Essener Norden. Die Hausarztversorgung im Essener Norden ist nicht schlechter als in anderen Stadtgebieten. Zahlen bieten den Vergleich und zeigen Probleme auf.
Die Krankenhäuser im Essener Norden sind geschlossen, ebenso die Notdienstpraxis am ehemaligen Marienhospital. Bei der ambulanten Versorgung durch Hausärzte liegen die nördlichen Stadtteile zwischen Karnap und Stoppenberg stadtweit allerdings im Mittelfeld. Das zeigen aktuelle Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.
Nordwesten bildet das Schlusslicht bei Hausarzt-Versorgung
Schaut man auf die durchschnittliche Anzahl der Einwohner pro Hausarzt, bewegt sich der Bezirk VI (Katernberg, Stoppenberg, Schonnebeck) mit 1615 im Mittelfeld. Das Schlusslicht bildet der Bezirk III von Haarzopf über Frohnhausen bis Altendorf. Dort kommen auf einen Hausarzt im Schnitt 1870 Patienten. Die größte Auswahl haben Patienten direkt nebenan in Rüttenscheid, Rellinghausen, Bergerhausen und Stadtwald mit 55,5 Kassensitzen für Hausärzte (pro Arzt 853 Einwohner über 18 Jahre).
„Es gibt bei uns eine vernünftige Grundversorgung“, erklärt Tobias Ohde, der als Hausarzt und Diabetologe im Essener Norden arbeitet und sich durch die Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung bestätigt fühlt. Das Problem sei laut Ohde vielmehr, dass die Menschen sich persönlich angegriffen und verunsichert fühlen, weil die Krankenhäuser vor der Haustür geschlossen haben. Tobias Ohde fordert, dass das Gefühl der sicheren Akutversorgung wieder hergestellt werden muss. Wie genau das aussehen könnte, soll das Institut for Health Care Business jetzt ermitteln, das von der Stadt mit einer Analyse der Gesundheitsversorgung im Essener Norden beauftragt ist. Ergebnisse sollen im September vorliegen.
Gute Vernetzung der Ärzte untereinander
Ohde macht aber auch deutlich, dass viele Patienten seiner Meinung nach nicht wissen, wie gut die ambulante Versorgung und die Vernetzung der Ärzte untereinander ist: „Die Wahrnehmung dessen, was wir haben, wird nicht wertgeschätzt.“ Wenn ein Patient bei ihm im Behandlungszimmer sitze, der fachärztliche Betreuung benötige, sei das meistens unkompliziert und ohne lange Wartezeit auf einen Termin möglich - auch wenn man dafür eventuell durchs Stadtgebiet reisen müsste.
Genau das sieht sein Kollege Lutz Rothlübbers als Manko. Der Hausarzt aus Katernberg wünscht sich eine größere Facharzt-Dichte in den nördlichen Stadtteilen: „Wir Hausärzte können grundsätzlich jedem helfen und beherrschen die Situation gut, aber es fehlen beispielsweise Kinderärzte und Lungenfachärzte“, so der Mediziner. Gleiches gelte für Orthopäden. Das musste auch Hans-Wilhelm Zwiehoff, Bezirksbürgermeister für den Bezirk V (Altenessen, Karnap, Vogelheim), kürzlich feststellen: „Ich muss auf Schmerzmittel statt Orthopäden zurückgreifen, weil ich keinen Termin kriege.“
13 Orthopäden in Rüttenscheid, Rellinghausen, Bergerhausen und Stadtwald
Ein Blick auf die Zahlen zeigt auch hier: Grundsätzlich ist Essen mit Fachärzten ausreichend versorgt. Aber: Mit einem einzigen Orthopäden steht der Bezirk V (47.095 Erwachsene) nur knapp besser da als die Stadtteile zwischen Haarzopf und Altendorf (Bezirk III): Dort kommen auf einen einzigen Orthopäden rund 83.700 Erwachsene. Das Schlusslicht bilden Leithe, Heisingen, Kupferdreh und Byfang: Dort gibt es keinen einzigen Facharzt dieser Disziplin. Wie auch bei den Hausärzten sind die Bürger in Bezirk II mit 13 Orthopäden am besten versorgt. Die Verteilung im Stadtgebiet ist also ungleichmäßig, weite Fahrten zu Ärzten bleiben nicht aus.
Gesundheitsdezernent Peter Renzel weiß, dass es unwahrscheinlich ist, dass sich die Fachärzte homogen über das Stadtgebiet aufteilen werden. Die Stadt hat darauf überhaupt keinen Einfluss. Die Kassenärztliche Vereinigung zählt die Stadt als ein einziges Versorgungsgebiet. Da es ab Rüttenscheid Richtung Süden potenziell mehr Privatpatienten gibt, sind Praxisstandorte dort bei den Ärzten beliebt. Neueröffnungen von Facharzt-Praxen sind derzeit so gut wie unmöglich, da die Kassenärztliche Vereinigung berechnet hat, dass die Stadt Essen mit der derzeitigen Besetzung gut versorgt ist.
Altenessen, Karnap und Vogelheim Schlusslicht bei Kinderärzten
Renzel wünscht sich aber besonders bei den Kinderärzten eine Aufsplittung des Versorgungsgebiets. Denn: Man müsse nicht nur schauen, wie die durchschnittliche Anzahl der Einwohner pro Arzt ist, sondern auch, wo die Bedarfe liegen. Die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen zeigten beispielsweise, dass besonders Kinder aus den nördlichen Stadtteilen oft Unterstützung brauchen - sowohl auf medizinischer, als auch auf therapeutischer Ebene. Mit drei Kinderärzten für 3791 Kindern unter 18 Jahren bilden Altenessen, Vogelheim und Karnap jedoch, trotz hohem Bedarf, das Schlusslicht der Tabelle.
Es könnte jedoch sein, dass das Institut for Health Care Business ermittelt, dass der Bedarf für einen weiteren Kinderarzt - oder Fachärzte anderer Disziplinen - für die Versorgung der Bevölkerung speziell im Norden unerlässlich ist. Dann hätten die Verantwortlichen gute Argumente, um die Kassenärztliche Vereinigung dazu zu bewegen, ihre Rechnung nochmal neu aufzumachen. Die Ergebnisse werden also mit Spannung erwartet.