Essen. Nicht in Düsseldorf, sondern in Essen: Das geplante Bundesinstitut für Fotografie soll nun auf dem Gelände der Zeche Zollverein entstehen.
Essen soll das Fotogedächtnis der Republik beherbergen. Ein Jahr nach der Empfehlung der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters beauftragten Expertenkommission spricht sich nun auch eine vom Bund in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie für Essen als Standort eines künftigen Bundesinstituts für Fotografie aus.
Die Studie der Beratungsagentur Partnerschaft Deutschland war seit Wochen mit Spannung erwartet worden. Sie galt als Zünglein an der Waage im Zweikampf zwischen Essen und Düsseldorf. Am Rhein hatte man sich ebenfalls um das bundesweite Renommee-Projekt beworben und bis zur Experten-Entscheidung im vergangenen Frühjahr eigentlich schon als Sieger gesehen. Sogar ein entsprechender Standort am Rheinufer war bereits ausgeguckt. Das 82-seitige Gutachten kommt nun allerdings zu einem anderen Ergebnis.
Essen: Hervorragende Vernetzung im Bereich Fotografie
Essen sei seit mehr als 100 Jahren ein wichtiger Standort der Fotografie in Deutschland und verfüge mit dem Historischen Archiv Krupp, dem Museum Folkwang, der Stiftung Ruhr Museum und der Folkwang Universität der Künste über eine hervorragende Vernetzung im Bereich der Fotografie, heißt es in dem Papier.
Laut Studie spricht für den vorgeschlagenen Standort auf dem Gelände der Zeche Zollverein auch, dass die Realisierung des Gebäudes mit entsprechendem Flächenbedarf dort sehr gut möglich sei. Erst Anfang Februar hatte sich der Essener Rat in einer Dringlichkeitsentscheidung für den Erwerb eines Grundstücks auf dem Zollverein-Areal als Standort für das Bundeszentrum ausgesprochen. Ausgeguckt ist ein Areal vis-a-vis der Folkwang Universität der Künste.
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Im Unterschied zum ebenfalls mit gleicher Tiefenschärfe untersuchten Standort am Düsseldorfer Ehrenhof könne in Essen vor allem eine unterirdische Unterbringung von Archiv-Flächen vermieden werden, heißt es in der Studie. Millionen von empfindlichen Materialien müssen in Zukunft gelagert werden. Die in Düsseldorf vorgesehene Grundfläche wäre außerdem zu klein und ein zweiter Standort für wesentliche Teile der Depots erforderlich, urteilen die Experten.
Institut soll unter anderem Nachlässe wichtiger Fotografen sichern
Das neue Institut soll unter anderem Nachlässe wichtiger Fotografen in Deutschland sichern und die Forschung in Fragen der Restaurierung und Konservierung vorantreiben. Die Kosten für das Bundesinstitut werden der Studie zufolge auf etwa 125 Millionen Euro beziffert. Auch der vorgeschlagene Stellenplan unterstreicht den Anspruch des neuen Instituts, mehr als 50 Mitarbeiter sollen sich um Arbeitsbereiche wie „Konservierung/Digitalisierung“, „Sammlung/Ausstellung“ und „Forschung“ kümmern. 2027 soll das Fotoinstitut fertiggestellt werden
In Essen löste die Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie am Freitag helle Freude aus. „Wir sehen darin unser jahrzehntelanges Engagement für die Fotografie bestätigt“, sagt Oberbürgermeister Thomas Kufen. „Ein Bundesinstitut für Fotografie ist nicht nur eine hohe Auszeichnung, es passt auch sehr gut nach Essen.“
Folkwang Museums-Direktor spricht von „gutem Tag für die Fotografie“
Dem schließt sich auch Folkwang Museums-Direktor Peter Gorschlüter an: „Wir sind der Überzeugung, dass Essen mit seiner langjährigen Fotografie-Tradition ein geeigneter und würdiger Standort für das Bundesinstitut sein wird“. Er spricht vor allem von einem „guten Tag für die Fotografie“, denn das kulturelle Erbe der Fotografie sei kein lokales oder regionales Thema, sondern eines von nationaler und internationaler Bedeutung.
„Nicht zuletzt haben sich deshalb die beiden möglichen Standorte einen umkämpften, aber fairen Schlagabtausch geliefert. In Zukunft wird es darum gehen, die Standortfrage hinter sich zu lassen und die vielfältigen Akteure und Mitstreiter mit ihren Expertisen und berechtigten Anliegen an einen Tisch zu bringen“, betont der Folkwang-Chef.
Der Satz dürfte auch eine Einladung an die Initiative um Foto-Star Andreas Gursky sein, der seine Pläne eines „Deutschen Fotoinstituts“ in den vergangenen Wochen und Monaten vorangetrieben hatten. Auch der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte Ende 2019 bereits 41,5 Millionen Euro für das geplante Institut mit Standort Düsseldorf bewilligt. Die Stadt Düsseldorf und das Land NRW sicherten damals eine Kofinanzierung zu.
Das Vorpreschen hatte für Irritationen gesorgt, auch bei Kulturstaatsministerin Grütters, die im Deutschlandfunk nun ankündigte, sie werde noch einmal versuchen, die Missverständnisse zwischen Essen und Düsseldorf auszuräumen, damit die Standortfrage nicht die Sachdebatte überlagere: Jetzt zähle der Wille zu einer gemeinsamen Haltung im Interesse der Fotokunst in Deutschland zu gelangen.