Essen-Steele. Könige, Bauern, Henker: Bei der Familienforschung gibt es Kurioses. Die ist in den USA ein Hobby. In Essen wächst das Interesse. Es gibt Hilfe.

Ein alter Koffer, darin alte Fotos, ein Stapel Briefe aus Amerika und Tafeln mit Stammbäumen sind im Steeler Archiv angekommen. Mit diesem Inhalt beschäftigen sich nun die Familienforscher des Vereins. „In Amerika ist die Familienforschung ein großes Thema“, sagt Manfred Driehorst (79) mit fünf Jahrzehnten Erfahrung auf dem Gebiet. Jetzt wachse auch das Interesse in Deutschland. In Steele gibt es Hilfe, wenn jemand seine Ahnen sucht.

Möchten Essener oder Steelenser mehr über ihre Vorfahren erfahren, sind sie im Steeler Archiv genau richtig. Denn am Hünninghausenweg lagern manche Dokumente und zudem Kopien der Kirchenbücher aus Königssteele, die bis 1650 zurückreichen. „Allen anderen kann ich zumindest sagen, wie es gemacht wird, wie sie etwa an Kirchenbücher oder Unterlagen vom Standesamt kommen“, sagt Manfred Driehorst, der auch Mitglied der Westdeutschen Gesellschaft für Familienforschung ist.

Zahlreiche Vorfahren haben in Amerika gelebt

Mit der Familienforschung befasst Manfred Driehorst vom Steeler Archiv seit rund 50 Jahren.
Mit der Familienforschung befasst Manfred Driehorst vom Steeler Archiv seit rund 50 Jahren. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die beginnt oftmals mit dem Familienstammbuch. So hielt Manfred Driehorst vor rund 50 Jahren das Stammbuch seiner Eltern in Händen. Viele Fragen konnten die beiden ihm beantworten, anderes erfuhr er, als er die Familie seines Vaters erforschte. Dazu zähle die Tatsache, dass alle Driehorsts aus Südniedersachsen stammten, wo sein Großvater Bürgermeister gewesen sei, sagt der Familienforscher, dessen Weg 1974 wegen seiner Arbeit bei der Bundesbahn nach Freisenbruch führte.

Zahlreiche seiner Vorfahren hat es um 1840 nach Amerika verschlagen. „Sie haben sich weit verbreitet“, weiß Manfred Driehorst, der heute Kontakt zu einigen der Nachfahren hält. Um diese aufzustöbern, gebe es die Möglichkeit, seinen Stammbaum in Internetportalen online zu stellen. In den USA besteht zudem die Option, mit seiner DNA nach Angehörigen zu suchen. „Da gibt es tolle Treffer.“

Interessant wird es, wenn Scharfrichter oder Henker zur Familie zählen

Die übliche Suche gestaltet sich oftmals einfacher, wenn man Fürsten oder Könige unter den Ahnen hatte. Bei ihm selbst seien es eher Bauern und Landwirte sowie Totengräber, sagt Manfred Driehorst. Interessant werde es, wenn Scharfrichter oder Henker zur Familie zählten, ergänzt er schmunzelnd und wohlwissend, dass nicht jedes Ergebnis einer Suche auf Freude stößt, spricht er auch den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus an.

Öffnungszeiten und Veranstaltungen des Steeler Archivs

Das Steeler Archiv öffnet wieder zu den gewohnten Zeiten. Recherchen in den umfangreichen Beständen an Fotos, Zeitungsausschnitten, Karten und Büchern sind damit möglich. Auch die Aktivitäten des Vereins haben die Ehrenamtlichen wieder aufgenommen.

Jeden ersten Montag des Monats treffen sich die Familienforscher ab 19 Uhr im Archiv. Hinweise gibt Manfred Driehorst (0157-86928338).

Veranstaltungen wie Rundgänge und Vorträge sollen ab September angeboten werden. Fest geplant ist die Durchführung der Ausstellung zur Geschichte des Bergbaus in Steele und Umgebung „Tschüss Kumpel“ ab dem 19. Oktober im St. Laurentius-Stift.

Auch der VHS-Kurs zur Steeler Geschichte wird im September wieder beginnen, sofern ein geeigneter großer Raum zur Verfügung steht. Kursleiter Arnd Hepprich ist noch auf der Suche und für Hinweise dankbar (01577-3983425).

Alle Aktivitäten werden unter den bekannten derzeit gültigen Corona-Schutzbedingungen durchgeführt. Die zur Zeit bestehende Maskenpflicht muss eingehalten werden.

Weitere Veranstaltungen und Infos unter: www.steeler-archiv.de. Kontakt: Steeler Archivs, Öffnungszeiten: Montag 16-19 Uhr, Donnerstag und Samstag 10 bis 13 Uhr, Hünninghausenweg 96, 01577 3983 425, Email: info@steeler-archiv.de

Auch in dem Koffer stecken aus der Zeit Unterlagen der Militärregierung. Die Briefe, die Familienmitglieder aus Amerika schrieben, hat Manfred Driehorst noch nicht gesichtet. Alte Schriften zu lesen, das fällt ihm inzwischen leicht und auch da bietet er seine Hilfe an, falls jemand etwa Unterlagen nicht entziffern kann. Zudem bieten Besuchern die regelmäßigen Treffen der Familienforscher Gelegenheit, Fragen zu stellen, Unterstützung zu bekommen und sich auszutauschen.

Was die Suche nach Nachfahren erschweren kann

Denn Familienforschung sei mitunter mühsam und erfordere viel Zeit und Geduld. Dass diese sich lohne, das zeigten immer wieder Beispiele, wenn Familienmitglieder sich finden und die Ergebnisse in ferne Länder führten. Im Ruhrgebiet gibt es zahlreiche Familien, die aus Polen und Russland gekommen sind. Mit ihnen befasst sich der Forscher derzeit und nennt am Beispiel polnischer Familien eine Hürde bei der Suche nach Angehörigen: die Nachnamen.

Manfred Driehorst scannt gerade Steeler Heiratsurkunden aus dem 19. Jahrhundert, die sich im Essener Stadtarchiv befinden. Dabei hat er herausgefunden, dass fast ein Drittel der Paare polnische Namen tragen. Oder trugen. Denn viele sind geändert worden, beispielsweise in deutsch klingende Namen. So ist etwa das für polnische Nachnamen typische „ski“ weggefallen oder ersetzt worden, wurde ein „i“ zum langen „ie“. „Das kann die Suche der Nachfahren erheblich erschweren“, sagt Manfred Driehorst und nennt zudem als eine Grenze für die Familienforschung den Bestand an Kirchenbüchern: „Wo diese enden, da hört auch die Familienforschung auf.“