Essen/Mülheim. Offenbar hat eine Beamtin des Essener Polizeipräsidiums vor Gericht falsch ausgesagt, um einen Kollegen zu decken. Nun ist sie vorbestraft.

Dass Polizisten wegen Dienstvergehen mit dem Gesetz in Konflikt geraten und dann auch noch verurteilt werden, ist eher die Ausnahme. Insofern zählt die Verurteilung einer 26 Jahre alten Polizeibeamtin des Präsidiums Essen/Mülheim zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Strafvereitelung im Amt und uneidlicher Falschaussage zu den ungewöhnlichen Rechtsfällen.

Die Entscheidung des Amtsgerichtes Mülheim sei rechtskräftig, die verurteilte Polizistin habe den Strafbefehl akzeptiert, berichtet die Sprecherin des Amtsgerichts Susanne Galonska-Bracun. Ob der Beamtin nun disziplinarische Konsequenzen drohen, ist momentan noch offen. Das Polizeipräsidium Essen verweist auf die Zuständigkeit des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der NRW Polizei. Fest steht aber bereits: Die Polizeibeamtin ist vorbestraft, die Freiheitsstrafe wird ins Bundeszentralregister aufgenommen.

Faustschlag: Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen Polizisten zunächst ein

Offenbar hat die Polizistin mit ihren Falschaussagen versuchen wollen, das Vergehen eines Kollegen zu vertuschen. Der 39 Jahre alte Polizeibeamte soll bei einem Einsatz Anfang 2019 einem gefesselten Mann (56) ins Gesicht geschlagen haben. Dieser komplexe Fall hat in der Folgezeit eine Reihe von straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren ausgelöst.

Zu dem Einsatz vor gut zwei Jahren war es nach Darstellung der Staatsanwaltschaft Duisburg gekommen, weil es in Mülheim einen Notruf wegen häuslicher Gewalt gegeben habe. Bei dem 56-Jährigen handelt es sich um einen Deutschen mit Migrationshintergrund. Detaillierte Informationen zur Situation am Einsatzort gibt es nicht, aber dem Vernehmen nach sei die Atmosphäre hoch emotional und angespannt gewesen.

Nach dem mutmaßlichen Faustschlag erstattete der 56-jährige Mülheimer Strafanzeige gegen den Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt. Die zuständige Staatsanwaltschaft Duisburg nahm daraufhin die Ermittlungen auf. Mangels hinreichenden Tatverdachts sei das Verfahren gegen den Polizisten jedoch eingestellt worden. Sowohl der beschuldigte Beamte als auch die beteiligte Beamtin (26) hätten in einer dienstlichen Stellungnahme versichert, der 39-Jährige habe den zuvor in Handfesseln gelegten Mann lediglich geschlagen, als dieser in bedrohlicher Weise auf sie zugekommen sei.

Zuerst ist der 56-Jährige das Opfer, später steht er selbst als Beschuldigter am Pranger

Juristisch beendet war der Fall damit keineswegs. Denn nun leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen den 56-Jährigen ein: wegen des Vorwurfs der falschen Verdächtigung „zum Nachteil des Polizeibeamten“. Derselbe, der sich selbst als Opfer mutmaßlicher Polizeigewalt sah, stand nun seinerseits als Lügner am Pranger.

Nach dem Polizeieinsatz sollte mehr als ein Jahr durchs Land gehen. Ende April 2020 – nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen – wurde schließlich Anklage gegen den Mann aus Mülheim erhoben. In der Hauptverhandlung habe der 56-Jährige jedoch energisch bestritten, den Polizisten zu Unrecht beschuldigt zu haben.

Neben der am Einsatz beteiligten Polizistin (26) sei nun eine weitere – bis zu diesem Zeitpunkt nicht vernommene - Polizeibeamtin (23) als Zeugin ins Spiel gekommen. Letztere, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Duisburg, sei ebenfalls an dem Einsatz wegen häuslicher Gewalt beteiligt gewesen. Während die 26-Jährige im Gerichtssaal ihre ursprüngliche Version wiederholt habe, behauptete die 23-Jährige das Gegenteil. Der Mülheimer sei sehr wohl im gefesselten Zustand von dem Kollegen geschlagen worden.

Beamtin (23) bestätigt Faustschlag, erst dann korrigiert die Kollegin ihre Aussage

Zwei Mal hatte die 26-Jährige bis dahin den Schlag geleugnet, doch nach der Aussage der Kollegin habe sie schließlich ihre Aussage korrigiert – und eingeräumt, dass es „zumindest einen Schlag gegen den gefesselten Mann“ gegeben habe. Das Amtsgericht sprach den Mülheimer daraufhin auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Vorwurf der falschen Verdächtigung frei. Und: Die Ermittlungen gegen den Beamten wegen Körperverletzung im Amt seien in der Folge durch die Staatsanwaltschaft wieder aufgenommen worden. Sie dauerten derzeit noch an.

Neben der bereits verurteilten 26-Jährigen ist auch die 23 Jahre alte Beamtin nun Ziel eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Dasselbe gilt für ihre Vorgesetzten: zwei Dienstgruppenleiter des Polizeipräsidiums Essen/Mülheim. Die 23-jährige Beamtin soll ihre Vorgesetzten schon kurz nach dem Vorfall über den mutmaßlichen Schlag des Kollegen informiert haben. „Ob sich diese Vorwürfe bestätigen, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen“, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Gegen den Polizeibeamten, der den gefesselten Mann geschlagen haben soll, wird außerdem wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt. Offenbar gehört er zu der mutmaßlich rechten Polizei-Dienstgruppe, die sich über Whatsapp rassistische Nachrichten bis hin zu Hitlerbildern geschickt haben soll.

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