Essen-Werden. Die Tanzpädagogin Marlene Heubach setzt sich für eine Würdigung des Choreographen Kurt Jooss an der Essener Folkwang-Uni ein. Das ist ihr Plan.
Er galt als einer der innovativsten Köpfe der internationalen Tanz-Szene und jahrzehntelang als der deutsche Choreograph schlechthin. Kurt Jooss (1901 bis 1979) gründete die Folkwangschule, das Folkwang Tanztheater-Studio und wurde 1930 Ballettdirektor am Essener Opernhaus. Jooss gilt als Wegbereiter des Modernen Tanzes und prägte Generationen von Tänzern, bildete unter anderem Pina Bausch aus, Susanne Linke und Reinhild Hoffmann.
Ihm zu Ehren vergibt die Stadt Essen alle drei Jahre einen mit 10.000 Euro dotierten Förderpreis für junge Choreographen, auch gibt es eine Kurt-Jooss-Straße im Westviertel und ein Ehrengrab auf dem Fischlaker Bergfriedhof. Nun soll eine weitere Würdigung folgen.
Kurt Jooss revolutionierte das moderne Tanztheater
Für das Ehrengrab hatte seine Schülerin Marlene Heubach gesorgt. Sie ist Jahrgang 1940, wie auch Philippine Bausch, und war Mitschülerin der als Pina berühmt gewordenen Choreographin. Marlene Heubach schmunzelt: „Im Eingangsbereich der Neuen Aula wäre der ideale Ort für eine Büste. Dann müssten alle am Kopf vom Papa vorbei.“
Papa? Diesen zärtlichen Namen hatten ihm seine Schützlinge gegeben. Was viel aussagt über das Verhältnis der Tanzschüler zum Herrn Professor. Kurt Jooss war ein freundlicher und ganz bescheidener Mensch, ein Ermutiger. Er revolutionierte das moderne Tanztheater und wurde mit seinem „Der Grüne Tisch“ quasi über Nacht berühmt.
1927 Gründung der Folkwangschule für Musik, Tanz und Sprechen
Der gefeierte Tanzpädagoge gründete 1927 gemeinsam mit Bühnenbildner Hein Heckroth und Operndirektor Rudolf Schulz-Dornburg die Folkwangschule für Musik, Tanz und Sprechen. Die Schule hatte den Anspruch, unter einem Dach interdisziplinär und spartenübergreifend auszubilden.
Weil er sich weigerte, seine jüdischen Mitarbeiter zu entlassen, musste Jooss später mit seiner Ballettkompanie fliehen. Zunächst in die Niederlande, dann nach Großbritannien, wo er auch die Staatsbürgerschaft erhielt. An der Dartington Hall School in Devon führte er eine Tanzschule. Nachdem er als Choreograph des Chilenischen Staatsballetts gewirkt hatte, kehrte Jooss 1949 zurück an die Folkwang-Schule. Aus ihr entstand die Folkwang Universität der Künste mit Hauptsitz in der ehemaligen Werdener Abtei.
In Fischlaken wohnten viele Tänzerinnen und Tänzer
Marlene Heubach wurde in Werden geboren und wuchs in Fischlaken auf: „Dort wohnten viele Jooss-Schüler zur Miete. Wie die gingen, wie die sich bewegten. Diese Ausstrahlung. Tänzer haben mich immer fasziniert.“ Als „junges Ding“ fand sie daher zum Kinderballett bei Frau Reber, wie übrigens auch Jooss-Tochter Christina. Deren Tochter Lucie Conrad verwaltet inzwischen das künstlerische Erbe des Großvaters.
Marlene Heubach blieb dem Tanz treu, fing mit zarten 16 Jahren an bei Kurt Jooss, durchlebte drei höchst lehrreiche und intensive Jahre, hatte dann ihr erstes Engagement an den Bühnen des belgischen Charleroi. In der Folkwangschule hatte sie den um 20 Jahre älteren Pianisten Erich Heubach kennen und lieben gelernt. 1961 wurde geheiratet und es kam Tochter Bettina. Die junge Mutter nahm Workshops in Jazzdance und Streetdance, wirkte forthin als Tanzpädagogin in Musikschulen.
Lebenslanges Tanztraining hält die 80-Jährige bis heute fit
Inzwischen gibt sie nur noch einen Kurs in tänzerischer Gymnastik, hat sich dafür im Tanzstudio Scala 11 eingemietet: „Mir haben sechs Leute die Treue gehalten, die ich nach wie vor gerne unterrichte.“ Das lebenslange Tanztraining hält die 80-Jährige fit: „Orthopäden sind begeistert von meiner Konstitution. Bewegen ist alles. Das gilt für jeden Körper.“
„Der grüne Tisch“ machte Kurt Jooss berühmt
Weltruhm erlangte Jooss, als 1932 das Antikriegsstück „Der grüne Tisch“ im Pariser Théâtre des Champs Elysées uraufgeführt und mit dem 1. Preis des Internationalen Choreographischen Wettbewerbs ausgezeichnet wurde. Im bittersüßen „Totentanz in acht Bildern“ entscheiden finstere Herren über das Schicksal von Millionen Menschen.
Wegen seiner stilprägenden Verbindung von klassischen und modernen Elementen mit der Suche nach der echten und wesentlichen Bewegung wird das Ballett international als Musterstück des „German Dance“ gerühmt. Das Werk „Der grüne Tisch“ von Kurt Jooss wird bis heute weltweit von namhaften Ensembles aufgeführt.
Mit viel Freude mischt sich Marlene Heubach heute noch unter die jungen Tänzer. Immer wieder tauche da die Frage auf, wo denn im weitläufigen Gebäude des großen Kurt Jooss gedacht werde. Nirgends. Das soll sich jetzt ändern: „Eigentlich fehlt mir inzwischen die Kraft. Doch diese jungen Menschen müssen doch wissen, wo das alles herrührt.“ Es gehe ihr nicht um den großen Bahnhof, sondern um eine kleine, aber entscheidende Geste: „Ich möchte doch nur eine Büste.“
Über das Material habe sie sich bereits Gedanken gemacht: „Bronze dürfte zu teuer sein.“ Doch der Fischlaker Holzkünstler Roger Löcherbach sei sicherlich der richtige Mann, um den großen Choreographen bildhauerisch einfangen zu können. Finanzieren möchte Marlene Heubach die Gedenkbüste privat, mit Freunden, gerne auch mit weiterer Unterstützung: „Das sind wir Jooss schuldig.“