Essen. Tests à la Tübingen sollen den Bürgern ein Stück Bewegungsfreiheit zurückgeben – allerdings beschränkt auf private Feiern in der Gastronomie.

Von Tübingen lernen, heißt: das Corona-Virus ausbremsen können. So jedenfalls hofft man in NRW, wo Ministerpräsident Armin Laschet am Mittwoch nicht ohne Bewunderung auf die Universitätsstadt in Baden-Württemberg schaute und die Erkenntnis ausgab: „Wir brauchen Tübingen überall“. Beim Versuch, (mit) den Bürgern ein Stück Bewegungsfreiheit zurückzuerobern, will Essen mit von der Partie sein, allerdings hat sich die Stadt eine spezielle Nische gesucht: private Feiern in der Gastronomie.

Denn kaum war die Ankündigung des Landes in der Welt, da hagelte es landauf landab schon „Hier!"-Rufe interessierter Kommunen. Zu wollen, was alle wollen, könnte die Aussichten auf einen Zuschlag für die Stadt Essen aber spürbar verringern, vermutet man im Rathaus. Zudem hält Oberbürgermeister Thomas Kufen es für „sinnvoll, dass die Modellstädte sich spezialisieren“. Warum sollten alle das gleiche Testszenario durchspielen? Schließlich „wollen wir allen Branchen sichere Konzepte bieten“, so der OB, und hernach könne man ja voneinander lernen.

Der DEHOGA wäre mit von der Partie: „Private Feiern sind eines der wichtigsten Standbeine“

Hochzeiten und runde Geburtstage, Jubiläen und Familientreffen – davon lebt die Gastronomie, der man seitens der Stadt und der Essen Marketing GmbH (EMG) gerne beispringen will, weil sie angesichts der monatelangen Zwangspause ums Überleben kämpft. Ein großer Zuspruch der potenziellen Gäste gilt als ausgemacht, gerade Hochzeitspaare halten den Gastronomen die Treue, so heißt es, und warten bis die Feier möglich wird.

So funktioniert das Tübinger Modellprojekt


Ein tagesaktueller negativer Corona-Schnelltest dient seit 16. März in Tübingen als „Eintrittskarte“ für Läden und Friseursalons, für Kinos, Kulturbetriebe und die Außengastronomie. Hinzu kommen weitere Hygiene-Auflagen, etwa eine begrenzte Ausnutzung der jeweiligen örtlichen Platzkapazität, Maskenpflicht etcetera.

Das Modellprojekt, das zunächst bis zum 4. April laufen soll, wird durch die Universität Tübingen wissenschaftlich begleitet, um die Entwicklung der Corona-Inzidenz zu überprüfen und daraus konkrete Empfehlungen für andere Regionen und das Land abzuleiten. Die Stadt Tübingen hat eine Inzidenz von um die 30, der Landkreis liegt allerdings weit darüber.

Konkret plant die Stadt, mit ihrer Marketinggesellschaft einige Orte im Freien auszuweisen, an denen private Feiern unter Hygieneauflagen durchgeführt werden können. Hierzu soll bereits in der kommenden Woche eine Umfrage an Gastronomen verschickt werden, um ein Gefühl für den Bedarf zu bekommen. Der Gastronomie- und Hotellerie-Verband DEHOGA steht dabei an der Seite der EMG, um das Projekt zu forcieren: „Für die Gastronomie sind private Feiern eines der wichtigsten Standbeine und sollten schnell wieder möglich werden“, sagt Thomas Kolaric, Geschäftsführer beim DEHOGA Nordrhein: Das Testen à la Tübingen sei kein Hindernis, „das lässt sich alles organisieren“.

Noch im April und Mai könnten erste Testveranstaltungen über die Bühne gehen

So hätten sich bei der Stadt wie auch bei der EMG bereits mehrere Gastronomen gemeldet und angeboten, Testveranstaltungen durchzuführen. Sobald die Regularien durch das Land geklärt sind, will Essen sich offiziell bewerben und noch im April und Mai loslegen. Dabei sollen nicht nur massenhafte Corona-Tests im Mittelpunkt stehen, die in Tübingen als „Eintrittskarte“ für Außengastronomie, Kino und Kulturevents dienen. Auch eine elektronische Kontaktverfolgung soll zum Einsatz kommen. „Wir haben in Essen die passenden Partner, um verschiedene Szenarien und Formate kurzfristig durchzuführen“, sagt EMG-Geschäftsführer Richard Röhrhoff.

Parallel dazu arbeitet Essen Marketing auch an einem Konzept, ab dem Frühsommer Open Air-Spielstätten, etwa im Grugapark, öffnen zu können – sofern die geltende Corona-Schutzverordnung das erlaubt. Veranstalter könnten dann auf eine vorhandene Infrastruktur zurückgreifen, auf Bestuhlung, abgestimmte Hygiene-Konzepte und mehr. Dass eine Umfrage des Kulturbüros jüngst einen eher überschaubaren Rücklauf bescherte, ficht EMG-Chef Röhrhoff nicht an: „Die meisten wollen am liebsten in ihren Räumlichkeiten Veranstaltungen durchführen, das ist doch klar.“ So weit aber ist man noch nicht.

Nicht mal in Tübingen.