Essen. Birgit Hartings ist die Stolpersteinbeauftragte in Essen. Im Interview spricht sie über die neuen Entwicklungen der Gedenkaktion.
Seit den 90er Jahren verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig Stolpersteine, um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Die Messingtafeln, die ihren Platz vor ihrem letzten Wohnort finden, tragen den Namen der Menschen. Die Intention, die damit verbunden ist, bringt Demnig in dem Satz zum Ausdruck. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“
In Essen betreut der Historische Verein für Stadt und Stift Essen die Aktion seit 2004. Redakteur Theo Körner sprach mit der Stolpersteinbeauftragten Birgit Hartings über ihre Arbeit.
Gunter Demnig war im Herbst in Essen und hat 20 Stolpersteine verlegt. Hat er dazu die Initiative ergriffen oder wer hat sich dafür eingesetzt?
In aller Regel sind es Arbeitskreise, Vereine, Parteien, Einzelpersonen oder auch Gedenkstätten, die die Verlegung von Stolpersteinen anregen. In meiner Funktion als Stolpersteinbeauftragte des Historischen Vereins setze ich mich mit der „Stiftung – Spuren – Gunter Demnig“ in Verbindung, die letztlich auch die Besuche Gunter Demnigs in den Städten und Gemeinden plant. Bei der Aktion jetzt in Essen waren es unter anderem Nachfahren der Opfer, die die Initiative für die Verlegung ergriffen haben oder – wie das Beispiel Helmholtz-Gymnasium zeigt, eine Schule. In den letzten Jahren sind es immer häufiger Angehörige, die Stolpersteine wünschen.
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Wer legt denn eigentlich fest, was auf der Inschrift steht?
Dazu erfolgt eine Abstimmung mit Karin Richert, Fotografin und Mitarbeiterin der Stiftung. Die letzte Entscheidung über den Wortlaut trifft Gunter Demnig.
Betreiben auch Sie Recherche zu den jeweiligen Opfern?
Es gehört zu meinen wesentlichen Aufgaben, mich um alle notwendigen Daten zu kümmern, auch die richtige Schreibweise des Namens wie auch den letzten Wohnort in Essen herauszufinden, da dieser für den Verlegeort entscheidend ist. Zudem schreibe ich auch Biografien über die Opfer und halte Kontakt zu Angehörigen und Paten.
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Wie viele Stolpersteine sind eigentlich mittlerweile in Essen verlegt worden?
Zusammen mit den 20 sind es inzwischen 380. Die ersten Stolpersteine, die vor 16 Jahren in Essen verlegt wurden, erinnern an Alfred und Emma Cussel und ihre Söhne Leo und Walter, die zuletzt in dem „Judenhaus“ Kastanienallee 80, heute ungefähr Nr. 86, lebten und von den Nationalsozialisten umgebracht wurden. Häufig sind bei den Verlegungen auch Angehörige zugegen. Wegen Corona durften dieses Mal aber Verwandte aus Israel, Argentinien oder den USA nicht einreisen.
In den vergangenen Jahren hat antisemitisch motivierte Gewalt in Deutschland zugenommen. Hier lebende Juden fühlen sich verunsichert, verängstigt. Macht sich auch in ihrer Arbeit diese Entwicklung bemerkbar?
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Bewusste Beschädigungen von Stolpersteinen, die glücklicherweise nur sehr selten vorkommen, scheinen eher auf versuchten Metalldiebstahl als auf antisemitisch motivierte Zerstörung hinzuweisen. Auch bei Verlegungen ist es noch nicht zu nennenswerten Anfeindungen gekommen. Vielmehr ist das Interesse an Patenschaften für Stolpersteine gewachsen. Besonders interessiert die Menschen das persönliche Umfeld. So gehen öfter Anfragen zum Schicksal jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger im eigenen Stadtteil oder in der eigenen Straße ein.
Sind schon weitere Stolpersteine in Aussicht?
Die nächsten werden für Albert Heidt und seine Tochter Meta Heidt am Edmund-Körner-Platz 2 verlegt, am Eingang des ehemaligen Rabbinerhauses. Heidt war zusammen mit seinem Sohn Ernst von 1936 bis zur Reichspogromnacht 1938 ehrenamtlich für die Synagogengemeinde tätig. Während die übrige Familie 1941 ins Ausland floh, glaubten Vater und Tochter an bessere Zeiten. 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert. Die in Ecuador lebende Familie hat den Stolperstein initiiert.