Essen. Der Unterricht fiel oft aus oder lief digital, viel Stoff mussten sie selbst erarbeiten. Essener Abiturienten erzählen, wie die Prüfungen liefen.

Die Abitur-Prüfungen sind weitgehend geschafft: Zwar mit Maske und negativem Corona-Test, aber ohne großen Aufschrei der Schülerinnen und Schüler. Hier erzählen vier von ihnen über Prüfungsstress und beschlagene Brillen, Erleichterung – und das Gefühl, für immer ein besonderer Abitur-Jahrgang zu sein.

Die Forderung nach dem Durchschnittsabitur wurde nicht erhört

Während im vergangenen Jahr lebhaft darüber diskutiert wurde, ob man die Abi-Prüfungen nach gewohntem Prozedere durchführen kann, blieb es diesmal im Vorfeld zunächst erstaunlich ruhig. Die Verantwortlichen setzten offenbar darauf, dass sich das Pandemie-Geschehen legt. Tatsächlich kam jedoch die zweite und dritte Corona-Welle: So hat der aktuelle Abi-Jahrgang viel mehr Unterrichtsausfall und Online-Unterricht erlebt und vermutlich größere Lücken im Stoff. Doch die Forderung von Schülern, auf die Abi-Prüfungen zu verzichten und aus dem Durchschnitt der Vor-Noten den Abiturschnitt zu errechnen, hat das Land abgelehnt. Stattdessen gab es eine größere Auswahl an Klausurthemen. „Das war eigentlich ein guter Kompromiss“, findet Anouk Pretz (17) vom BMV. Dabei war sie Anfang des Jahres noch für das Durchschnittsabitur: „Ich hatte Angst vor dem Prüfungsstress.“

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Nicht ganz so zufrieden ist Karl Münch von der Gesamtschule Holsterhausen: „In Englisch hat mir die Zeit nicht gereicht, um mir alle angebotenen Themen genau anzugucken“. Der Ablauf sei insgesamt aber okay gewesen; wie die meisten Schüler habe ihn vor allem das Tragen der Maske gestört: „Irgendwann hab ich Kopfschmerzen bekommen, und meine Brille ist ständig beschlagen“. Immerhin waren Nervennahrung und Trinken waren erlaubt. Für Karl die Gelegenheit, auch mal „ungefilterte Luft“ zuschnappen. „Außerdem wurde das Fenster ständig aufgemacht – und mir war kalt“, ergänzt seine Mitschülerin Zoe Krüger (19).

„Ich fand das überhaupt nicht gut. Da Beteiligung nicht verpflichtend war, fand ich es schwierig, dabei zu sein und mitzumachen“, sagt Julian Wolf, Abiturient am Maria-Wächtler-Gymnasium in Essen 2021.
„Ich fand das überhaupt nicht gut. Da Beteiligung nicht verpflichtend war, fand ich es schwierig, dabei zu sein und mitzumachen“, sagt Julian Wolf, Abiturient am Maria-Wächtler-Gymnasium in Essen 2021. © privat

Auch Julian Wolf vom Maria-Wächtler-Gymnasium hat die Maske gestört. Doch er sagt: „Wie die Prüfungen jetzt abgelaufen sind, fand ich es ganz okay.“ Ganz anders, sein Urteil zum Online-Unterricht: „Ich fand das überhaupt nicht gut. Da Beteiligung nicht verpflichtend war, fand ich es schwierig, dabei zu sein und mitzumachen.“

Was Julian noch belastender empfunden hat, waren die zahlreichen Aufgaben, die zu Hause allein erarbeitet werden sollten: Viele Lehrer hätten so den Ausfall des Präsenzunterrichts ausgleichen wollen. „Zu Hause kann ich einfach nicht so gut arbeiten wie in der Schule“, bemängelt Karl. Immerhin hätten Schüler ohne die nötige technische Ausstattung Unterstützung erhalten, berichten die Abiturienten. Sich den Stoff selbst zu erschließen, war dennoch eine Herausforderung: Anfangs sei er mit der Situation überfordert gewesen, sagt Karl.

Lehrer hängten zum Schluss noch neuen Stoff an

„Zum Glück waren die Tage mit den Leistungskursen ab Ende März dann in Präsenz“, erzählt Anouk. Jedoch kritisiert sie: „Statt Themen zu wiederholen haben einige Lehrer noch neuen Stoff angehängt.“ So habe sie vieles in Eigenverantwortung wiederholen müssen.

„Ich musste mir sehr viel Stoff selbst beibringen“, kritisiert auch Zoe. Mit den lernintensiven Leistungskursen Geschichte und Biologie kommt sie zu dem Fazit: „Unser Abitur lässt sich nicht mit den Vorgänger-Jahrgängen vergleichen. Wir waren noch seltener an der Schule, als die Abiturienten im letzten Jahr.“ Sie persönlich hätte sich daher über ein Durchschnittsabitur ohne Prüfungen gefreut. Andererseits hätte sie es gegenüber einigen ihrer Mitschüler für unfair gehalten: „Viele können durch die Abi-Prüfungen noch sehr viel rausholen.“

Abi-Jahrgang 2021 umfasst gut 90.000 Abiturient*innen

Rund 90.000 Abiturientinnen und Abiturienten haben in NRW ihre schriftlichen Abiturprüfungen gemacht. Wir sprachen mit den Essenern: Zoe Krüger, Gesamtschule Holsterhausen; Anouk Pretz, BMV; Julian Wolf, Maria-Wächtler-Gymnasium; Karl Münch, Gesamtschule Holsterhausen.

11.469 Schülerinnen und Schüler haben eine Petition für ein dezentralisiertes oder Durchschnitts-Abitur in NRW unterschrieben: https://www.change.org/p/gerechtigkeit-für-die-nrw-abiturient-innen-2021-bildungslandnrw

Jetzt steht für sie alle Abwarten auf dem Stundenplan. Dieser Tage werden die Abiturientinnen und Abiturienten ihre Ergebnisse erhalten. Fast ebenso spannend bleibt, in welchem Rahmen Abschlussfeiern und Zeugnisverleihungen stattfinden können: Im vergangenen Jahr hatten einige Schulen für die Ausgabe der Zeugnisse das Autokino am Flughafen Essen-Mülheim gemietet – auch das hebt das Corona-Abi von anderen ab.

„Irgendwann hab ich Kopfschmerzen bekommen, und meine Brille ist ständig beschlagen“, sagt Karl Münch, Abiturient aus Essen, über die Abi-Prüfung mit Atemschutzmaske
„Irgendwann hab ich Kopfschmerzen bekommen, und meine Brille ist ständig beschlagen“, sagt Karl Münch, Abiturient aus Essen, über die Abi-Prüfung mit Atemschutzmaske © Privat