Essen. Ein kurzer Pieks zwischen Mathe und Englisch: Das Gymnasium Borbeck machte den Auftakt bei den Impf-Aktionen an Schulen. Was Jugendliche sagen.
Am Gymnasium Borbeck haben sich am Montag 26 Schülerinnen und Schüler der Oberstufe impfen lassen. Die Stadt machte dort den Auftakt für ihre flächendeckenden Impf-Angebote an den Gymnasien und Gesamtschulen im gesamten Stadtgebiet. Die Schulen haben feste Termine bekommen, auch für Zweitimpfungen, und werden bis Ende September von einem mobilen Impf-Team besucht. Das Angebot richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge EF bis Q2 beziehungsweise 10 bis 13. Wer noch keine 16 Jahre alt ist, benötigt das schriftliche Einverständnis eines Elternteils.
Es ist halb zwölf am Vormittag, in einem leeren Klassenraum im dritten Stock sitzen drei Jugendliche, die soeben nebenan einen Piks in den Oberarm erhalten haben: Sie müssen jetzt 15 Minuten warten, damit die Ärzte und Sanitäter sofort auf mögliche Unverträglichkeiten reagieren könnten. „Eigentlich wollte ich mich nicht impfen lassen“, erzählt eine Schülerin aus dem Jahrgang 10. „Ich hatte lange zu viel Angst vor möglichen Nebenwirkungen.“ Doch mittlerweile ist sie anderer Meinung: „Eigentlich gibt es keinen Grund, sich nicht impfen zu lassen.“ Ihr Mitschüler sieht das genauso: „Das bringt mir und anderen Sicherheit.“
Land schreibt vor: Schüler der unteren Jahrgänge dürfen nicht an den Schulen geimpft werden
26 von etwa 180 noch ungeimpften Oberstufen-Schülern lassen sich an diesem Vormittag impfen: „Da hat sich die Aktion gelohnt“, findet Schulleiter Lars Schnor, der für die Aktion einen von zwei Physik-Räumen geräumt hat. Das mobile Impfteam der Stadt besteht aus Ärzten und Sanitätern; sie haben einen Raumtrenner aufgestellt, hinter der die Spritze gesetzt wird, und wer keinen Impfpass dabei hat, bekommt ein neues Dokument ausgestellt.
Auch Lehrerinnen und Lehrer oder andere schulische Bedienstete können das Angebot an den Schulen nutzen. Das Land schreibt derzeit vor, dass die Aktion sich ausschließlich an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II (=Oberstufe) zu richten hat; Schüler der mittleren Jahrgänge dürfen an den Schulen nicht geimpft werden, obwohl die Ständige Impfkommission mittlerweile eine Impfung auch für Menschen empfiehlt, die zwischen zwölf und 15 sind.
Im Abschluss-Jahrgang sind schon 80 Prozent geimpft
Aufs Gymnasium Borbeck gehen insgesamt 879 Kinder und Jugendliche; zum Start des Schuljahres musste die Schule ermitteln, wie viele der Schülerinnen und Schüler mittlerweile geimpft sind. Denn wer die zweite Spritze hinter sich hat, muss nicht mehr zweimal wöchentlich in der Schule auf Corona getestet werden. „Im Abschlussjahrgang 13 sind mehr als 80 Prozent doppelt geimpft“, sagt Schnor. In den anderen Oberstufen-Jahrgängen seien es zwischen 40 und 50 Prozent. „Das zeigt, dass die Familien mit dem Thema Impfen durchaus verantwortungsbewusst umgehen“, findet der Leiter des G9-Gymnasiums. Dass an diesem Vormittag 26 von etwa 180 noch ungeimpften Schülern einen Pieks erhalten, sagt nichts über die allgemeine Impfbereitschaft aus: Womöglich haben viele derjenigen, die sich am Montag nicht impfen lassen, demnächst einen Termin beim Arzt oder wollen lieber ins Impfzentrum.
Schnor habe übrigens auch nicht festgestellt, dass die Impfaktion in der Schülerschaft für Spaltungen, Gruppendruck oder Anklagen sorgt. „Als wir den Impftermin bekommen haben, sind wir durch die einzelnen Kurse gegangen und haben die Schüler aufgeklärt“, berichtet der Schulleiter. „Uns war es wichtig, noch mal darauf hinzuweisen, dass das Impfen vollkommen freiwillig stattfindet und niemand an der Schule Nachteile erleidet, der sich nicht impfen lässt.“ Die Eltern wurden per E-Mail über das Impfangebot am Montag verständigt – mit dem Hinweis, dass jüngere Kinder im Impfzentrum der Messe eine Spritze bekommen können oder beim Arzt.
An jedem Tag werden jetzt jeweils zwei Schulen von einem mobilen Impfteam der Stadt besucht – Gymnasien oder Gesamtschulen. Auch die Waldorfschule ist dabei. Ob die Eltern dort besonders impfskeptisch sind, muss offen bleiben. In einer betont neutralen Stellungnahme des Dachverbands heißt es: „Der Bund der Freien Waldorfschulen gibt als pädagogischer Dachverband grundsätzlich keinerlei Impfempfehlungen, sondern verweist Eltern auf die medizinische Beratung durch ihren Kinderarzt oder Kinderärztin.“