Essen. Der Ehrgeiz wird größer, mit weniger Bürokratie mehr Leute durch die Impfung zu schleusen. Allerdings wächst im Impfzentrum auch die Überlastung.
Im Impfzentrum Essen ist die Impfung von Begleitpersonen der Über-80-Jährigen mit Termin bereits seit Montag, 29. März erweitert worden. Das bestätigte der leitende Impfarzt Dr. Stefan Steinmetz. Nicht mehr nur die Begleitpersonen im Alter von 78 und 79 Jahren würden seit Montag unbürokratisch mitgeimpft, sondern alle Begleiter ab 70 Jahren.
„Wir versuchen das zumindest“, sagt Steinmetz einschränkend. Denn der Beschluss der Essener Impfkonferenz, nunmehr von starren Terminregelungen nach und nach wegzukommen, führt zu einigen Problemen. „Die Begleiter kommen natürlich ohne die Formulare der Kassenärztlichen Vereinigung“, sagt Steinmetz. Im Impfzentrum müssen deshalb die sieben Seiten Papierkram, die für einen Impfvorgang nötig sind, ausgefüllt und ausgedruckt werden. „Das kostet natürlich Zeit“, so Steinmetz.
Lange Schlangen am Impfzentrum mit alten Menschen in der prallen Sonne
Offenbar auch deshalb kam es am Montag zu langen Schlangen am Impfzentrum, die für einigen Unmut sorgten. „Endlich Termin zur ersten Impfung meiner 87-jährigen Mutter. Sie muss in der Schlange anstehen. Immerhin gibt es einen Rollstuhl“, klagt Thomas Schweres im Netzwerk Facebook. „Für über 80-Jährige finde ich es nicht zumutbar, ohne Schutz gegen Hitze oder Regen auf einem Asphalt-Parkplatz 45 Minuten auf den Einlass warten zu müssen.“ Das sei auch deshalb enttäuschend, weil er bisher nur Gutes vom Impfzentrum Essen gelesen habe.
Stefan Steinmetz, von dieser Redaktion auf die Zustände angesprochen, beteuert, dies habe es so zum ersten Mal gegeben. Der Grund für die Warteschlange liege nicht nur im Mehraufwand für die Begleiter-Impfungen. Viele Impflinge kämen deutlich früher zur Messehalle 4 als sie einbestellt wurden. „Dann lassen sich Wartezeiten natürlich nicht vermeiden.“
78-Jähriger wurde trotz klarer Ansage für eine Mit-Impfung abgelehnt
Die Impfung von Begleitpersonen dürfte nun jedenfalls an Fahrt aufnehmen, wenn alle ab 70 mitgeimpft werden sollen – und damit vermutlich auch die Termin-Probleme. Nicht einmal die zugesagte Mit-Impfung der 78- und 79-Jährigen scheint völlig reibungslos zu funktionieren: „Ich, Bernhard Rosenbaum, 78 Jahre, habe an 27. März um 11 Uhr meine Frau, 80 Jahre alt, zu Ihrem Impftermin begleitet und bei dieser Gelegenheit an zwei Stellen gefragt ob ob ich auch geimpft werden könnte, was zweimal abgelehnt wurde“, berichtet der Essener in einer E-Mail an die Redaktion. „Soviel zum Thema Begleitpersonen werden mitgeimpft“, schreibt Rosenbaum enttäuscht.
Nach Angaben des leitenden Impfarztes Stefan Steinmetz sei das nicht gut gelaufen. „Es war klar vereinbart, dass wir alle in diesem Alter impfen.“ Wenn seine Angaben zuträfen, erhalte Rosenbaum einen eigenen Termin. Die Episode wie auch die Schlangenbildung mag aber darauf hindeuten, dass das Impfzentrum Essen am Rande seiner personellen Möglichkeiten arbeitet. Andererseits ist mehr denn je der Wille spürbar mitzuhelfen, dass in die Impf-Kampagne endlich Dampf kommt.
Lebenspartner von Ü-70-Jährigen sollen bald sogar ohne Altersbegrenzung mitgeimpft werden
Diesen Geist atmet auch eine Mitteilung der Landesregierung, in der angekündigt wird, dass die Terminvereinbarung der Menschen zwischen 70 und 80 ab dem 6. April in den Buchungssystemen der Kassenärztlichen Vereinigungen möglich ist, wobei die jahrgangsweise verschickten Einladungen jeweils abzuwarten sind. Aber das ist nicht alles: „Paarbuchungen sind möglich. Das Alter des jeweiligen Lebenspartners spielt keine Rolle“, heißt es wörtlich in der Pressemitteilung der NRW-Staatskanzlei.
Impfarzt Stefan Steinmetz hat den Passus nicht ohne Unbehagen gelesen. „Das kann ja bedeuten, dass ein 75-Jähriger auch eine 25-Jährige mit der selben Wohnadresse mitbringen kann und diese als seine Lebenspartnerin ausgibt.“ Kontrollieren lasse sich im Impfzentrum jedenfalls nicht, ob zwei da wirklich zusammenleben oder nur der Ältere dem Jüngeren einen Gefallen tut und ihm oder ihr zu einer frühen Impfung verhilft. Ohne viel Fantasie und mit einiger Energie zum Schummeln lässt sich daraus sogar ein Geschäft machen: Geld gegen Mitnahme ins Impfzentrum.
Gesundheitsdezernent Renzel plädiert für komplette Aufgabe der Priorisierung
Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel plädiert dafür, nun bald die Impfungen einfach zu öffnen und auf jede Priorisierung zu verzichten. „Die Impfung der Menschen mit Behinderungen und der Mitarbeiter aus den Einrichtungen der Eingliederungshilfe sollten wir jetzt noch nach dem alten Muster durchziehen, dann damit Schluss machen.“ Renzel kann allerdings nur appellieren. Die Entscheidungen für so weitreichende Änderungen fallen im Land und im Bund. Immerhin: Die Impf-Quote in Essen liegt auch dank einer größeren Dynamik vor Ort deutlich über dem Landes- und Bundesschnitt.
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