Essen. Im Impfzentrum Essen brach am Sonntag zeitweise Chaos aus, weil viele ohne Anmeldung kamen. Ordnungsdezernent Kromberg über Gründe und Lehren.

Im Impfzentrum Essen kam es am Ostersonntag zu teils chaotischen Zuständen, weil im Rahmen des Ü-60-Sonderkontingents auch Menschen geimpft wurden, die entgegen der Regeln keinen Buchungstermin nachweisen konnten. Als sich diese Chance herumsprach, gab es einen Ansturm von Impfwilligen, selbst aus anderen Städten. Ein Gespräch mit Christian Kromberg, als städtischer Ordnungsdezernent verantwortlich für die Feuerwehr, die das Impfzentrum in den Messehallen gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung betreibt.

Herr Kromberg, Sie waren Ostersonntag im Impfzentrum. Was war da los?

Die Leute sind auf dem Anmeldeportal der Kassenärztlichen Vereinigung nicht durchgekommen und dann zum Teil mit Screenshots ihres unterbrochenen Anmeldevorgangs zum Impfzentrum geeilt und haben verlangt, trotzdem eine Astrazeneca-Impfung zu bekommen. Einige haben sogar einen Sitzstreik versucht.

Und dem wurde dann einfach stattgegeben?

Nein, wir haben viele abgewiesen. Aber da, wo es Zweifel gab, haben wir geimpft. Wir konnten nicht wissen, ob sie nicht vielleicht doch einen Termin hatten, der im Anmeldesystem nur nicht richtig registriert worden war.

Der Ablaufplan kam durcheinander: Im Impfzentrum Essen - hier die Temperaturmessung - kam es am Ostersonntag zu einer angespannten Situation.
Der Ablaufplan kam durcheinander: Im Impfzentrum Essen - hier die Temperaturmessung - kam es am Ostersonntag zu einer angespannten Situation. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Chefs im Impfzentrum haben im Sinne einer Deeskalation richtig gehandelt“

Das heißt, das Buchungssystem der Kassenärztlichen Vereinigung hat erneut versagt?

Das will ich nicht bewerten. Aber jeder weiß, es gibt Schwierigkeiten, wenn Tausende gleichzeitig durch ein Nadelöhr wollen. In einer Lotterie dieser Art kann man Glück haben oder auch nicht.

Haben die Chefs im Essener Impfzentrum richtig gehandelt, spontan zu entscheiden, dass auch Unangemeldete eine Impfung bekommen?

Ja, das war im Sinne einer Deeskalation absolut richtig. Die Alternative wäre gewesen, Leute ohne Anmeldung mit Hilfe der Polizei vom Gelände zu entfernen. Das konnten und wollten aber nicht. Sie müssen sehen, hier haben auch Über-80-Jährige auf ihre Impfung gewartet. Solche Bilder wollten wir allen ersparen. Ich bin froh, dass wir mit Dr. Stefan Steinmetz einen so pragmatischen medizinischen Leiter im Impfzentrum haben.

Wegen des Andrangs mussten viele, die einen regulären Termin hatten, lange warten, auch alte Menschen.

Die Gründe dafür sind vielschichtig und haben nicht nur mit dem Nichtangemeldeten zu tun. Wir haben eine weitere Halle angemietet und dort eine Art Wartebereich eingerichtet, um mehr Komfort zu bieten.

„Einige haben uns vermutlich einen Bären aufgebunden“

Sind Sie denn sicher, dass alle, die nun außer der Reihe geimpft wurden, tatsächlich Opfer des erneut wenig leistungsfähigen Buchungssystems wurden? Können nicht auch gnadenlose Egoisten darunter sein?

Einige haben uns vermutlich einen Bären aufgebunden. Es sprach sich schnell herum, dass man in Essen mit etwas Glück eine Impfung ohne Anmeldung erhält und dann sind Leute gekommen, die definitiv keinen Termin hatten, und einige haben es dann auch geschafft und wurden geimpft. Das habe ich in einem Einzelfall sogar selbst beobachtet, weil sich ein Mann damit brüstete.

Mussten Sie Menschen, die sich ordnungsgemäß angemeldet hatten, ungeimpft zurückschicken?

Nein. Astrazeneca-Impfstoff hatten wir genug. Die Kassenärztliche Vereinigung hat uns für Ostersonntag 300 Über-60-Jährige angekündigt, 700 wurden schließlich geimpft. Welche von den 400 unberechtigt da waren, wissen wir nicht.

„Wir sollten die strenge Impfreihenfolge jetzt aufgeben“

Wird die Anarchie jetzt zum Regelfall, heißt es künftig: Dreistigkeit siegt?

Das Wort Anarchie geht mir zu weit, richtig ist, es gab teilweise eine angespannte Situation. Und nein, das soll sich so nicht wiederholen. Aber der Vorgang zeigt, dass in der Bevölkerung die Akzeptanz einer strengen Priorisierung schwindet.

Und was ist Ihre Folgerung?

Die ohnehin schon vielfach perforierte Impfreihenfolge ist nicht mehr sinnvoll, wir sollten das aufgeben, um schneller voran zu kommen. Es gibt viele Fälle, die nach den Buchstaben des Gesetzes noch nicht dran gewesen wären, wo der gesunde Menschenverstand aber eine andere Entscheidung nahegelegt hat. Ich traue unseren Impfärzten zu, das Richtige zu tun.

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