Essen. Essener Ärzte schreiben einen Brandbrief an die Politik: Durch die Klinikschließungen im Norden der Stadt seien andere Krankenhäuser überlastet.

In einem Brandbrief wenden sich Essener Ärzte, Hebammen und Pflegekräfte jetzt an Oberbürgermeister Thomas Kufen sowie an den Landes- und den Bundesgesundheitsminister: Nach der Schließung des Marienhospitals in Altenessen schließe der Träger Contilia zum Jahresende bekanntlich auch das St. Vincenz-Krankenhaus in Stoppenberg.

Das sei in Zeiten der Corona-Pandemie unverantwortlich und überlaste die anderen Krankenhäuser. Beispielhaft weisen die Unterzeichner darauf hin, dass das Alfried-Krupp-Krankenhaus über Weihnachten erneut den Kreißsaal schließen müsse.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

„Aktuell werden mehr Krankenhausbetten und mehr Personal als in normalen Zeiten benötigt“, schreiben sie. Die Bevölkerung im Essener Norden sei bereits „nicht mehr ausreichend versorgt“. Hier treffe es ausgerechnet die sozial Schwächeren, „die weniger mobil sind und nicht einfach auf Nachbarstädte ausweichen können“. Die Verfasser schreiben, die Entwicklung mache sie zutiefst betroffen, zumal nicht einmal die Notfallversorgung für das kommende Jahr abschließend geklärt sei.

„Unsere Patienten müssen wir jetzt über die Stadtgrenzen hinausschicken“

Die anderen Essener Kliniken sind nach Ansicht der unterzeichnenden Ärzte, Hebammen und Krankenhausmitarbeiter „weder räumlich noch personell für steigende Belegungszahlen gerüstet“. So deckten Essener Krankenhäuser schon jetzt ambulante Routine-Eingriffe nicht mehr völlig ab: „Unsere Patienten müssen wir jetzt über die Stadtgrenzen hinausschicken.“

Aus aktuellem Anlass weisen gerade die Frauenärzte noch einmal auf die personellen Engpässe bei den noch drei Essener Geburtskliniken hin: Wie berichtet, werben sie alle händeringend um Hebammen. Das Alfried-Krupp-Krankenhaus kündigt nun erneut eine zeitweilige Schließung des Kreißsaales an: Vom 22. Dezember um 22 Uhr bis zum 28. Dezember um 6 Uhr könne der „aus Sorgfaltspflicht“ nicht geöffnet werden.

Aktuell gebe es bei den Hebammen eine „große Anzahl von Krankheitsfällen“, heißt es in der Mitteilung des Krankenhauses. Das Hebammen-Gesetz verpflichte die Kliniken aber, zu jeder Geburt eine Hebamme oder einen Entbindungspfleger hinzuzuziehen. „Ein Gesetz, dem wir zum Wohle der werdenden Mütter gerne folgen.“ Wenn das nicht zu garantieren sei, schließe man lieber vorsorglich, so dass man die Frauenärzte rechtzeitig informieren könne, sagt die Sprecherin des Krupp-Krankenhauses, Hille Ahuis. „Wir riskieren nichts.“

Der Kreißsaal im Krupp-Krankenhaus schließt über die Weihnachtsfeiertage

Die Rüttenscheider Frauenärztin, Bettina Habedank, die zu den Initiatoren des Offenen Briefes, gehört, hat mehrfach erlebt, dass Patientinnen „an der Kreißsaaltür abgewiesen wurden“. Die Schließung im Krupp-Krankenhaus sei zwar angekündigt, „trifft aber ausgerechnet die Weihnachtszeit“. Dass die werdenden Mütter in dieser Zeit an die beiden anderen Essener Geburtskliniken verwiesen werden, überzeugt die Briefeschreiber nicht: Das Elisabeth-Krankenhaus habe „seine Kapazitätsgrenze überschritten“, der Uniklinik fehlten Hebammen.

Wendet sich gemeinsam mit Kollegen in einem Brandbrief an die Politik: die Essener Frauenärztin Bettina Habedank.
Wendet sich gemeinsam mit Kollegen in einem Brandbrief an die Politik: die Essener Frauenärztin Bettina Habedank. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Das Uniklinikum hatte allerdings noch im November 2020 erklärt, dass die etwa 600 Geburten, die es bislang pro Jahr im Marienhospital gegeben habe, gut von den noch drei geburtshilflichen Stationen in Essen aufgefangen werden könnten. Einen Mangel an Fachpersonal hatte die Klinik jedoch eingeräumt.

Politik müsse Pflegeberufe wieder attraktiv machen

Dass viele Krankenhäuser vermehrt ausländische Pflegekräfte rekrutieren, sehen die Unterzeichner des Brandbriefes mit Sorge: „Sprachbarrieren führen zu Missverständnissen, die in der Medizin fatale Folgen haben. Das spüren wir auch jetzt schon.“ Sie fordern daher die Politik auf, medizinische Berufe im eigenen Land wieder attraktiv zu machen.

Medizin könne nicht immer wirtschaftlich sein, sagen Habedank und ihre Mitstreiter und fragen: „Wie kann die Politik dabei zusehen, dass die Contilia-Gruppe allein unter wirtschaftlichen Aspekten solche Entscheidungen trifft?“ Die Essener Ärzte, von denen viele den Brief unterschrieben haben, seien bereit, die bestmögliche Unterstützung in der Coronakrise zu leisten, auch bei den anstehenden Impfungen. Doch durch die „skandalösen Krankenhausschließungen“ seien ihrem Einsatz jetzt leider Grenzen gesetzt worden.