Essen. Bestatter Sebastian Buiting aus Essen begleitet Angehörige von Corona-Verstorbenen so gut er kann. Die Grenzen setzt der Infektionsschutz.
An den ersten Corona-Verstorbenen im Bestattungshaus erinnert sich Sebastian Buiting noch: Der Mann hatte die Infektion mit dem Virus im Frühjahr 2020 nicht überlebt, seine gesamte Familie war betroffen, auch die Frau in Quarantäne. „Es war für uns ganz merkwürdig, weil wir kein persönliches Gespräch führen konnten“, erinnert sich der 44-jährige Bestattermeister. „Wir konnten die Familie nur telefonisch beraten.“ Ungewollte Distanz in einer Phase der tiefsten Trauer, in der Angehörige eigentlich den Halt der Profis der brauchen.
Damit begann für Buiting und seine Kollegen eine Zeit, die vieles, was vorher selbstverständlich war, unmöglich machte: Persönliche Gespräche, Aufbahrungen, Trauerfeiern in großer Runde – der Infektionsschutz setzt all dem Grenzen und erschwert den würdevollen Abschied. „Ich rate den Menschen eigentlich immer dazu, noch einmal am offenen Sarg Abschied zu nehmen, um wortwörtlich begreifen zu können“, sagt Buiting. „Bei Corona-Verstorbenen ist das nicht möglich.“ Denn auch nach dem Tod besteht noch die Gefahr einer Ansteckung. Das verändert sowohl den Umgang der Bestatter mit den Verstorbenen als auch den Angehörigen.
Schutz vor einer Ansteckung mit dem Virus
Menschen, die nach einer Infektion mit dem Virus verstorben sind, kann Buiting nur im Ganzkörper-Schutzanzug auf die Bestattung vorbereiten. Er darf sie nicht waschen und umkleiden, sondern muss sie in eine spezielle Schutzhülle – Bodybag genannt – legen, und den geschlossenen Sarg anschließend von außen desinfizieren. Auf die Frage, wie sich das anfühle, wird Buiting zunächst still, dann antwortet er zögerlich: „Was soll ich dazu sagen? Würdig ist das nicht.“
Doch ändern kann er es nicht, der Schutz der Angehörigen und Bestatter vor einer Ansteckung geht vor. Fast 100 Corona-Verstorbene sind mittlerweile im Borbecker Bestattungshaus Buiting für die Beisetzung vorbereitet worden. Es seien bislang ausnahmslos ältere Menschen gewesen: „Es gab eine Welle, da kamen sehr viele Verstorbene aus Altenheimen, mittlerweile fast nur noch aus Kliniken. Das zeigt für mich die Wirksamkeit der Impfungen.“
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Bis der Großteil der Bevölkerung geimpft ist, wird es jedoch weiter Einschränkungen für die Trauerkultur geben. Und die betreffen alle Trauernden, ob dem Verlust eine Corona-Infektion voran ging oder nicht. Auf dem Friedhof beispielsweise sind derzeit maximal 25 Personen erlaubt. „Auch wenn es schwer ist, diese Maßnahmen sind richtig“, meint Buiting. „Ich finde 25 Personen bei einer Beerdigung fast viel, in so einer Ausnahmesituation vergessen die Leute verständlicherweise auch mal die Corona-Regeln, es wird sich dann doch umarmt.“
Plauderei beim Kaffeetrinken entfällt
Ausfallen müssen Zusammenkünfte nach der Beisetzung. „Die Leute gehen am Grab auseinander, es fehlt das Zusammensein beim anschließenden Kaffeetrinken“, sagt Buiting. Viele würden kreativ, verteilten zum Beispiel verpackte Kuchen an die Trauergäste. Doch es entfällt das gemeinsame Schwelgen in Erinnerungen, das erste erleichterte Lachen, das sich unter die Tränen mischt. Gemeinsam den Streuselkuchen aus der Alufolie wickeln und bei einer Tasse Kaffee plaudern, das geht maximal digital. Das müssen alle Beteiligten derzeit aushalten.
Bestatter wie Buiting tun unterdessen alles, was innerhalb der bestehenden Regeln in ihrer Macht steht, um die Abschiede so gut zu gestalten, wie es nur geht. Blumenschmuck, Bilder, Musik, Zeit für Gespräche tragen dazu bei und viel Geduld bei Beratungen. Denn auch dabei darf sich Buiting aktuell nur mit einem weiteren Haushalt treffen. Oftmals bitten Angehörige daher um kurze Pausen, um weitere Personen per Telefon in die Entscheidungen einzubeziehen.
Es bleibt die Hoffnung, dass die Pandemie möglichst bald abebbt, um Trauernden wieder mehr Freiräume bei der Gestaltung eines ganz individuellen Abschieds bieten zu können. Denn dafür ist Buiting Bestattermeister geworden.