Essen. . Hein Mulders, Intendant von Aalto-Theater und Philharmonie, hat seinen Vertrag bis 2023 verlängert. Wichtig ist ihm die Zusammenarbeit mit GMD Netopil

Schon zu seinem Amtsantritt 2013 hat Hein Mulders erklärt, kein „Job-Hopper“ zu sein. Getreu diesem Prinzip hat der 53-jährige Niederländer seinen Vertrag als Doppelintendant von Aalto und Philharmonie nun bis 2023 verlängert. Mulders will weiterhin Besonderes bieten und hohe Qualität garantieren, sieht aber auch Anlass für Korrekturen. Mit Martina Schürmann sprach er über die Kunst der Programmgestaltung in finanziell schwierigen Zeiten und die Chancen einer zweiten Amtszeit.

Herr Mulders, was gab den Ausschlag für die Verlängerung?

Hein Mulders: Um ein Programm richtig zu gestalten und perspektivisch planen zu können, sind fünf Jahre einfach zu kurz. Vor allem in der Oper, aber auch im Konzert plant man sehr langfristig. Wir sind gedanklich und vertraglich schon in der Spielzeit 2018/19, um Regieteams und Sänger von Format noch zu akzeptablen Gagen zu verpflichten. Und wir wissen jetzt, was gut läuft und was vom Publikum gefragt wird. Durch die zweite Amtszeit hat man nun die Flexibilität, noch einmal umzulenken.

Aber Zusagen, in den nächsten Jahren finanziell größeren Spielraum zu bekommen, gab es nicht?

Mulders: Deshalb habe ich mir die Entscheidung auch gut überlegt. Die finanzielle Situation wird schwieriger. Schon in der nächsten Spielzeit müssen wir ein Zeichen setzen; die fünfte Produktion wird nur hausintern besetzt werden können. Wenn man auch groß besetzte Stücke wie „Lohengrin“ oder „Le Prophète“ zeigen will, muss man andererseits Opfer bringen, das ist schwer.

 Generalmusikdirektor Tomáš Netopil bleibt ebenfalls bis 2023 in Essen.
Generalmusikdirektor Tomáš Netopil bleibt ebenfalls bis 2023 in Essen. © Hamza

Eine Bedingung der Verhandlungen war, dass Generalmusikdirektor Tomáš Netopil in Essen bleibt.

Seine Verlängerung war für mich absolut wesentlich. Mit ihm läuft es fantastisch, und die Essener Philharmoniker haben sich großartig entwickelt. Vorgänger Stefan Soltesz hat das Orchester ohne Zweifel auf ein Super-Niveau gebracht, aber mit neuen Personen bekommt man auch eine neue Dynamik, neue Farben. Das Publikum spürt das und hat Netopil sofort umarmt.

Haben sich seine Vertrags-Konditionen geändert?

Mulders: Nein, er weiß, wie die Lage ist. Er fühlt sich musikalisch hier zuhause, auch wenn er zwischenzeitlich in Wien, Dresden und Paris dirigiert. Ihm ist bewusst, dass die musikalische Qualität in Essen außerordentlich ist.

Sie versprechen für die kommenden Jahre Kontinuität, qualitativ, aber auch in der Programm-Ausrichtung mit Mozart und Komponisten des slawischen Fachs. Muss es nicht auch neue Projekte und Schwerpunkte geben?

Mulders: Natürlich, aber das braucht noch Zeit. Die Verträge sind ja gerade unterzeichnet. Und leider haben wir im Vergleich zu anderen Häusern nur fünf Produktionen pro Spielzeit, da muss man sehr genau wählen. Hamburg oder Dresden bringen doppelt so viele Premieren heraus, da kann man mehr variieren. Mozart und das slawische Fach bleiben der rote Faden, aber beides muss nicht zwanghaft jedes Jahr auf dem Spielplan stehen.

