Essen. Illegale Mountainbike-Strecken sind in Essener Wäldern ein Ärgernis. Mit einem neuen Rundkurs macht der RVR vor, wie es anders geht.
Rauf aufs Rad und ab ins Gelände: Mountainbikes sind im Trend, immer mehr Fahrradfahrer schätzen Strecken abseits von Straßen und Radwegen. Der Regionalverband Ruhr (RVR) hat dies erkannt und im Essener Norden jetzt einen neuen Rundkurs für Mountainbiker eröffnet. Während illegale Strecken in Essener Wäldern seit Jahren für Ärger sorgen, macht der RVR vor, wie es gehen kann.
Der sogenannte „Brammentrail“ führt auf sechs Kilometern über die Schurenbachhalde mit ihrer bekannten Landmarke, der von Richard Serra gestalteten „Bramme für das Ruhrgebiet“, und von dort weiter über die benachbarte Halde Eickwinkel. Mit einer durchschnittlichen Steigung von drei bis fünf Prozent ist die Strecke auch für Anfänger geeignet, berichtet Gerd Bongers, Mitarbeiter des RVR und selbst passionierter Mountainbiker. Nur ein ganz kurzes Stück geht es mit 20 Prozent sehr steil hinauf.
Der RVR hat die Strecke innerhalb weniger Monate geplant und angelegt. Radfahrer und Spaziergänger kommen sich nicht in die Quere. Aus Sicherheitsgründen ist der Rundkurs als Einbahnstraße ausgeschildert.
Eine schöne Strecke sei das, findet auch Florian Pätzold von der Deutsche Initiative Mountainbike e.V. Wer allerdings die sportliche Herausforderung sucht oder den besonderen „Kick“, ist auf dem „Brammentrail“ fehl am Platze. „Unsere Jugendlichen fahren hier einmal runter, dann war’s das für sie“, sagt Pätzold.
Der eingetragene Verein setzt sich für die „Förderung des umweltverträglichen Mountainbike-Sports ein. Der Sport sei vielseitig, betont Pätzold. Die große Mehrheit der Mountainbiker möge sich mit Waldwegen oder naturnahen Strecken zufriedengeben. Andere messen sich im Bergabfahren oder riskieren waghalsige Sprünge über Schanzen.
Im Schellenberger Wald hat Grün und Gruga eine illegale Strecke abgeräumt
Der RVR hat auch für Extremsportler und Fahrradakrobaten auf seinen Halden im Ruhrgebiet diverse Angebote geschaffen. In Essen aber suchen Mountainbiker danach vergebens. Manche behelfen sich deshalb selbst. Gerade erst hat Grün und Gruga wieder einmal eine illegale Strecke im Schellenbeger Wald abgeräumt. Die Politik ruft nach strengeren Kontrollen. Förster gehen nun öfter Streife.
Hansjörg Zwiehoff spricht von einem „Katz- und Mausspiel“, das sich über Jahrzehnte hinzieht. Zwiehoff ist Vorsitzender des Mountainbike-Vereins MSV Essen-Steele, 2011 gegründet und heute 400 Mitglieder stark. Schon 1996 habe er mit angepackt, als es im Schellenberger Wald galt einen illegalen Mountainbike-Parcours abzubauen – als Zeichen des guten Willens und in der Hoffnung, dass die Stadt Essen Flächen ausweisen würde, auf denen Mountainbiker legal ihrem Sport nachgehen können. Auch jene, die sich nicht in einem Verein organisieren wollen, wie Zwiehoff betont.
Mit finanzieller Unterstützung der Stadt konnte der MSV Essen-Steele zwar für seine Mitglieder auf einem ehemaligen Sportplatz einen umzäunten Bike-Park einrichten, den der Verein auch selbst betreibt. In der freien Natur aber gibt es bis heute keine ausgewiesenen Trainingsstrecken. Ein städtischer Arbeitskreis machte sich zwar auf die Suche nach einer geeigneten Fläche. Ohne Erfolg.
Der Vorschlag für eine Abfahrtsstrecke in Essen-Kettwig verschwand in der Schublade
Dabei gab es vonseiten der Mountainbiker durchaus konkrete Vorschläge. Er habe dem Arbeitskreis schon vor Jahren „eine grobe Skizze“ für eine Downhill-Strecke in Kettwig vorgelegt, berichtet Thomas Schlecking von der Firma Bike Projects, die auch den „Brammentrail“ des RVR geplant hat. Doch sein Vorschlag sei leider „in der Versenkung verschwunden“.
