Essen. „So geht es nicht weiter“, sagt Essens Ordnungsdezernent Kromberg und will bald von 15 auf 25 Impfstraßen erhöhen. Es gibt aber Personalprobleme.

Im Impfzentrum Essen spitzt sich die Lage bei den Wartezeiten zu. Am Donnerstag und auch am Freitag zog sich die Warteschlange im Freien entlang der Messehallen bis zur Grugatherme, zwei Stunden Geduldsprobe waren nach Schätzung von Ordnungsdezernent Christian Kromberg die Regel, Impfwillige sprachen eher von drei bis vier Stunden. „So geht es nicht mehr weiter, wir werden bis Mitte nächster Woche die Zahl der Impfstraßen von 15 auf 25 erhöhen“, versprach Kromberg. Bis dahin müsse man improvisieren. Unter anderem soll eine Betreuungseinheit nun für Essen und Trinken in einer der Messehallen sorgen. „Für die langen Wartezeiten möchte ich mich entschuldigen“, so Kromberg.

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Nadelöhr sei die Bürokratie: die Registrierung der Menschen und die Verwaltung der Aufklärungsmerkblätter wie des Impfvorgangs durch Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. „Wir hatten hier heute teilweise die Situation, dass die Impfärzte einsatzbereit waren, aber warten mussten, weil es einfach nicht weiterging“, so der organisatorische Leiter des Impfzentrums, Jörg Spors. Kromberg erwägt, notfalls städtisches Personal zu delegieren, um nächste Woche den Engpass an so genannten „Admins“ zu beheben.

Auch am Mittwoch gab es bereits schwierige Verhältnisse, aber immerhin noch in der Halle, nicht draußen.
Auch am Mittwoch gab es bereits schwierige Verhältnisse, aber immerhin noch in der Halle, nicht draußen. © LB

Ausdrücklich geht es zunächst nicht darum, noch mehr Menschen pro Tag zu impfen. Vielmehr soll die Erhöhung der Impfstraßenanzahl die Staus entzerren. Perspektivisch sei aber eine schrittweise Erhöhung der Impfungen denkbar.

Derzeit werden bis zu 2500 Bürger täglich im Impfzentrum immunisiert, am kommenden Wochenende dürfte der 100.000. Essener diese zurzeit wohl wichtigste Institution der Stadt durchlaufen. Vielfach gibt es Lob für die Abläufe, in den letzten Tagen aber häuft sich die Kritik. Fast immer hat das etwas mit Wartezeiten und Warteschlangen zu tun, die für die immer noch überwiegend älteren Impfwilligen sehr anstrengend sein können.

Wie entstehen die enormen Wartezeiten?

Christian Kromberg und Jörg Spors sehen – wie erwähnt – als zentrales Problem die Registrierung und das Aufklärungsmerkblatt an, das von jedem Impfling gelesen und unterschrieben werden muss. „90 Prozent der Menschen haben unvollständige oder fehlende Papiere, wir bitten dringend darum, die Unterlagen ausgedruckt und unterschrieben mitzubringen“, so Spors. Das gelte besonders auch für die Lebenspartner und Begleiter der über 80-Jährigen, die mitgeimpft werden wollen. Die Unterlagen werden mittlerweile von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, die gemeinsam mit der Stadt Essen das Impfzentrum betreibt, zusammen mit der Terminbestätigung für den Impftermin digital verschickt und müssen dann ausgedruckt werden. In den letzten Tagen hatte das nach Angaben der Stadt noch nicht funktioniert. Die Unterlagen können aber auch auf der Seite des NRW-Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales heruntergeladen werden: www.mags.nrw/coronavirus-impfzentren-nrw-materialien

Warum führen fehlende Unterlagen zu Problemen?

Weil sie zeitraubend im Impfzentrum ausgedruckt, durchgelesen und unterschrieben werden müssen. „Normalerweise dauert die Registrierung deutlich weniger als eine Minute“, sagt Kromberg. Wenn aber die Unterlagen nicht vorhanden sind, können es selbst bei rascher Nachbearbeitung schnell fünf Minuten und mehr pro Impfwilligen werden. „Das setzt sich dann nach hinten fort und es bilden sich Warteschlangen, die immer länger werden“, so Kromberg. Zurzeit sind fünf Mitarbeiter mit Registrierung und Ausdrucken beschäftigt, bald sollen es acht sein. Aber auch das wird nicht genügen, wenn wirklich 25 Impfstraßen in Betrieb gehen sollen. Eine papierlose Digitalisierung dieser Vorgänge, die von der KV vorgeschrieben sind, sei derzeit nicht möglich, heißt es.

Warum spitzt sich die Warterei gerade jetzt derart zu?

