Essen. Impf-Busse in sozial schwächeren Stadtteilen: Essens Gesundheitsdezernent sagt, dass es die nicht braucht. Die Linke sieht das grundverschieden.

Es gibt NRW-Städte mit Brennpunkt-Stadtteilen, in denen mobile Teams in Impf-Bussen vor Ort Menschen impfen. Anfang des Monats hieß es aus dem Essener Rathaus, dass man an dem Modellprojekt aus Köln sehr interessiert sei. Zu dem Zeitpunkt stand ein Impf-Bus das erste Mal in Chorweiler, einem sozialen Brennpunkt-Stadtteil der Domstadt.

Essens Stadtsprecherin Silke Lenz erklärte damals: „Da sich das Modell kurzfristig ergeben hat und ja auch kurzfristig gestartet ist, gibt es im Moment noch keine ersten Erfahrungen und auch noch keine ersten Ergebnisse.“ Das sieht mittlerweile anders aus – und Gesundheitsdezernent Peter Renzel (CDU) sagt: „Wir brauchen keine Impf-Busse.“

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Auf den zusätzlichen Impfstoff für sozial schwache Stadtteile selbst haben die Verantwortlichen bei der Stadt aber sehr wohl ein Auge geworfen. „Wir würden uns natürlich mehr Impfstoff wünschen“, so Renzel.

Sonderkontingente für benachteiligte Stadtteile in anderen Städten

Offenbar ist man mit der Bereitstellung von Sonderkontingenten bei der Landesregierung nach Kölner Vorbild sehr zufrieden. Für insgesamt 15 Kreise und kreisfreie Städte werden entsprechende Kontingente bereitgestellt. Im Ruhrgebiet sind das Dortmund, Gelsenkirchen, Herne, Duisburg und Oberhausen. Die Stadt Essen sucht man auf der Liste aber vergebens. Ein Zustand, den Essens Gesundheitsdezernent ändern will. „Ich habe sofort im Ministerium angerufen“, sagt Peter Renzel. „Wir sind auch gar nicht gefragt worden.“

Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel: „Wir brauchen keine Impf-Busse.“
Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel: „Wir brauchen keine Impf-Busse.“ © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Aus dem NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) heißt es, dass bei der Auswahl die sogenannte Mindestsicherungsquote sowie die Sieben-Tage-Inzidenz berücksichtigt wurden – gemessen an der Gesamtbevölkerung. „Da sind wir seit Wochen unter dem Durchschnitt“, sagt Peter Renzel mit Blick auf die Inzidenz. Das sei auf der einen Seite gut, da es im Vergleich zu anderen Städten ein geringeres Infektionsgeschehen gebe, auf der anderen Seite müsse man aber bei der aktuellen Zuteilung der Sonderkontingente für sozial benachteiligte Stadtteile in die Röhre schauen.

Renzel: Kölner Konzept nicht Eins zu Eins übernehmen

Sollte Essen in Zukunft doch berücksichtigt werden – was im Bereich des Möglichen ist – will Renzel das Konzept der Domstadt nicht Eins zu Eins übernehmen: „Was die Kölner Kollegen gemacht haben, ist nicht nur positiv zu bewerten. Sie haben auch schlechte Erfahrungen gemacht. Es kamen sehr viele Menschen von überall her.“ Die Zielgruppe sei nicht erreicht worden und deswegen brauche es auch keine Impf-Busse.

Ganz anders sieht das Die Linke nach der letzten Sitzung des Sozialausschusses. Am Dienstag wurde dort ihre Forderung nach einem Impf-Bus-Angebot abgelehnt.

Theresa Brücker, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und für Die Linke im Sozial-Ausschuss.
Theresa Brücker, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und für Die Linke im Sozial-Ausschuss. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Ärgerlich ist aber die Ablehnung unseres Antrags nach einem Impf-Bus und weiteren Maßnahmen für prekäre Stadtteile“, teilte Theresa Brücker, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und für Die Linke im Sozialausschuss, einen Tag später mit. „Denn arme Menschen sind aufgrund der beengten Wohnverhältnisse und der schlechten Arbeitsbedingungen besonders stark von Corona betroffen.“

Die Linke wird weiter einen Impf-Bus fordern

Was ist also Renzels Alternativplan, sollte es seitens des Landes doch Sonderkontingente geben? Der Gesundheitsdezernent sieht in den Praxen der niedergelassenen Ärzte den Schlüssel: „Wir sollten das bestehende Gesundheitssystem nutzen.“ Die Ärzte seien vor Ort, das Vertrauensverhältnis sei größer. Denkbar wäre auch, dass das Impfzentrum beim Verimpfen von Sonderkontingenten einspringen könnte, die Kapazitäten wären da. „Das bekommt man alles organisiert. Der Schlüssel bleibt der Impfstoff.“ Wichtig sei es in Bezug auf Impfungen vor allem, in sozial schwächeren Stadtteilen aufzuklären.

Trotz der Ablehnung eines Impf-Busses für prekäre Stadtteile zieht Die Linke eine „gemischte Bilanz“ nach der Sitzung des Sozialausschusses. Einstimmig verabschiedet wurde auf Vorschlag von Renzel eine Resolution, Sonderkontingente für die Impfung von Ehrenamtlichen zu fordern. Zwei Anträge hatte es dazu gegeben. Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit müsse die ehrenamtliche Unterstützung so schnell wie möglich wieder Fahrt aufnehmen, so Brücker von den Linken. Ein laut Renzel umfassender Antrag für alle Ehrenamtlichen kam von CDU und Grünen.

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Renzel sagt zu der Resolution: „Wir wollen auch nach dem Ende der Priorisierung Kontingente für ehrenamtlich Tätige haben.“ Die Impf-Priorisierung wird bekanntlich ab dem 7. Juni aufgehoben. Mit der Resolution im Rücken wird sich Renzel sich an das MAGS wenden, um Sonderkontingente für Ehrenamtliche zu verhandeln.

Theresa Brücker von den Linken: „Jetzt hoffen wir sehr, dass das Land schnell reagiert, die Ehrenamtler zügig geimpft werden und die Kinder und Jugendliche möglichst bis zum Beginn der Sommerferien ein Stück ihres Alltags zurückerhalten. Die Forderung nach einem Impf-Bus erhalten wir weiter aufrecht.“