Essen. Die Hausärzte in Essen sind gut auf die Impfaktion vorbereitet, das Interesse der Patienten ist riesig. Gebremst werden sie, weil Impfstoff fehlt
Unter widrigen Bedingungen, aber mit großem Einsatz starteten die Essener Hausärzte am Mittwoch (7. April) mit der Impfaktion in ihren Praxen. Den Impfstoff hatten sie zumeist erst am Vorabend erhalten – und das auch nur in kleinen Mengen. „Der ist so rar wie einst die Bananen in der DDR“, sagt Dr. Michael Hill, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein in Essen.
Für seine eigene Praxis hat der Borbecker Allgemeinmediziner für diese Woche gerade einmal 18 Impfdosen erhalten. Das ist die Minimalmenge, die ausgegeben wird, maximal durften 50 Impfdosen pro Mediziner geordert werden – und nicht jeder hat diese Höchstmenge auch erhalten. Hill wird den verfügbaren Impfstoff schon am Donnerstag (8. April) verimpft haben. „Das Interesse der Patienten ist sehr groß. Wir sagen allen, dass sie bitte vor Ende April nicht mehr anrufen sollen. Wenn dann melden wir uns.“
Arzt könnte ein eigene Hotline einrichten
Mit einem Anruf des Arztes darf rechnen, wer wegen seines Alters oder einer Vorerkrankung ein besonderes Risiko für einen schweren Verlauf einer Corona-Erkrankung hat. „Wir kennen unsere Patienten gut und sind im Impfgeschäft routiniert“, betont Hill. Gäbe es nicht den Mangel an Impfstoff, könnten die Praxen ihre Patienten rasch durchimpfen. „Dank der Berichterstattung im Vorfeld wissen die Leute zum Glück, dass der Impfstoff nur begrenzt verfügbar ist, und bleiben friedlich.“
Trotzdem sei die Mangelwirtschaft misslich, sagt Internist Stefan Bäumer von der Praxis Schott-Bäumer in Altendorf: 1600 Patienten werden hier im Quartal betreut. „Wenn einer von uns beiden quasi rund um die Uhr nur impft, könnten wir die sehr schnell durchimpfen.“ Einstweilen müssen sie jedoch viele Patienten vertrösten, die sich telefonisch oder per Whatsapp melden. „Wir könnten eine eigene Hotline beschäftigen.“ Geimpft werden auch hier aktuell die Risikopatienten, die sie auf einer Liste erfasst haben. Ein gutes Drittel ihrer 50 Impfdosen haben sie schon am Mittwoch verbraucht: In einer eigenen Impf-Sprechstunde nach der regulären Sprechstunde. Reibungslos habe das geklappt, und die Patienten seien dankbar gewesen: „Die Menschen kommen gern zu uns, weil sie uns kennen und vertrauen.“
Auch Lutz Rothlübbers vom Praxiszentrum Katernberg erlebt gerade, dass viele Patienten den Hausarzt nicht als Zusatzangebot ansehen, sondern als erste Adresse in Sachen Impfen: „Wir impfen am Donnerstag sogar eine 90-jährige Dame, die lieber zu uns kommen wollte als ins Impfzentrum.“ Und das sei kein Einzelfall.
Praxis hat das Gemeindezentrum zum Impfen angemietet
175 Impfdosen hat das Praxiszentrum am Dienstagabend bekommen, 42 wurden am Mittwoch verimpft. „Das klingt viel, aber wir sind zehn Ärzte und haben 7500 bis 8000 Patienten.“ In der Praxis wäre es daher wohl zu eng geworden, und so haben Rothlübbers und seine Kollegen das Gemeindezentrum angemietet, das gegenüber vom Praxisstandort an der Straße Termeerhöfe liegt. Im coronabedingt ungenutzten Gemeindesaal sitzen nun die Patienten, die nach der Impfung noch eine Weile zu Beobachtung bleiben müssen. Und für den zusätzlichen Schriftkram habe man zwei Studenten engagiert, erzählt Rothlübbers.
Trotz der guten Vorbereitung musste das Praxisteam Katernberg Extrastunden einlegen, weil der Impfstoff so spät eintraf und die Menge vorher nicht bekannt war: Am Mittwochnachmittag luden die Mitarbeiter – auch hier streng nach Liste – weitere Impflinge für den Donnerstag ein. Dass der Aufwand lohnt, ist für Rothlübbers keine Frage: Die geimpften Patienten seien glücklich. Wie seine Hausarztkollegen würde daher auch er gern mehr Impfstoff erhalten und das Tempo erhöhen: „Der Bedarf ist grenzenlos.“