Essen. Das Filialsterben in Essen schreitet massiv voran. Nach Deutscher Bank und Postbank wird die Commerzbank gleich fünf ihrer Standorte dicht machen

Die Ankündigung überraschte vor allem in ihrer Dimension: Die Commerzbank plant deutliche Einschnitte in ihr Filialnetz und wird in Essen fünf ihrer derzeit noch bestehenden acht Zweigstellen schließen. Betroffen sind: , Steele, Borbeck, Altenessen, Kettwig und Kupferdreh (bereits geschlossen). Sie sollen voraussichtlich bis Ende des Jahres, spätestens aber 2022 dicht gemacht werden.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die Commerzbank von ihren Niederlassungen in Werden und Bredeney verabschiedet, die sie nach der coronabedingten Schließung erst gar nicht wieder geöffnet hatte.

Für viele Kunden der Bank werden die Wege zur nächsten Filiale deutlich länger. Denn es bleiben künftig nur noch drei Anlaufstellen im gesamten Stadtgebiet erhalten: Das sind die Hauptstelle in der Lindenallee in der Innenstadt sowie die Filialen in Rüttenscheid und Frohnhausen. Der Essener Niederlassungsleiter der Commerzbank, André Lorenzen, begründet den Schritt ganz unverhohlen mit den Worten: „Wir haben während der Pandemie festgestellt, dass Beratung ohne Filiale gut funktioniert und für den Kunden schnell, einfach und bequem ist.“

Banken seit längerem auf dem Rückzug, Corona beschleunigt Trend

Damit nimmt der Rückzug der Banken aus der Fläche auch in Essen immer dramatischere Ausmaße an. Erst vor einigen Wochen verkündete die Deutsche Bank, dass auch sie die Zahl ihrer Standorte in Essen halbieren wird. Statt acht wird die Bank bald nur noch vier Filialen betreiben. 2014 unterhielt die Deutsche Bank in der Stadt noch 13 Geschäftsstellen.

Aber auch vor anderen Geldinstituten macht die Entwicklung keinen Halt. Die Postbank verkündete, dass sie sich von einer ihren sechs Zweigstellen trennt. Im Juni schloss der Standort in Kray. Und auch die genossenschaftliche Sparda-Bank sowie jüngst auch die Geno-Bank machten mit Filialschließungen Schlagzeilen. Letztere wird sich im September aus Rüttenscheid zurückziehen.

Die Zahl der Bank-Niederlassungen sinkt zwar seit Jahren, doch die Pandemie hat den Trend noch einmal drastisch verschärft. Immer weniger Kunden nutzen die Zweigstellen, sondern erledigen ihre Bankgeschäfte online. Während der Pandemie, als viele Filialen ohnehin geschlossen hatten, hat sich das noch einmal verstärkt. Teilweise aber forcieren die Banken diese Entwicklung auch selbst. So bietet die Commerzbank etwa ihr kostenloses Konto u.a. nur noch an, wenn die Kunden dieses online nutzen.

Onlinebanking boomt, Filialen sterben

Im Corona-Jahr 2020 stiegen bei der Commerzbank Essen die Nutzerzahlen der Bank-App um 33 Prozent. In Essen verwenden damit über 11.100 Personen das mobile Banking auf dem Smartphone. Das ist etwa jeder neunte Kunde, dabei sind diejenigen mit Online-Zugängen für den heimischen PC noch nicht mitgezählt.

Dass Banken wie in der Vergangenheit möglichst an guten Standorten präsent sind, um Kunden zu locken, verliert somit an Bedeutung. Zumal die Unterhaltung eines Filialnetzes teuer ist und die Geldinstitute wegen der seit Jahren anhaltenden Nullzinspolitik und wegbrechenden Einnahmen unter wachsendem Kostendruck stehen.

Banken setzen auf digitale Beratung

Das zusammen mit dem Online-Boom während Corona beschleunigt das Filialsterben. Stattdessen wollen Deutsche Bank und Commerzbank ihre Kunden künftig vermehrt über Telefon, Video, Chat und E-Mail beraten und bauen diese Kanäle aus. Ziel sei es, eine „digitale Beratungsbank“ zu werden, verkündet Commerzbank-Niederlassungsleiter Lorenzen. Auch soll die direkte Betreuung von Kunden künftig in Beratungscentern gebündelt werden. Ob in Essen ein solches entsteht, konnte ein Sprecher noch nicht sagen.

Experten gehen davon aus, dass sich nach Corona der Rückzug bundesweit fortsetzt. Fragt man Banken, dann geben sie sich eher zurückhaltend. Bei der Sparkasse Essen etwa, die ihr Filialnetz in den vergangenen Jahren ebenfalls deutlich verkleinert hat, mit 35 Zweigstellen aber immer noch am stärksten präsent ist, erklärt der Sprecher diplomatisch: „Wir orientieren uns weiterhin am Kundenwunsch und beobachten das Nutzungsverhalten unserer Kunden sowie die Frequentierung unserer Filialen. In Zeiten, in denen sich die Gewohnheiten durch die Digitalisierung schneller ändern als jemals zuvor, können wir aber keine Ewigkeitsgarantien für einzelne Standorte aussprechen.“

Die Geno-Bank teilt auf Anfrage mit, dass sie nach der Schließung der Zweigstelle in Rüttenscheid „für die nächsten zwei bis drei Jahre weitere Schritte ausschließen“ kann.

Bei der National-Bank, die 2020 entgegen dem Trend eine neue Filiale in Mülheim eröffnete, heißt es: „Wir haben derzeit keine Pläne, unser Filialnetz in Essen oder an anderen Standorten zu reduzieren.“

Seniorenbeirat warnt vor Folgen der Entwicklung

Auch wenn die Filialen für viele Kunden an Bedeutung eingebüßt haben, so treffen die Schließungen vor allem die älteren Menschen. Was auf dem Bankensektor geschehe, „gleicht fast einer Katastrophe“, sagt die Vorsitzende des Essener Seniorenbeirates, Susanne Asche. Bei vielen Älteren herrsche großes Misstrauen gegenüber den digitalen Zahlungsvorgängen und Unsicherheit. Die Bankfiliale dagegen sei eine vertraute Stelle, die nicht nur Beratung, sondern darüber hinaus auch soziale Kontakte biete. „Wir laufen gerade bei älteren Menschen auf eine Vereinsamung zu und solche Entwicklungen wie bei den Banken tragen dazu bei“, betont Susanne Asche.