Essen. . Andreas Jacob ist neuer Rektor der Folkwang Universität der Künste. Ein Gespräch über kreative Kollaboration, Talentförderung und das Steigerlied

Der neue Rektor der Folkwang Universität der Künste kennt seine alte Hochschule gut: Von 1988 bis 1992 hat Andreas Jacob in Werden Evangelische Kirchenmusik studiert, danach Musikwissenschaft, Philosophie und Psychologie. Nach Lehrtätigkeiten an unterschiedlichen Hochschulen wurde Jacob 2009 als Professor für Musikwissenschaft an die Folkwang-Uni berufen, von 2013 bis 2015 war er Dekan des Fachbereichs 2. Der 49-Jährige folgt als Folkwang-Rektor auf Prof. Kurt Mehnert, der auf den Lehrstuhl für Industrial Design im Fachbereich Gestaltung zurückkehrt. Über seine Pläne sprach Andreas Jacob mit Martina Schürmann.

Herr Jacob, die Folkwang-Uni feiert in diesem Jahr das 90-jährige Jubiläum unter dem Motto „Folkwang ist . . .“ Wie lautet Ihre Ergänzung?

Die Folkwang Universität ist für mich ein Ort für Experimente, an denen man seine Kreativität entwickeln kann, sie aber auch zu professionellen Resultaten führt. Folkwang ist in NRW die Kunst- und Musikhochschule mit dem größten Fächerspektrum und den meisten Studierenden, das bietet viel Raum für Interaktionen und Kollaborationen. Interdisziplinäres Denken und Handeln muss hier gar nicht verordnet werden, vieles geschieht durch den alltäglichen Kontakt.

Ein Beispiel für die Vernetzung der künstlerischen Ausbildung sind die Folkwang LABs. Sie selber haben 2010 eines der ersten interdisziplinären Projekte verantwortet. Was leisten diese LABs?

Für mich zählt vor allem das Zusammenwirken von künstlerischer Praxis und wissenschaftlicher Reflexion. Im Kulturhauptstadtjahr 2010 ging es uns um das kulturelle Handeln im transkulturellen Raum. Weil das Ruhrgebiet durch seine Geschichte eine Region ist, in der sich Menschen verschiedener Herkunft immer wieder begegnet sind und weiter begegnen. Dazu gab es Foto-Projekte, Sound-Scapes in Castrop-Rauxel und die Ruhrlaut-Sonate, erdacht und szenisch umgesetzt.

Der regionale Strukturwandel wird zum musikalischen Problem

Das „Sweet Home“-Symposium, das heute auf Zollverein stattfindet, ist damit eine Weiterführung?

In gewisser Weise schon. Das Thema „Heimat“ ist diesmal aber nicht nur aufs Ruhrgebiet bezogen, wir haben dazu auch Judaisten, Experten für amerikanische Literatur und Musikwissenschaftler eingeladen. Künstler aus Syrien reflektieren in ihren Werken den Verlust der Heimat, Studierende finden ihren künstlerischen Zugang zum Thema Ankommen an einem fremden Ort. Ich selber werde etwas zum Ruhrgebiet machen, über das Steigerlied: Da wird der regionale Strukturwandel zum musikalischen Problem. Denn was passiert, wenn der Steiger ab 2018 gar nicht mehr kommt?

Folkwang steht seit Karl Ernst Osthaus ja nicht nur für ein künstlerisches, sondern auch für ein gesellschaftspolitisches Wirken. Welche Akzente möchten Sie setzen?

Das erste Jahr wird vor allem von zwei großen Ereignissen geprägt. Da ist zunächst unser 90. Jubiläum, das für geschichtliche Aufarbeitung sorgt, aber auch die Gelegenheit gibt, nach vorne zu schauen. Es dürfte kein Zufall sein, dass es in diesem Jahr überdurchschnittlich viele Symposien gibt. Viele Fachbereiche üben sich in Selbstreflexion, schauen, wie es weitergeht. Beispielsweise beim großen Tanz-Symposium im Oktober. Da geht es auch um Weichenstellungen für die Zukunft. Das zweite Ereignis ist die Eröffnung unseres Neubaus für den Fachbereich Gestaltung auf Zollverein. Wir verstehen uns dort nicht ausschließlich als Akteure auf einem weiteren Folkwang Campus, sondern als Mitgestalter für Stadtteilentwicklungsprozesse. Wir sprechen mit allen Akteuren von PACT Zollverein über die Stiftung Zollverein bis zum Ruhr Museum und wollen ausloten, welches kreative Potenzial wir gemeinsam entfalten können.

„Wir wollen künftig gezielt junge Talente fördern“

Die Folkwang-Uni hat inzwischen mehrere Standorte, vom Theaterzentrum in Bochum bis zur Alten Musik und Klavier in Duisburg. Gibt es weitere Kooperationspläne?

Ich denke, der dynamische Prozess wird weitergehen. Mit dem Museum Folkwang besiegeln wir gerade per Kooperationsvertrag eine Konzertreihe. Außerdem wollen wir künftig gezielt junge Talente fördern in Zusammenarbeit mit den Musikschulen der Region.

Bei der Rektorenwahl waren Sie der einzige Folkwang-Amtsanwärter neben drei externen Bewerbern. Was hat Sie persönlich bewogen?

Es war eine Sache von Bindung an die Hochschule, die ich seit Studienzeiten kenne. Man hat mir zum Amtsantritt gespiegelt, dass man gerne einen internen Nachfolger finden wollte, der Fragen und Probleme der Uni kennt. Ich habe mich aus Überzeugung dazu entschlossen, um die Uni in den nächsten vier Jahren weiter voranzuführen.