Essen. Corona stellt Essener Folkwang-Uni vor große Herausforderungen. Finanzielle Not vieler Studenten wird zumindest durch Stiftungsgelder gemildert.

Seine zweite Amtszeit im April wird für Prof. Dr. Andreas Jacob wohl so beginnen, wie die erste zu Ende geht: unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie. Denn kaum hatte der Senat der Folkwang Universität der Künste den amtierenden Rektor im Oktober 2020 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt, da zeichneten sich auch schon neue Beschränkungen für den Studienbetrieb an der Essener Folkwang-Uni ab.

War die Zahl der Präsenzveranstaltungen bereits im vergangenen Sommersemester stark eingeschränkt, musste die Hochschule im Dezember schließlich vollständig in den digitalen Betrieb wechseln. Der zunächst bis zum 14. Februar andauernde Lockdown macht damit auch an der Folkwang-Uni Präsenzlehrveranstaltungen und Präsenzprüfungen nahezu unmöglich. Für viele Studenten ist das ein echtes Dilemma.

"Tanz kann man kaum digital unterrichten"

Denn Kunst- und Musikhochschulen wie die Folkwang-Uni stellt die Pandemie vor besonders schwierige Herausforderungen. "Tanz kann man kaum digital unterrichten", sagt Jacob. Doch auch für viele andere Bereiche der Universität bedeutet der Studienbetrieb unter rein virtuellen Vorzeichen enorme Einschränkungen - nicht nur in Studiengängen wie Schauspiel oder Musical, deren Abschlussprüfungen zuletzt nicht einmal mehr vor handverlesenem Publikum stattfinden konnten. Das Streamen von Konzerten und Theateraufführungen sei zwar eine Möglichkeit, aber manchmal doch kein gleichwertiger Ersatz: "Es geht ja auch um Resonanz und Interaktion. Die Studierenden müssen konkrete Bühnenerfahrungen machen. Da können wir aktuell nur simulieren", bedauert der Folkwang-Rektor.

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Langfristig gesehen hätten die Pandemie-bedingten Einschränkungen aber auch für einen Modernisierungsschub gesorgt, erklärt der Professor für Musikgeschichte. Manche digitalen Formate, die zunächst als Notlösung gedacht waren, hätten sich sogar als echte Entdeckungen entpuppt, so Jacob, vor allem im gestalterischen Bereich. "Da entstehen neue künstlerische Ansätze." Jacob schließt nicht aus, dass sich der Umgang mit digitalen Formaten langfristig auch im Lehrplan niederschlägt.

Weniger Erstsemester-Studenten wegen der Einreisebeschränkungen

Doch nicht nur die Vielfalt der Studienangebote, auch die Vielfalt der Nationalitäten macht normalerweise das besondere Flair der Folkwang-Uni aus. Das Corona-Jahr 2020 mit seinen Einreisebeschränkungen und Quarantäne-Bestimmungen hat deshalb auch Auswirkungen auf die Bewerberzahl gehabt. Zwar habe man die ersten musikalischen Bewerbungsrunden noch digital durchgeführt. Um die handverlesenen Studienplätze im Bereich wie Schauspiel oder Pantomime zu vergeben, brauche es aber mehr als eine Videoschalte, sagt Jacob.

So sind im Wintersemester 20/21 diesmal etwas weniger Erstsemester-Studenten als sonst üblich eingeschrieben. Insgesamt sei die Studierendenzahl aber stabil, da viele Folkwängler ihren Abschluss aufgeschoben und noch ein Semester drangehängt hätten. "Wissend, dass es auf dem Berufsmarkt momentan sowieso schwierig ist", sagt der Rektor.

Mehrere Stiftungen unterstützen die in Not geratenen Studenten

Schon jetzt setzt die Pandemie viele Studenten wirtschaftlich stark unter Druck, weil Aushilfs-Jobs in der Gastronomie oder auch Auftritte als Musiker oder Sänger weggefallen sind. Jacob ist deshalb froh, dass gleich eine ganze Reihe von Stiftungen in Not geratene Studenten unterstützen. Neben dem eigenen Förderverein der Folkwang Universität haben auch die Krupp-Stiftung und die Ernst von Siemens Musikstiftung seit Ausbruch der Pandemie rund 215.000 Euro zur Verfügung gestellt. Dank einer weiteren Spende der Ernst-von Siemens-Stiftung und der Meyer-Struckmann-Stiftung konnte der Hilfsfonds zuletzt noch einmal um knapp 100.000 Euro aufgestockt werden.

Neben den wirtschaftlichen Folgen leiden viele Folkwang-Studierende derzeit aber vor allem unter den künstlerischen Einschränkungen, weiß auch Jacob. Austausch, Begegnung und Zusammenspiel, drei wesentliche Bestandteile der interdisziplinären Folkwang-Ausbildung, konnten in den vergangenen Monaten, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt ermöglicht werden. Weil aber gerade Musiker und Tänzer Probemöglichkeiten brauchen und nicht nur aus Rücksicht auf die Nachbarn oft auf Hochschul-Räume angewiesen sind, gab es zuletzt sogar Überlegungen, durch Anmietung weiterer Räume mehr Platz zum Proben mit Abstand zu schaffen.

Folkwang-Uni kooperiert mit Kultureinrichtungen der Region

Bislang seien konkrete Verhandlungen allerdings nicht notwendig geworden, berichtet der Folkwang-Rektor. "Da haben wir den Vorteil, dass wir keine unförmige große Organisation sind, die tausende von Studenten unterbringen muss", sagt Jacob. Und hofft, im Laufe der zweiten Amtszeit, die im April beginnt, nicht nur Corona-Krisenmanager sein zu müssen, sondern vieles von dem, was in der ersten Amtszeit angeschoben worden ist, nun auch sichtbar machen zu können. Dazu gehören auch eine Reihe von praxisorientierten Kooperationen mit Kultureinrichtungen der Region, wie beispielsweise mit dem Museum Folkwang, den Ruhrfestspielen, der Essener Theater und Philharmonie oder Pact Zollverein.

>>>>>> Zur Person

Andreas Jacob hat selber an der Folkwang-Universität Evangelische Kirchenmusik studiert, danach Musikwissenschaft, Philosophie und Psychologie. 2009 wurde er als Professor für Musikwissenschaft an die Folkwang-Uni berufen, von 2013 bis 2015 war er Dekan des Fachbereichs 2. Seit 2017 ist er Rektor der Folkwang-Uni.

Jacob betont den Stellenwert von Kultur gerade in Zeiten der Pandemie. In der Corona-Zeit sei vielen der Wert von Kultur erst richtig gewusst geworden, so der 53-Jährige. "Als hohes Gut, das sonst wie selbstverständlich nebenher lief. Da befinden wir uns in Deutschland in einer wirklich privilegierten Situation. Das wurde jetzt vielen klar."

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