Kromberg zufolge war es vom Zeitaufwand her bedeutend leichter, geschlossene Berufsgruppen wie etwa die Polizei oder gruppenweise Arzt-Praxen oder Kita-Belegschaften zu impfen, wie es bis vor kurzem der Fall war. Dort waren die Papiere oft mustergültig parat. Die nun immer stärkere Individualisierung der Impfungen erhöhe auch den Bürokratieaufwand.

Was führt noch zu unnötigen Wartezeiten?

Wer seinen Impftermin herbeisehnt, kommt häufig viel zu früh ins Impfzentrum, manche kommen auch zu spät. Beides sei im Sinne eines reibungslosen Betriebs falsch. Das Impfzentrum bittet daher darum, möglichst genau zum vereinbarten Termin zu erscheinen. „Niemand muss Sorge haben, dass er nicht mehr drankommt“, betont Kromberg. Das Impfzentrum schließe erst, wenn wirklich alle, die am jeweiligen Tag einen Termin hatten, ihren Pieks bekommen haben.

Wer darf, wenn er einen Termin hat, jemanden mitbringen?

Nur die Über-80-Jährigen mit einem Termin, der nach dem 31. März gebucht wurde, und neuerdings auch die 78- und 79-Jährigen dürfen einen Lebenspartner mitbringen, der dann mitgeimpft wird. Dabei gelten laut Impfzentrum folgende Regeln: Bei den Über-80-Jährigen muss die Begleitperson mindestens 70 Jahre alt sein, eine Terminbuchung bei der KV ist nicht notwendig. Bei den 78- und 79-Jährigen gibt es keine Begrenzung beim Alter des Lebenspartners oder Begleiters, dieser muss allerdings eine Anmeldung über die KV vorweisen können. „Ob es sich wirklich um eine enge Verbindung handelt, können wir nicht nachprüfen“, sagt Christian Kromberg. Das würde viel zu lange dauern und vom Impfen abhalten. Nur sehr grobe Fälle von Unwahrheit versuche man auszusortieren.

Jörg Spors, bei der Feuerwehr Essen Leiter der Stabsstelle Pandemielagen, ist derzeit für die Organisation des Impfzentrums verantwortlich.
Jörg Spors, bei der Feuerwehr Essen Leiter der Stabsstelle Pandemielagen, ist derzeit für die Organisation des Impfzentrums verantwortlich. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Wer im Zuge des Astrazeneca-Sonderkontingents für die Über-60-Jährigen einen Impftermin erhielt, kann sich zwar begleiten lassen, diese Person wird aber nicht mitgeimpft. Dasselbe gilt für Menschen, die im Rahmen der Einzelfallentscheidungen für Vorerkrankte einen Termin haben oder für die, die dank ihrer Berufstätigkeit ein priorisiertes Impfrecht wahrnehmen können. „Wir werden in diesen Fällen keinem möglichen Begleiter ein Impfangebot machen können“, betont Jörg Spors.

Gibt es immer noch in letzter Minute Diskussionen um die Impfstoffe?

Seit Astrazeneca nur noch an jene Über-60-Jährige verimpft wird, die sich am Osterwochenende um einen Sondertermin bemühten, wisse eigentlich jeder, was ihn erwartet und es gebe es nur noch sehr selten Diskussionen. „Dafür haben wir auch wirklich keine Zeit“. Wer den angebotenen Impfstoff hartnäckig ablehnt, müsse dann eben gehen. „Das sind mal ein oder zwei Leute“, so Spors.

Gibt es genügend Impfstoff und erhält jedes Impfzentrum die selbe Menge?

Laut Jörg Spors gibt es für absehbare Zeit in Essen keine Engpässe. Der Impfstoff wird zwar vom Land relativ gleichmäßig verteilt, die maximal mögliche Bestellmenge hänge aber auch von der durchaus unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Impfzentren ab. Es gibt aber zurzeit Grenzen. Laut Christian Kromberg sei die Messe Essen theoretisch groß genug, um 10.000 Menschen pro Tag zu impfen, nur fehlten dafür die Impfstoffmenge und offensichtlich auch das Personal.

Wieviele Menschen arbeiten im Impfzentrum?

Rund 150, Tendenz steigend: Ärzte, Apotheker, Medizinisch-technische Assistenten, Feuerwehrleute, Sicherheitsmitarbeiter, Verwaltungsexperten und freiwillige Helfer, ohne die es ebenfalls nicht ginge.

HINWEIS: In einer früheren Version des Textes gab es falsche Angaben beim Thema Begleitpersonen. Diese Angaben waren auf Fehlinformationen durch die Stadt Essen zurückzuführen, was Ordnungsdezernent Kromberg auch einräumt. Dennoch entschuldigen wir uns selbstverständlich für den Fehler.