Essen. Die Abi-Prüfungen sind vorbei. Bevor es losging, wurde darüber debattiert, ob sie überhaupt stattfinden sollen. Das sagen Essener Schüler jetzt.

Die Abi-Prüfungen sind weitgehend abgeschlossen - sie verliefen reibungsfreier und geräuschloser, als viele Schüler, Eltern und Lehrer vorher befürchtet hatten. Denn wegen der Corona-Krise gab es im Frühjahr Diskussionen. Viele Beteiligte forderten, die Prüfungen ausfallen zu lassen und den jetzigen Abi-Jahrgang nur nach den zwei Dritteln an Leistungen zu bewerten, die in den letzten beiden Schuljahren erbracht wurden. Denn als alle Schulen Mitte März geschlossen wurden, waren viele Kurse noch nicht mit dem Stoff durch.

„Ich fand es merkwürdig, mit Maske aus dem Vorbereitungsraum abgeholt zu werden“: Leon Tachilzik, Abiturient 2020.
„Ich fand es merkwürdig, mit Maske aus dem Vorbereitungsraum abgeholt zu werden“: Leon Tachilzik, Abiturient 2020. © Pascal Nöthe | Pascal Nöthe

Immerhin: Bevor die Prüfungen Mitte Mai starteten, bekamen die Abiturienten noch die Möglichkeit, sich an den Schulen vorzubereiten. „Unfair fand ich das deshalb nicht“, sagt Schülerin Alba Heckmanns vom Helmholtz-Gymnasium. Während der Schulschließung war es wichtig, sich selbst zu organisieren. Alba Heckmanns berichtet, ihr habe der gewohnte Alltag gefehlt: „Ich habe gelernt, selbstständiger zu arbeiten.“

Ganz ähnlich sieht das Dominik Mogilevski von der Gesamtschule Holsterhausen. „Ich würde absolut nicht sagen, dass das Abitur schwieriger beziehungsweise unfair war“. Der frisch gebackene Abiturient stellt fest: „Ich fand es gut machbar und sogar leichter als erwartet“. Er war übrigens erleichtert, die Prüfungen nicht mit Atemschutz-Maske schreiben zu müssen.

Ungewissheit stellte sich als Belastung heraus

Ähnliche Erfahrungen machte auch der Gymnasiast Leon Tachilzik vom Maria-Wächtler-Gymnasium: „Schwieriger fand ich das Abitur an sich nicht.“ Die Sicherheitsmaßnahmen ließen ihn jedoch sich unbehaglich fühlen. „Ich fand es merkwürdig, mit Maske aus dem Vorbereitungsraum der mündlichen Prüfung abgeholt zu werden“.

„Ich fand das Abi gut machbar“: Dominik Mogilevski, Abiturient 2020.
„Ich fand das Abi gut machbar“: Dominik Mogilevski, Abiturient 2020. © Pascal Nöthe | Pascal Nöthe

Belastend haben hingegen alle Schüler die Ungewissheit erlebt. Lange Zeit wusste niemand, ob und wie das Abitur in diesem Jahr stattfinden wird. Für viele Schüler war das ewige Hickhack eine zusätzliche Belastung. Sie wussten nicht, ob sie lernen sollten oder ob sie es eigentlich gar nicht brauchten.

„Ich hatte Schwierigkeiten, mich richtig vorzubereiten, der Kontakt mit Lehrern und Freunden war deutlich umständlicher“, erzählt Alba Heckmanns. Zusätzlich gab es für das mündliche Fach eine reduzierte Vorbereitungszeit. Eigentlich wären drei Wochen zwischen den schriftlichen und mündlichen Prüfung Abstand gewesen. In diesem Jahr waren es nur einige Tage.

Schüler trauern noch immer um ihre Motto-Woche

Die meisten Schüler berichten auch, dass sie sich auf Ihre letzte Schulwoche vor den Osterferien besonders gefreut hätten. In dieser so genannten Motto-Woche ist es Tradition, sich gemeinsam kostümiert von der Schulzeit und der Schule zu verabschieden.

„Ich würde schon sagen, dass es unfairer war“: Leah Riesner, Abiturienten 2020.
„Ich würde schon sagen, dass es unfairer war“: Leah Riesner, Abiturienten 2020. © Pascal Nöthe | Pascal Nöthe

So berichtet Leah Riesner von der Gesamtschule Holsterhausen: „Ich würde schon sagen, dass es für uns unfairer war. Mir hat die Motto-Woche und somit ein richtiger Abschluss gefehlt“. Dies habe sie zusätzlich zum Abitur emotional belastet.

Jetzt warten die Abiturienten auf ihre Ergebnisse. Von einer normalen Zeugnisübergabe und einem feierlichen Abi-Ball ist man weit entfernt. An der Gesamtschule Holsterhausen teilt man sich für die Verleihung in zwei Gruppen auf, und die Schüler dürfen maximal von einem Elternteil begleitet werden. „Die Regelungen und Vorschriften machen das Gefühl kaputt, in meinen Augen ist das keine richtige Feier“, beschwert sich Dominik Mogilevski.

Wie die Essener Schulen feiern

„Mir hat der gewohnte Alltag gefehlt“: Alba Heckmanns, Abiturientin 2020.
„Mir hat der gewohnte Alltag gefehlt“: Alba Heckmanns, Abiturientin 2020. © Pascal Nöthe | Pascal Nöthe

Bei den Abiturzeugnis-Verleihungen haben die Schulen stark improvisiert. Drei Essener Gymnasien haben das Autokino auf dem Flughafen Essen-Mülheim gemietet, um dort - teilweise mit 200 Autos - die Zeugnisverleihung stattfinden zu lassen. Es sind das Carl-Humann-Gymnasium in Steele, Grashof in Bredeney und Maria Wächtler in Rüttenscheid.

Andere Schulen nutzen ihren Schulhof - zum Beispiel das Gymnasium Werden. Die Zeugnisse werden auf einem Balkon am Hauptgebäude verliehen, die Familien stellen sich auf dem Schulhof in Kreisen auf mit genügend Abstand dazwischen.

Das Gymnasium Nord-Ost verleiht in vier Schichten die Abi-Zeugnisse in der Turnhalle, geordnet nach den Leistungskursen, und am Mädchengymnasium Borbeck bekommt jede Familie eine Bierbank zugewiesen, die auf dem überdachten Innenhof steht. Auch dort wird die Verleihung in vier Durchgängen stattfinden, „so feierlich wie möglich, die Schülerinnen haben es sich schließlich verdient“, sagt Schulleiterin Jutta Reimann.