Essen. . Roland Schwab inszeniert zum ersten Mal am Aalto-Theater. Das Haus hat für ihn „große Anziehungskraft“. Bühnenbild als besondere Herausforderung.

Wenn Roland Schwab Oper inszeniert, dann lebt er mit dem Werk, von morgens bis abends. Aufgestanden ist er an diesem Morgen aber nicht mit Verdi, sondern mit Mahlers Siebter. „Auch eine obsessive Musik“, sagt Schwab. Manchmal kann es allerdings auch Hard Rock von Urgesteinen wie Judas Priest sein, um die Bewegungschöre anzuheizen. „Dann sieht eine Probe ganz anders aus.“ Das Ergebnis dieser pulsbeschleunigenden Arbeit ist ab dem 2. Februar im Aalto-Theater zu sehen. Roland Schwab inszeniert Verdis „Otello“. Es ist seine erste Begegnung mit Verdis Spätwerk und seine erste Arbeit am Aalto. Dabei steht das Musiktheater schon lange auf seiner Wunschliste. „Es gibt Theater, da will man partout hin. Da stimmt alles – Proportionen, Hausgröße, Architektur. Das Aalto hat für mich eine unglaublich starke Anziehungskraft.“

„Hier kann Otello atmen“

Sogar die Bühne bietet noch mehr Platz als die an der Deutsche Oper Berlin, wo der 1969 in Paris geborene Meisterschüler von Ruth Berghaus in den vergangenen Jahren mit einem wagelustigen „Don Giovanni“ und Eugen d’Alberts kaum gehörten Musikdrama „Tiefland“ für Aufsehen gesorgt hat. „Hier kann Otello atmen“, schwärmt Schwab über seinen aktuellen Arbeitsplatz. Damit sich der Wahn dieses Gefühlsberserkers auch richtig Bahn brechen kann, stellt Schwab ihm nicht mal Bühnenbild-Wände in den Weg. Dutzende meterhohe, teils motorisierte Stoff-Jalousien strukturieren die Bühne, machen sie zu einem schillernden Halluzinationsraum, einem Kopfgespinst, wo man sich ebenso in seinem Hass verlaufen wie in seinen Wahngefühlen verlieren kann. Das Bühnenbild ist ein Kraftakt fürs Haus und eine visuelle Neuerung, wie Schwab sie mag: „Ich will niemals Bewährtes wiederholen. Die Bühne muss immer eine Herausforderung sein.“

Auch bei der Stückauswahl hat Schwab klare Auswahlkriterien. Bei Wagner fühle er sich „am meisten Zuhause, er hat mich zur Oper gebracht“, erzählt der Regisseur, der den Lohengrin in diesem Sommer in der Salzburger Felsenreitschule inszenieren wird. Bei Mozart dockt er gerne szenisch an. Vor allem aber die so genannten Raritäten seien ein Teil seiner Lebensplanung. „Weil man entscheidet, ob ein Stück wirkt oder nicht. Das muss man bei ,Tosca’ nicht mehr beweisen.“

„Diese Verdi-Oper ist das energetische Highlight“

„Otello“, der berühmteste Farbige der Literatur, bleibt der Hautfarbe nach zwar ein Exot im Repertoire, aber er ist wahrlich kein Fremder an deutschen Opernhäusern. Unter allen Verdi-Opern sei dieses Drama „das energetische Highlight. Hier öffnet Verdi die Tore zur Apokalypse“, erklärt der 49-Jährige. Er mag solche Höllenritte. Schon weil er gerne mit großen Bildern arbeitet. „Für mich ist Bühne ein Energieraum und den möchte ich maximal ausreizen. Das Stück soll nicht szenisch hinter der musikalischen Wucht zurückbleiben.“

Dabei lässt Schwab es in Essen fast stumm beginnen, mit maximaler Schwärze und einem Jago, der ins Zentrum rückt. Diabolischer Intrigenschmied, machtbesessener Strippenzieher, absoluter Nihilist und Raumkreateur, der einen Sturm entfesselt, mit dem Schwab das Publikum ab einem gewissen Zeitpunkt aus den Sitzen pusten möchte.

„Blackfacing war nie mein Thema“

Denn die Musik ist ihm das wichtigste. „Ich halte den Begriff des Musiktheaters wahnsinnig hoch und kämpfe dafür, dass Regisseure aus der Musik inszenieren. Die Wahrheit liegt nicht im Text, sondern immer nur in der Musik“, hält Schwab gegen die Moden des Regietheaters an. So manifestiere sich die Dunkelheit des Stücks auch nicht in einem schwarz angemalten Gesicht des Mohren, sondern in der Partitur, die alles habe – eiskalte Präzision, brennende Hitze, fast filmischen Suspense. „Blackfacing war nie mein Thema, asbachuralt“, begegnet Schwab der Frage, ob man Otello denn heute noch schwarz schminken darf. Sein Thema sei die Mechanik einer Obsession. Dafür muss dieser Schädel nicht geschwärzt, sondern aufgespalten werden, bis er die vielen Gesichter eines Wüterichs zeigt, dessen männliches Ego so kaputt ist, dass ihn ein verlorenes Taschentuch in den mörderischen Wahnsinn treibt.

Heimtücke, Verrat, rasender Zorn und Eifersuchtsmord im Finale. Roland Schwab setzt all dieser Düsternis auch ein Stück grüner Hoffnung entgegen. Doch das von Jago heraufbeschworene Paradies wird am Ende mit einer Zigarette einfach abgefackelt. Der Garten Eden steht in Brand. Die Apokalypse soll das Publikum ab Samstag im Aalto entflammen.

>>Gefragter Gastregisseur von Bonn bis Berlin

Roland Schwab hat vor seinem Musiktheater-Regiestudium in Hamburg zunächst Physik und Germanistik studiert. Assistenzen bei Götz Friedrich, Harry Kupfer und Ruth Berghaus führten ihn an die Deutsche Oper Berlin, die Hamburgische Staatsoper und die Oper Zürich.

Schwab hat in den vergangenen Jahren an den Theatern von Bonn bis Berlin, von Münster bis Freiburg gearbeitet. Neben seinen Regieprojekten widmet er sich auch der szenischen Lehrtätigkeit.