Essen. Hausärzte aus Essen wollen nun endlich in ihren Praxen impfen, um gegen das Virus mehr Tempo zu machen. Sorgen macht der Zwang zur Priorisierung.

Sie wollen endlich in ihren Praxen impfen, viele Menschen und das möglichst schnell: Die niedergelassenen Ärzte in Essen fordern bei der Impfstrategie mehr Tempo. „Wir müssen gerade auch mit dem Blick auf andere Länder, in denen deutlich schneller und zielgerichteter geimpft wird, jetzt Strecke machen“, sagt Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein, die auch für Essen zuständig ist. Bis es soweit ist, wird es aber noch dauern.

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Dr. Michael Hill, Allgemeinmediziner in Borbeck, und viele seiner Kollegen verstehen ihren Impf-Beitrag in den Praxen als „Verpflichtung den Patienten gegenüber.“ Allerdings fürchten sie bei allem Wunsch nach Geschwindigkeit die Tücken der Priorisierung: „Das gibt ein Hauen und Stechen“, so Hill, wenn Hausärzte darüber entscheiden müssten, wer geimpft wird und wer nicht. Auf eine Priorisierung werden Bund und Land die Hausarztpraxen aber wohl festlegen wollen – freies Piksen nach dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ würde die ganze derzeit geltende Impfordnung über den Haufen werfen.

Laumann: Chronisch Kranke sollen von Hausärzten geimpft werden

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann gab am Donnerstagmittag einen Überblick der Gesamtsituation. Demnach sollen Hausärzte in NRW ab Ende März vom Land mit Corona-Impfstoffen beliefert werden, bevor der Bund ab Mitte April die Versorgung der Hausarztpraxen mit Impfstoffen übernehmen werde.

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Wie viel Impfstoff in die einzelnen Kommunen kommt, richtet sich laut Laumann nach einem Bevölkerungsschlüssel. Der CDU-Politiker teilte auf einer Pressekonferenz mit, dass auf Grundlage eines Treffens seiner Länderkollegen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) chronisch kranke Menschen von den Hausärzten bevorzugt geimpft werden sollen. „Die wissen, wer chronisch krank“, sagte der Minister.

„Die Diskussionen werden in die Praxen kommen“

Und da wären wir bei dem Konflikt, den Dr. Michael Hill, stellv. Vorsitzender der KV Nordrhein in Essen, schon jetzt fürchtet: „Die Diskussionen werden in die Praxen kommen. Warum wird mein Nachbar geimpft und ich nicht?“ Herz- und Lungenkrankheiten seien noch recht einfache Faktoren, aber ansonsten? „Auch andere Patienten werden sagen, sie seien gefährdet.“

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Hills Bedenken decken sich mit denen von Dr. Frank Bergmann (KV) Nordrhein. „Diskussionen um die richtige Impf-Reihenfolge und öffentlich ausgetragene Neiddebatten bringen uns an der Stelle einfach nicht weiter – das Impfen selbst ist entscheidend. Die Praxen können in Summe gesehen deutlich mehr Menschen impfen als die personell und finanziell eher aufwendigen Impfzentren.“ Wichtig sei bei der Frage der Impfungen durch Hausärzte, dass nicht „mit bürokratischen Hindernissen und umfangreichen Impf-Dokumentationen überfrachtet werden“, teilte Bergmann mit.

Auch Impfzentrums-Chef fordert rasche Beteiligung der Hausärzte

Auch der Leiter des Essener Impfzentrums, Dr. Stefan Steinmetz, wirbt offensiv dafür, die niedergelassenen Ärzte endlich zu beteiligen. „Ich bin sehr enttäuscht, dass es nun heißt, nicht vor Mitte April“, so Steinmetz. Es gebe überhaupt keinen Grund, an der Kompetenz der Hausärzte zu zweifeln, beispielsweise würden diese seit Jahren routiniert gegen Grippe impfen. Steinmetz, der früher selbst eine Praxis führte, verweist darauf, dass das Impfzentrum kaum noch aufgestockt werden könne. Vor allem sei dies aber wegen der funktionierenden Hausarzt-Strukturen auch gar nicht nötig.

Wie viele Arztpraxen in Essen genau dazu bereit wären, gegen Corona zu impfen, lässt sich nicht genau beziffern. Auf Nachfrage heißt es seitens der KV Nordrhein, dass es insgesamt 503 Arztpraxen in Essen gebe. An einer jüngsten Umfrage, wer bereit wäre zu impfen, nahmen 260 von diesen Praxen teil, 245 davon waren positiv gestimmt.

Apotheker stehen für Impfstofflogistik bereit

Wie bekommt man aber den Impfstoff in die Praxen? „Die Apotheker stehen Gewehr bei Fuß“, sagt Dr. Rolf-Günther Westhaus, Sprecher der Essener Apotheker. „Wir nehmen die Logistik gerne mit in die Hand. Das ist ja unser eigentliches Geschäft.“ Fernab der FFP2-Masken-Verteilung oder der Debatte um verfügbare Schnelltests. Mit Blick auf die Impfstoffverteilung sagt Westhaus aber eindeutig: „Dafür lassen wir uns gerne in Beschlag nehmen.“

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Auch die anderen Impfstoffe, beispielsweise gegen Diphtherie, Tetanus odder Hepatitis gelangten über Apotheken in die Arztpraxen. Am Beispiel Grippeimpfstoff verdeutlicht Westhaus, um was für Dimensionen es geht. Alleine in seiner Apotheke in Überruhr seien das „gut 3000 Grippeimpfstoffe pro Saison“. Ende 2020 gab es laut Stadt 132 Apotheken in Essen. Zwar würde nicht jede Apotheke die Zahl von 3000 verteilen, aber der Wert diene zur Orientierung, so Westhaus.

Wie das mit der Abrechnung laufe, müsse dann übergeordnet entschieden werden, über die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) auf Bundesebene. Wichtig ist Westhaus – wie auch den Hausärzten – dass das Ganze Thema Impfungen in Hausarztpraxen unbürokratisch ablaufe. „Es muss da jetzt einfach mal losgehen. Aber dafür“, ergänzt der Apotheker, „muss auch erstmal Impfstoff da sein“.