Ausreichen würde auch eine solche Strecke nicht, ist Schlecking überzeugt. Allein in Essen gebe es schätzungsweise 25.000 Mountainbiker, darunter auch genügend, die mehr wollen als Fahrrad fahren. „Wenn es in einer Stadt 50 Fußballvereine gibt, baut man ja auch nicht nur einen Platz“, sagt Schlecking.
Warum tut sich die Stadt Essen so schwer? Eine Mountainbike-Strecke müsse in die Umgebung passen, heißt es auf Anfrage. Der Naturschutz spielt dabei eine wichtige Rolle. Doch Sport und Naturschutz müssen sich nicht ausschließen, wie der „Brammentrail“ zeigt. Die Strecke des RVR konnte nur mit Genehmigung der Unteren Landschaftsbehörde gebaut werden.
Die Stadt Essen will die Verkehrssicherungspflicht für eine Strecke nicht übernehmen
Es sind vor allem rechtliche Bedenken, die von der Stadt ins Feld geführt werden. Konkret geht es um die Frage: Wer haftet, wenn jemand zu Schaden kommt? Die Stadt will das Risiko weitergeben, am liebsten an einen Verein. Leider sei es bis heute nicht gelungen, jemanden zu finden, der bereit sei, eine Mountainbike-Strecke zu unterhalten und die Verkehrssicherheitspflicht zu übernehmen, sagt Stadtsprecherin Jasmin Trilling. Der Arbeitskreis habe weiterhin den Auftrag, danach zu suchen.
Hansjörg Zwiehoff nennt das ein Totschlagargument. Die Stadt messe hier mit zweierlei Maß. „Die Verwaltung komme ja auch nicht auf die Idee, „einem Wanderverein die Verkehrssicherungspflicht für den Baldeneysteig zu übertragen“.
Mountainbike-Strecken auf weiteren Halden
Der Rundkurs auf der Schurenbachhalde laut RVR 126.000 Euro gekostet. Der Regionalverband hat auch auf weiteren Halden Mountainbike-Strecken eingerichtet. 2020 eröffnete der RVR den 42 Kilometer langen Mountainbike-Rundkurs „Haard on Tour“ auf den Stadtgebieten Haltern, Datteln, Marl und Oer-Erkenschwick. Schon seit 2015 gibt es eine 6,5 Kilometer lange Cross-Country-Strecke auf der Halde Hoheward in Herten /Recklinghausen. Ebenfalls 2015 eröffnete ein 4,4 Kilometer langer Enduro-Rundkurs: Der „Enduro-Rundkurs“ in Herten. Laut RVR entsteht eine weitere Mountainbike-Strecke auf der Halde Norddeutschland in Neukirchen-Vluyn.
Sein Verein wäre allenfalls offen für eine Patenschaft, sagt Zwiehoff. Beim RVR haben sie damit gute Erfahrungen gemacht. So wird sich die Mountainbike-Betriebssportgruppe des Regionalverbandes um den „Brammentrail“ kümmern. Die Verkehrssicherungspflicht bleibt allerdings beim Eigentümer und damit auch das Haftungsrisiko.
Der Essener Sportbund wünscht sich von der Stadt mehr Mut bei der Entscheidung
Thorsten Flügel, Geschäftsführer des Essener Sportbundes, wünscht sich so etwas auch von der Stadt Essen. Andere Kommunen seien bei der Ausweisung von Mountainbike-Strecken mutiger, sagt Flügel und blickt in Richtung Bergisches Land, um von Bayern oder Baden-Württemberg erst gar nicht zu reden.
Der Bedarf nach geeigneten Strecken sei da und in der Corona-Zeit weiter gestiegen. „Es müssen Flächen gefunden werden“, sagt Flügel. Würde es Mountainbiker davon abhalten, verbotenerweise in Essens Wäldern über Stock und Stein zu fahren? Wohl nicht jeden, aber womöglich jene, die im Schellenberger Wald oder anderswo illegal Sprungschanzen und Hindernisse bauen. Andernfalls steht wohl zu befürchten, dass sie weiterhin ihre eigenen Wege suchen – und finden.