Essen-Haarzopf. Der Haarzopfer Autor Klaus Heimann hat die Feldpost seines Vaters zu einem Roman verarbeitet. Was aus den Briefen wird, ist noch unklar.

Dem überraschenden Fund folgte ein neuer Roman: Der Autor Klaus Heimann (62) aus Essen-Haarzopf hat die Feldpostbriefe seines verstorbenen Vaters gefunden und sie in dem gerade erschienenen Roman „Ich glaube nicht, dass Ihr diese Zeilen erhalten werdet“ verarbeitet. Was die Arbeit an dem Buch für den Autor bedeutete.

Als Klaus Heimann nach dem Tod seiner Mutter deren Haus ausräumte, fand er etliche Briefe und Unterlagen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, von deren Existenz er bis dahin nichts gewusst hatte. Die komplette Korrespondenz seines Vaters (1925-2001) mit seinem Großvater (1883-1975) in Haarzopf sei erhalten. „Sie lagen in einer Zigarrenkiste aus Holz. Mein Großvater hat sich jeden Sonntag eine Zigarre gegönnt. Der Geruch löst bei mir bis heute die Erinnerung an Geborgenheit, Gemütlichkeit und Wohlbefinden aus“, sagt Heimann.

Der Autor aus Essen-Haarzopf ergänzt Gefühle, die in den Briefen nicht vorkommen

So richtig näher gekommen sei er seinem Vater durch die Briefe nicht. „Es bleibt die Distanz der Zeit“, sagt er. Seinen Vater habe er als jungen Mann ja nicht kennengelernt. Dennoch war Klaus Heimann, sonst eher bekannt für seine Krimis mit Heimatbezug, schnell klar, dass er den gefundenen Schatz literarisch verarbeiten müsse. „Ich wollte nicht nur Daten und Fakten aneinanderreihen, das wäre für den Leser langweilig. Ich wollte Emotionen vermitteln, von denen ich glaube, dass sie die Menschen damals bewegt haben“, so Heimann. Gefühle seien in den Originalbriefen wenig vorgekommen, auch politische Einlassungen seien aufgrund der Zensur nicht möglich gewesen.

Der Roman ist im Kettwiger Verlag erschienen

In Peter Marx vom Kettwiger Hummelshain-Verlag fand Autor Klaus Heimann einen interessierten Verleger, der mit Essen auf besondere Art verbunden ist und den Roman „sehr gern“ verlegt hat. Die Mischung aus Realität und Romanhandlung sei reizvoll.

Das Buch „Ich glaube nicht, dass Ihr diese Zeilen erhalten werdet“ hat 336 Seiten, ist vorerst mit einer Auflage von 300 Stück erschienen. Es ist im Buchhandel erhältlich und kostet 14,50 Euro.

Im Roman sind die Protagonisten gleichzeitig reale und fiktive Figuren. Vater und Großvater werden als Mitautoren genannt. Klaus Heimann bittet im Nachwort beide um Verständnis für die gestalterische Freiheit, die er sich als Autor nimmt. „Ich hoffe sehr, dass ich euch beiden nichts literarisch in die Schuhe geschoben habe, was euch nicht entspricht.“

Die Original-Feldpostbriefe hat Klaus Heimann beim Aufräumen im Haus seiner verstorbenen Mutter gefunden.
Die Original-Feldpostbriefe hat Klaus Heimann beim Aufräumen im Haus seiner verstorbenen Mutter gefunden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Heimann schildert das Schicksal seines Vaters, der mit 17 Jahren in den Krieg musste, stellvertretend für zahllose ähnliche Lebensläufe jener Zeit. Der Autor beschreibt, wie Franz aufgrund der Einberufung die Schule abbrechen muss, über den Reichsarbeitsdienst an die Front kommt. Er erzählt von den Stationen des jungen Soldaten in Polen und Frankreich, vom Atlantikwall und dem D-Day 1944, als die alliierten Truppen in der Normandie landen, vom Kampf der jungen Menschen ums Überleben, von Krankheit, Tod und Angst.

Für die jungen Soldaten lauerten überall Gefahren

„Es lauerte ja Gefahr von allen Seiten. Bei der Flucht lief man Gefahr, wie mein Vater in Kriegsgefangenschaft zu geraten, oder schlimmer, als Deserteur erschossen zu werden.“ Doch auch die Gefühle der Familie in der Heimat, die monatelang auf ein Lebenszeichen des Sohns warten musste und den Bombenangriffen ausgesetzt war, sind Thema.

Es gibt drei Erzählstränge, den Autor selbst beim Aufräumen im Haus der Mutter, die Erlebnisse des Vaters an der Front und die der Großeltern zu Hause in Haarzopf. Seinen Roman stellte Heimann jetzt im Haus der Essener Geschichte vor. „Auch wenn es sich um einen Roman handelt, kann das Buch dazu beitragen, zum Beispiel bei Schülern Interesse an Geschichte zu wecken. Und es ist hilfreich, mit Klaus Heimann quasi einen mittelbaren Zeitzeugen zu haben“, sagt Claudia Kauertz, Leiterin des Stadtarchivs.

Ob die rund 40 Briefe und 70 Karten dort ihren endgültigen Aufbewahrungsort finden werden, ist noch offen. Eine Entscheidung darüber will Klaus Heimann in Absprache mit seiner Familie treffen. „Mit dem Erscheinen des Buches ist das Interesse in der Familie natürlich geweckt und jeder, der möchte, soll Gelegenheit haben, die Original-Briefe zu sehen“, sagt der Autor, der bis heute in Haarzopf lebt. Seine Familie habe damals an der Fängershofstraße gewohnt, wohin sein Vater nach dem Einsatz an der Front und der Kriegsgefangenschaft 1947 zurückgekehrt sei.

Der Vater sprach nur wenig über das Thema Krieg

„Wir haben in der Familie nicht viel über die Zeit gesprochen, wir haben meinen Vater aber auch nicht ausgefragt. Vielleicht war der Krieg einfach kein Thema für den Frieden, vielleicht wollte man damals einfach vergessen, das kann ich aus heutiger Sicht nicht beurteilen“, so Heimann.

Er nennt seinen Protagonisten Franz, wie sein Vater auch tatsächlich hieß. Trotzdem legt der Autor Wert darauf, dass es sich um einen Roman und nicht um einen Tatsachenbericht handelt. „Ich habe mich natürlich bemüht, die historischen Fakten richtig darzustellen. Der Roman verbindet wahre Ereignisse und Fiktion.“ Die Handlung endet mit der Nachricht, dass Franz nach Hause kann. Für Klaus Heimann ist das Thema damit beendet. Künftig will er sich wieder anderen Buchprojekten widmen. Pläne gebe es schon.