Essen. Jonathan Platzbecker hat ein überragendes Abitur gemacht, gute Noten erziele man nicht durch krampfhaftes Lernen. Was der 18-Jährige nun vorhat.
Jonathan Platzbecker (18) vom BMV-Gymnasium hat beim Abi insgesamt 898 Punkte erzielt. Maximal 900 kann man überhaupt erreichen. Da fragt man sich natürlich: Wo sind die zwei Punkte, die fehlen? „Eine Eins in Physik und eine Eins in Mathe auf dem Zeugnis in der Jahrgangsstufe Q1“, antwortet Jonathan sofort. „Eins“ heißt: keine „Eins plus“, wie sonst alle Zeugnis-Noten seiner Abi-Fächer in den vergangenen zwei Jahren. Also jeweils 14 und nicht 15 Punkte. Da sind sie.
Um es kurz zu erklären: Beim Abi zählen nicht nur die Prüfungsergebnisse am Ende der Schulzeit. Sondern auch die Zeugnisnoten der Abiturfächer in den letzten zwei Oberstufen-Jahren, also am Gymnasium in den Stufen Q1 und Q2. Weil Jonathan 898 von 900 Punkten erreicht hat, ist das jetzt insgesamt ein Noten-Schnitt von 0,7.
Schulleiterin: Für die Leistungen von Jonathan gibt es keine Noten
„Was Jonathan hier geleistet hat“, sagt sichtlich beeindruckt Schwester Ulrike – die Leiterin der Ordensschule – „ist im Grunde nicht messbar.“ Selbst die besten Noten würden nicht ausreichend widerspiegeln, auf welchem geistigen Niveau sich Jonathan bewege. Seine Leistungskurse: Philosophie und Geschichte.
Wie macht man sowas? „Man nimmt es sich nicht vor“, sagt Jonathan. „Man kann auch nicht vor den Klausuren plötzlich krampfhaft anfangen zu lernen.“ Stattdessen müsse man schon lange vor dem Abi Folgendes mitbringen: „Begeisterung und ein ernsthaftes Interesse an dem, was man da tut. Und ein gewisses Mitteilungsbedürfnis.“ Was bedeutet: Dass man im Unterricht gut mitarbeitet und seine Erkenntnisse, seine Fragen, seine Gedanken nicht für sich behält. „Das alles muss kontinuierlich geschehen, damit man etwas hat, worauf man dann in den Oberstufen-Jahrgängen aufbauen kann.“
Auch interessant
Um es vorweg zu nehmen: Nein, auf Hochbegabung hat sich Jonathan nie testen lassen. Eigentlich ist alles ganz normal. Er stammt aus einem Lehrer-Haushalt, wie viele andere Kinder und Jugendliche auch. Kam mit seiner Familie aus Hessen ins Ruhrgebiet, ging auf die BMV ab Stufe 8. „Bücher zu lesen ist zu Hause selbstverständlich“, sagt Jonathan, ins Museum zu gehen ebenso. „Aber auf Leistung wurde ich daheim nie getrimmt.“ Natürlich zähle Lesen zu seinen größten Hobbys, „aber ich habe auch andere Leidenschaften, und ich treffe gern Freunde.“
Jurastudium – so ist der Plan für die Zukunft
Die Harry-Potter-Bände las er in der zweiten oder dritten Klasse, und früh hatte es ihm Geschichte angetan: Rom, Ägypten; auch derzeit fasziniert ihn die Antike am meisten. Wer die Geisteskultur der Vergangenheit aufarbeite und zu verstehen versucht, schlage unmittelbar einen Bogen in die Gegenwart – und schaffe somit neue Geisteskultur. „Das fasziniert mich.“
Und jetzt? Will der 18-Jährige Jura studieren, am liebsten in Hamburg, München oder Heidelberg. Was er damit beruflich machen will, weiß er noch nicht. „Eine rein akademische Laufbahn als Professor wäre mir zu unsicher“, und er will sich auch nicht dorthin zurückziehen, was man gemeinhin den Elfenbeinturm nennt.
Ein mehrwöchiger Aufenthalt in China vor wenigen Jahren, der ihm durch die Mercator-Stiftung möglich wurde, hat seinen Horizont erheblich erweitert – nochmal länger ins Ausland will er auf jeden Fall. Dabei kann er auch auf die Unterstützung der Studienstiftung des Deutschen Volkes zählen, die ihm ein Stipendium vermacht hat angesichts hervorragender Leistungen in Wettbewerben, in denen es um Alte Sprachen ging.
Am BMV-Gymnasium verabschieden sich jetzt 158 Abiturienten; 13 von ihnen erreichten einen 1,0-Schnitt. Zehn davon sind Mädchen. Es verlässt in diesem Jahr der erste Jahrgang die Schule, der nicht nur aus Mädchen, sondern auch aus Jungen besteht.
Im Jahr 2013 hatte die traditionsreiche Ordensschule nach 362 Jahren als Mädchenschule einen Neustart gewagt und erstmals auch Jungen aufgenommen. Es gab nicht wenige, die dagegen waren. „Doch die Schule hat durch die Jungen deutlich hinzugewonnen, ohne ihre Charaktermerkmale der Werteerziehung aufzugeben“, sagt Schwester Ulrike heute. Eingependelt habe sich heute ein Mädchen-Jungen-Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel, was sich als ideal erwiesen habe. Woran sich viele BMV-Lehrer damals erst gewöhnen mussten: „Das Tempo. Nicht nur in Sport, sondern auch in Fächern wie Physik.“