Essen. Die Folkwang-Universität in Essen-Werden hat einen deutschlandweit einzigartigen Studiengang: Aus der Pantomime wurde das Physical Theatre.

Sie sind die stillen Stars des Bühnenbetriebes und sie sind ein kleines, exklusives Trüppchen. Das kann man schon daran erkennen, dass man das Körpertheater in Deutschland nur an einer einzigen Hochschule studieren kann – in der Folkwang-Universität in Essen-Werden. 1965 wurde die Hauptfachklasse Pantomime von Bettina Falkenberg und Günter Titt gegründet. In diesem Semester feiert man das 50. Jubiläum.

Prof. Thomas Stich, der den Studiengang nach Peter Siefert und Milan Sladek seit zehn Jahren leitet, kann sich bis heute keinen besseren Ausbildungsort vorstellen als diese Hochschule, an der sich die Musen ohnehin immerzu die Hand reichen: der Tanz und die Musik, das Schauspiel und der Gesang. Die Kunst der Pantomime hat sich da ganz und gar symbiotisch eingefügt. Bis 1980 gab es für Mimen und Schauspieler sogar die Möglichkeit des Doppelstudiums.

Nur der eigene Körper und die Phantasie

Das Grundstudium wird inzwischen wieder weitestgehend parallel geführt, aber der Ansatz der Ausbildung sei trotzdem „radikal anders“, erklärt Stich. Es gibt nun mal keinen Shakespeare, Schiller, Schimmelpfennig, auf den man sich im Spiel berufen kann, sondern nur den eigenen Körper und die Phantasie. „Wir gehen konsequent in die Autorenschaft, das tut auch weh“, sagt Stich.

Das Jubiläumsprogramm

„Fifty! Fifty!! Fifty!!! heißt es am 17. April, 19.30 Uhr. Der früherer Pantomimen-Professor Peter Siefert zeigt das Remake seines ersten Soloprogramms.

In „Short Cuts“ zeigen Studierende am 8./9. Mai, um 19.30 Uhr Solo- und Duo-Arbeiten.

Die Jubiläumsproduktion feiert am 29. Mai in der Neuen Aula Premiere.

Physical Theatre- und Mime-Schulen treffen sich vom 28. bis 30. Juni.

Anspruchsvoll ist die vierjährige Ausbildung und trotzdem bewerben sich pro Jahr 60 bis 70 Aspiranten auf die vier begehrten Studienplätze. Nach Ansicht von Stich könnten es auch 100 sein, um „noch besser auswählen zu können“. Und was zeichnet einen guten Pantomimen beim Vorspielen aus? „Die Lust, den Körper einzusetzen, das spürt man sofort.“ Bewegung ist das wichtigste Ausdrucks-Vokabular und deshalb hat Stich auch den „Frevel“ begangen, den Studiengang 2008 umzubenennen.

Studiengang „Physical Theatre“

Aus der klassischen Pantomime wurde das „Physical Theatre“. „Ein notwendiger Schritt“, sagt Stich, einer, mit dem man sich endlich auch vom Übervater Marcel Marceau abwenden wollte. „Er hat die Pantomime zur Weltkunst gemacht, aber in seinem Schatten konnte nichts anderes wachsen.“

Heute ist der Begriff „Physical Theatre“ international anerkannt und hat die Körperkunst aus ihrer stilistischen Enge befreit. Zwar gibt es immer noch die traditionellen Ausbildungsinhalte, aber es gibt auch neue Bausteine. Dazu gehört auch die Sprache, die in der Ausbildung der „stillen Künstler“ fast genauso gründlich unterrichtet wird wie bei den Schauspielern. Ein Paradox auf den ersten Blick, aber eines, das sich am Markt orientiert.

Die Auftrittsmöglichkeiten sind begrenzt. Manche Absolventen gehen ins Kinder- und Jugendtheater, manche werden Regisseure, wechseln in Tanz- oder Maskentheater wie die weltberühmte Familie Flöz, der bislang wohl prominentesten Absolventen des Essener Studiengangs. Der Erfolg, sagt Stich, komme durchs „Anderssein“. Den Mut haben, aufzufallen, auch das muss man erst mal lernen. Stich will deshalb vor allem Künstlerpersönlichkeiten ausbilden, „die sich auf dem freien Markt behaupten.“