Essen. Beim geplanten Klinik-Neubau für psychisch kranke und suchtkranke Straftäterinnen rechnet die Politik in Heidhausen mit emotionalen Diskussionen.

In Essen-Heidhausen hat es bereits die Runde gemacht: Auf dem Gelände der ehemaligen Klinik des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) an der Barkhovenallee ist der Neubau eines psychiatrischen Krankenhauses geplant. Untergebracht werden sollen dort psychisch kranke und suchtkranke Straftäterinnen.

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) des Landes NRW habe die Stadt Essen über diese Pläne im Stadtteil Heidhausen informiert, teilt Stadtsprecherin Silke Lenz auf Anfrage mit. Der LVR werde Betreiber der forensischen Einrichtung sein, insgesamt sollen 69 Plätze ausschließlich für Patientinnen zur Verfügung gestellt werden.

Einbeziehung der Menschen vor Ort durch Planungsbeirat

Dazu Oberbürgermeister Thomas Kufen: „An der grundsätzlichen Notwendigkeit, Angebote einer intensiven strafrechtsbezogenen Betreuung auszuweiten, besteht kein Zweifel. Es gibt aktuell nicht ausreichend Plätze.“ Man stehe am Beginn einer Projektentwicklung und die Stadt müsse sich das Konzept detailliert vorstellen lassen. Im weiteren Prozess sei eine Beteiligung von Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft zwingende Voraussetzung für die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz des Vorhabens.

„Darüber hinaus“, so Oberbürgermeister Thomas Kufen, „erwarte ich ein Höchstmaß an Verbindlichkeit und Transparenz des Landes und des LVR. Das Land hat bereits weitere Informationen angeboten und mitgeteilt, dass auch die Einbeziehung der Menschen vor Ort durch die Einrichtung eines Planungsbeirates, dessen Mitglieder zur Hälfte vom Stadtrat bestimmt werden, beabsichtigt ist.“

Politik hofft auf schnelle und verlässliche Informationen

Sobald konkretere Informationen zum Vorhaben des Landes vorliegen, sollen diese der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Die Politik werde unter anderem in der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Integration (16. März) informiert, so Kufen.

Benjamin Brenk (SPD), stellvertretender Bezirksbürgermeister und selbst in Heidhausen ansässig, kann sich vorstellen, dass dieses Thema „vielfältige Emotionen auslösen wird“. Er erhoffe sich, dass in den politischen Gremien möglichst bald handfeste Informationen folgen, was auf dem Gelände passieren soll. „Ausgewiesen ist das Gelände ja für eine psychiatrische Klinik.“

Neubau wird viele Fragen bei den Bürgern aufwerfen

Auch Dirk Kalweit, stellvertretender Vorsitzender und sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, findet, dass sensibel reagiert werden müsse: „Im Bereich der strafrechtsbezogenen Unterbringung stehen momentan nicht genügend Plätze für die notwendige psychiatrische Versorgung dieses Personenkreises zur Verfügung. Dennoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ein Neubau einer solchen Einrichtung bei den Bürgern vor Ort viele Fragen aufwerfen wird.“

Kliniken dienen auch der Forschung und Lehre

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) ist Träger neun psychiatrischer Kliniken und einer Klinik für Orthopädie, wobei die Kliniken in Bonn, Essen, Köln und Düsseldorf zugleich universitär forschen und lehren.

Im LVR-Klinikverbund werden pro Jahr 60.000 Menschen versorgt. Psychisch kranke Straffällige werden in den Abteilungen für Maßregelvollzug in Bedburg-Hau, Düren, Köln, Langenfeld, Viersen und Essen behandelt.

Yannick Lubisch, CDU-Ratsherr für Heidhausen, ergänzt: „Die Tatsache, dass das hierfür vorgesehene landeseigene Grundstück in unserem Stadtteil Heidhausen in unmittelbarer Nähe zu Schulen, Kindergärten und Wohngebieten liegt, wirft für uns Heidhauser aber nicht nur viele Fragen auf, sondern bereitet uns auch Sorgen, die es ernst zu nehmen gilt. Daher erwarten wir zunächst, umfassend und transparent informiert zu werden.“ Zwar befände man sich noch ganz am Anfang des Prozesses, benötige aber dennoch eine belastbare Faktenlage. Es müsse insbesondere auch die Frage beantwortet werden, warum die Wahl auf den nun vorgesehenen Standort gefallen ist und ob es Alternativen gegeben hätte.

Nötige Akzeptanz für Forensik-Neubau schaffen

„Wir sind uns bewusst, dass für ein psychiatrisches Behandlungszentrum für Straftäterinnen die nötige Akzeptanz geschaffen werden muss. Im Zusammenhang mit dem Forensik-Neubau in Rüttenscheid habe ich selbst die Erfahrung gemacht, dass dies gelingen kann, wenn im begleitenden Planungsbeirat alle gesellschaftlich relevanten Gruppen vertreten sind“, sagt Rolf Fliß, Bürgermeister und Mitglied der Grünen in der LVR-Verbandsversammlung.

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Auf die Situation der Frauen geht Dorothea Blümer, baupolitische Sprecherin der Ratsfraktion der Grünen, ein. „Der Bedarf an Therapieplätzen für Frauen, die schwere rechtswidrige Taten verüben, aber die gleichzeitig aufgrund einer psychischen Störung oder Erkrankung nicht schuldfähig sind, ist in den letzten Jahrzehnten größer geworden. Der nun hier in Essen geplante Bau einer Klinik speziell für diesen Personenkreis ist eine Herausforderung, denn es wird das erste Krankenhaus dieser Art nur für Frauen sein.“

Es müssten viele Aspekte und Bedürfnisse so zusammengebracht werden, dass den Patientinnen geholfen werden könne, und dass gleichzeitig die Menschen, die in der Umgebung der Klinik wohnen, „durch einen transparenten, auf Vertrauensbildung ausgerichteten Planungsprozess so mitgenommen werden, dass sie sich dauerhaft als Nachbarn sicher wissen.“

Stadt mietete Gebäude als Notunterkunft für Flüchtlinge

Der Landschaftsverband Rheinland hatte den Standort seiner psychotherapeutischen Klinik an der Barkhovenallee in Heidhausen im Jahr 2014 aufgegeben. Ein Jahr später, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle, mietete die Stadt Essen das Gebäude als Notunterkunft für Asylsuchende an, damit die damals belegten städtischen Turnhallen schnell wieder freigezogen werden konnten.

Im Klinikgebäude lebten dann bis 2017 überwiegend Familien mit kleineren Kindern, die vom Verein „Werden hilft“ betreut wurden. Inzwischen steht das Gebäude schon seit längerem leer.