwendet“ wurden: für Facebook-Werbung und Gedrucktes, Webseiten-Pflege und Luftballons. Mehr noch: Die Rede ist von beachtlichen Zahlungen, denen Scheinrechnungen zugrunde gelegen hätten.
EBB-Fraktionschef Hemsteeg dementiert: „Haben keine Mittel unsachgemäß verwendet“
Kai Hemsteeg zeigt sich auf Anfrage perplex – und wehrt die Vorwürfe rundheraus ab: Weder er noch seine Ratskollegen hätten sich „mit auch nur einem Cent selber bereichert, und wir haben auch keine Mittel unsachgemäß verwendet“, sagt der 40-Jährige, von Beruf Kriminaloberkommissar. Der Fraktionschef des Essener Bürger Bündnisses vermutet hinter den Vorwürfen vielmehr eine haltlose Rache-Aktion ehemaliger EBB-Mitglieder: „Es gibt eine Menge Leute, die mit bösem Blut gegangen sind.“
Das bestreitet niemand, aber die Anwürfe erfolgen eben nicht anonym, sondern mit Namensnennung, sowohl im Schreiben an den OB als auch in dem an die Staatsanwaltschaft gerichteten Strafantrag. Und die Kritiker sind offenbar gut munitioniert: Die Vorwürfe sind gespickt mit präzisen Rechnungsbeleg-Daten aus der EBB-Buchhaltung in nennenswerter Zahl, dokumentierten Auszügen aus der Werbebibliothek des Facebook-Profils und juristischen Quellen. Ja, um die „Werthaltigkeit“ der Anschuldigungen zu untermauern, engagierte irgendjemand sogar eine auf Strafrecht und Compliance-Fälle spezialisierte Kölner Rechtsanwaltskanzlei, die in einem 22-seitigen (!) Gutachten zu der Erkenntnis kam, da sei wohl Untreue in bemerkenswertem Umfang im Spiel.
Staatsanwaltschaft will zu möglichen Ermittlungen keine Stellung nehmen
Erst vor wenigen Tagen soll das Gutachten der Kölner Juristen dem Vernehmen nach an die Essener Staatsanwaltschaft verschickt worden sein. Deren Sprecherin Oberstaatsanwältin Anette Milk wollte zu möglichen Ermittlungen am Freitag keine Stellung nehmen. Die Stadt hat derweil ihre Unterlagen an die Behörde übermittelt – EBB-Antwort inklusive. Was sich dort jetzt zusammenbraut, wird man sehen.