In den ersten zwei Jahren haben Sie große Co-Produktionen mit Opern-Häusern von Wien bis Berlin gezeigt, 2016/17 gibt es nur noch Eigenproduktionen. Eine Reaktion auf kritische Stimmen?

Mulders: Kooperationen und Übernahmen sollen in der Tat künftig die Ausnahme bleiben. Obwohl ich glaube, dass das für das Publikum eigentlich keine Rolle spielt. Dass eine Inszenierung vorab in Berlin oder Wien herausgebracht wurde, sagt auch nichts über die Qualität der Produktion, im Gegenteil. So kann man auch in Zeiten knapper Kassen noch große Namen gewinnen. Warum einzelne Kritiker Co-Produktionen für weniger wert halten, kann ich nicht unbedingt nachvollziehen, aber ich reagiere natürlich darauf. Es gibt ja auch genügend junge Talente, die es zu entdecken gilt. Und ich würde gerne an die Tradition des Hauses anknüpfen und auf ausgewählte Opern, Regisseure und Dirigenten zurückgreifen, die schon in der Ära Soltesz eine Rolle gespielt haben.

2017 soll auch die Operette im Aalto für anspruchsvolle Unterhaltung sorgen

Haben Sie nach drei Spielzeiten eine Vorstellung davon, wie das Essener Publikum tickt?

Mulders: Essen ist schon anders als Antwerpen oder Amsterdam, wo ich vorher war. Essen hat zwar ein hohes Niveau und ist breit interessiert, aber letztendlich ist es auch ein Stadttheater. Und damit verbunden sind bestimmte Erwartungen und Gewohnheiten, die ich bedienen will und muss.

Zur Person

Hein Mulders, 1962 in den Niederlanden geboren, studierte Kunstgeschichte und Französisch in Paris sowie Kunstgeschichte, Archäologie, Italienisch und Musikwissenschaft in Amsterdam. Zudem studierte er Klavier am Konservatorium in Utrecht.

1995 wurde er Castingdirector an der Flämischen Oper in Antwerpen/Gent, 2006 wechselte Mulders an die Niederländische Oper Amsterdam, wo er bis 2012 als Operndirektor tätig war. Zudem war und ist Mulders Juror bei zahlreichen internationalen Gesangs- und Opernwettbewerben. Er lebt in Rüttenscheid.

Eine Möglichkeit, Publikum zu gewinnen, ist, Operette oder Musical auf den Spielplan zu setzen wie es die Nachbarhäuser in Gelsenkirchen und Dortmund vormachen.

In der Spielzeit 2017/18 wird es auch im Aalto wieder Operette geben. Ich habe das immer machen wollen, aber zunächst wollte ich in der Oper Neues zeigen. Beim Musical bin ich zögerlich. Es ist teuer und aufwändig, man muss extra Tänzer und Musical-Stars engagieren. Und unsere eigenen Sänger sind abgemeldet, weil sie anders ausgebildet sind. Außerdem es gibt ja ein Musicalhaus in dieser Stadt.

Auch im Konzerthaus wird es finanziell nicht einfacher, die Gagen für Superstars explodieren. Wie hält die Essener Philharmonie da mit?

Mulders: Wenn ich in die Programme der vergangenen Jahre schaue, bin ich manchmal selber erstaunt, welche Qualität hier in Essen schon versammelt wurde. Das geht auch weiter. Es ist eine andere Art von Budgetplanung. Bei teuren Künstlern kann man auch höhere Eintrittspreise erzielen. Und man kann leichter Sponsoren gewinnen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Qualität halten können, obwohl es auch hier schwieriger wird.

Im Jahr 2023 feiern Sie Ihren 61. Geburtstag. Eigentlich könnten Sie dann gleich bis 65 weitermachen.

Mulders (lacht): Ist das eine Einladung? Man weiß nicht, was passiert. Aber die Säle hier in Essen sind einfach fantastisch und die Arbeits-Atmosphäre wirklich gut.