Essen. Die in Essen registrierten Delikte mit Messern sind zurückgegangen, so die Polizei. Doch die Bewaffnung ist immer noch hoch, warnt der Kripochef.
Ein 24-Jähriger sticht im Juni des vergangenen Jahres in der Straßenbahnlinie 109 in Essen-Huttrop auf einen 27 Jahre alten Fahrgast ein und verletzt den Mann schwer. Am 14. November attackiert eine etwa 15-köpfige Gruppe Jugendlicher zwei 13-Jährige in Altenessen-Süd. Eines der Opfer wird durch eine Klinge an der Hand verletzt und muss in einem Krankenhaus behandelt werden. Schwere Verletzungen erleidet auch ein Bewohner (32) eines Mehrfamilienhauses in Stoppenberg, als ein Nachbarschaftsstreit eskaliert und ein 36-Jähriger mehrfach auf ihn einsticht.
Dies sind nur einige wenige Polizeimeldungen aus dem vergangenen Jahr, die den Verdacht genährt haben könnten: Die Zahl der Straftaten, bei denen Messer zum Einsatz gekommen sind, hat in Essen weiter zugenommen. Doch das Gegenteil ist der Fall, heißt es in der Behörde. Tatsächlich hat die Essener Polizei im vergangenen Jahr unterm Strich weniger Messerangriffe gezählt als 2019.
„Die Kollegen stellen immer wieder Messer sicher“
Und dennoch warnte Kripo-Chef Ralf Wagener jüngst bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2020: “Die Bewaffnung ist immer noch hoch. Die Kollegen stellen immer wieder Messer sicher.” Im vergangenen Jahr habe es wohl weniger „Tatgelegenheiten“ gegeben - auch weil in Coronazeiten einfach weniger Menschen auf den Straßen, Wegen und Plätzen Essens unterwegs waren.
In der offiziellen Statistik der Polizei tauchen Stichwaffen als sogenanntes Tatmittel jedoch nur dann auf, wenn sie nachweislich als Waffe eingesetzt oder zur Bedrohung benutzt worden sind. Ein bloßes Mitführen reicht für die PKS-Erfassung in Nordrhein-Westfalen nicht aus. Das sollte man beim Blick auf die Zahlen wissen.
Die allermeisten Attacken endeten mit Körperverletzungen
Demnach waren bei 43.545 insgesamt in 2020 bekannt gewordenen Straftaten in Essen laut Polizei 132 Messer im Spiel. Zum Vergleich: 194 Mal waren im Jahr zuvor Stichwaffen unter vergleichbaren Maßgaben registriert worden. Die Anzahl der erfassten besonders gefährlichen Messer, die nach dem Waffengesetz verboten sind, sank binnen eines Jahres deutlich von 62 auf 16. Ganz überwiegend wurden die Stichwaffen bei Delikten der Gewaltkriminalität eingesetzt.
Die allermeisten Attacken endeten mit Körperverletzungen (46). Zu 33 Einsätzen von Messern kam es bei Raubdelikten, zu 36 bei Straftaten gegen die persönliche Freiheit wie Nötigung, Bedrohung oder Nachstellung. Von den Opfern eines Gewaltdelikts mit Messer blieb beinahe jedes zweite unverletzt, rund 42 Prozent wurden leicht, 8,7 Prozent schwer verletzt.
Vergleichbar mit früheren Erhebungen ist die Statistik nicht
Vergleichbar mit den Werten der Vorjahre 2018/2017 ist die aktuelle Entwicklung nicht. Während die PKS als sogenannte Ausgangsstatistik erst seit 2019 ausermittelte Messer-Verfahren unter der Rubrik „Tatmittel“ abbildet, handelt es sich bei Zahlen der beiden Jahre zuvor um eine Bilanz der bei der Behörde angezeigten Straftaten. Nach dieser sogenannten „unbereinigten“ Eingangsstatistik, die die Polizei auf Nachfrage dieser Zeitung händisch ausgewertet hat, zählten die Beamten 2017 insgesamt 130 Straftaten mit Stichwaffen, ein Jahr später waren es auf Essener Stadtgebiet schon 168 Fälle.
Besonders auffällig war der Anstieg von 13 auf 22 Fälle bei „gefährlicher Körperverletzung“ und „gefährlicher Körperverletzung auf Straßen, Wegen oder Plätzen“ von 9 auf 18 Delikte. In 35 der 130 Fälle im Jahre 2017 waren die Tatverdächtigen keine deutschen Staatsbürger, so die Polizei. Im Jahr darauf hatten 62 der 168 Tatverdächtigen keinen deutschen Pass. Damit gingen rund 37 Prozent der Taten auf das Konto Nichtdeutscher, während ihr Anteil an der Essener Bevölkerung weniger als 17 Prozent betrug. Zählt man die Doppelstaater hinzu, waren es rund 27 Prozent.