Essen. Insgesamt ist die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr erneut gesunken. Doch es gibt Deliktfelder, die der Polizei einige Sorgen bereiten.

Corona hat binnen eines Jahres so einige Koordinaten verschoben, offenbar auch die der Kriminellen. In dem Maße, in dem sich die potenziellen Opfer in ihre eigene vier Wände zurückzogen, folgten ihnen die Täter - zumindest virtuell. „Die Tatorte haben sich im vergangenen Jahr ins Internet verlegt“, sagte Essens Kripo-Chef Ralf Wagener am Montag bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik für 2020.

Der Computerbetrug habe merklich zugelegt, während die klassischen Vergehen besonders bei Diebstahlsdelikten (minus 444 Fälle), bei der Straßenkriminalität (minus 520) und den Gewalttaten (minus 7) zurückgingen. Auf den oft menschenleeren Straßen war einfach nicht mehr so viel zu holen.

Insgesamt wurden der Polizei Essen 43.545 Straftaten bekannt. Das ist der niedrigste Stand seit nunmehr drei Jahrzehnten. Im Jahr zuvor gingen noch 47.666 Fälle in die Statistik der Behörde an der Büscherstraße ein. Den größten Anteil an dem Rückgang hatten die sogenannten Schwarzfahrten. Sie brachen immerhin um 50 Prozent ein, Busse und Bahnen blieben leer.

Polizei hatte 2500 Tatverdächtige weniger im Visier

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Insgesamt hatten Ermittler 16.778 Tatverdächtige im Visier. Das sind rund 2500 weniger als in den zwölf Monaten zuvor. Essen, so heißt auch in diesem Jahr die Botschaft von der Büscherstraße, ist eine vergleichsweise sichere Großstadt. Sicherer jedenfalls als Duisburg, Dortmund, Düsseldorf oder Köln, wenn man betrachtet, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner Opfer einer Straftat wurden. Die sogenannte Kriminalitätshäufigkeitszahl, die als ein Indikator für den Grad einer Gefährdung gilt, lag in Düsseldorf bei 9999, in Dortmund bei 9939 und in Essen bei 7472.

„Wir sind aber noch nicht zufrieden“, betonte Wagener. Die Aufklärungsquoten auf vielen Feldern stagnieren seit Jahren und Sorgen machen der Behörde neben der Zunahme von Betrügereien auf den virtuellen Marktplätzen, die mit 716 Fällen binnen eines Jahres um über 20 Prozent zulegten, besonders die sogenannten Straftaten zum Nachteil älterer Menschen. Denn die erreichten im vergangenen Jahr einen neuen traurigen Höchststand.

Ermittelt wurde in 115 Fällen von Kinderpornografie

1747 Delikte, bei denen es falsche Polizisten, Staatsanwälte oder angebliche Enkel in vermeintlichen Notsituationen mit Anrufen aus meist türkischen Callcentern auf das Geld von Seniorinnen und Senioren abgesehen hatten, wurden den Ermittlern bekannt. Polizei-Chef Detlef Köbbel weiß von Fällen, in denen Opfer vierstellige Summen an die skrupellosen Täter verloren haben. Allein der angezeigte Schaden geht in Essen seit Jahren in die Millionen - mit zunehmender Tendenz. Das Dunkelfeld dürfte entsprechend groß sein, weil sich viele der Opfer aus lauter Scham oder Verzweiflung nicht melden.

Betrübt macht den Leitenden Kriminaldirektor aber auch die Entwicklung bei den Sexualdelikten. 618 „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ sind 109 mehr als im vergangenen Jahr und der höchste Stand der vergangenen Dekade. Nachgegangen wurde auch 115 Fällen von Kinderpornografie. Dass es sich damit um 39 Verfahren mehr als im Jahr zuvor handelte, ist vor allem verstärkten Ermittlungen zu verdanken, die das Dunkelfeld etwas aufhellen.

Mehr Körperverletzungen, doch die Gewaltkriminalität ging insgesamt zurück

Demgegenüber sank die Gewaltkriminalität mit 31 Straftaten gegen das Leben insgesamt leicht auf 1711 Delikte. Eine Steigerung von über 400 auf fast 4100 Körperverletzungen mag da nicht ins Bild passen, und der Polizei fehlt bislang auch eine schlüssige Erklärung für diese Entwicklung. Möglicherweise, so Wagener, könnte die Zunahme mit einer höheren Anzeigenbereitschaft zusammenhängen.

Anfängliche Befürchtungen, die häusliche Gewalt könnte sich unter Coronabedingungen ebenfalls Bahn brechen, haben sich aus Sicht der Polizei nicht bestätigt. Wider Erwarten hat sich aber auch der Umstand, dass sich die Essener pandemiebedingt häufiger in ihren eigenen vier Wänden aufgehalten haben, nicht positiv auf die Zahl der Wohnungseinbrüche ausgewirkt. Sie legten um rund 150 auf 1083 zu.

Der weitere Rückgang der Straftaten in Essen insgesamt ist für Polizei-Chef Detlef Köbbel auch „ein Erfolg der sichtbaren Präsenz“, in die allein im vergangenen Jahr 50.000 Personalstunden investiert worden seien. Die Maßnahmen richteten sich vor allem gegen die Clan-Kriminalität, den Rauschgifthandel und sogenannte Tumultdelikte. „Das PP Essen ist an den Brennpunkten immer aktiv“, betonte der Leitende Polizeidirektor.

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