Essen. Erneut steht der Messe eine bittere Absage ins Haus: Nach der IPM kapituliert nun die Equitana vor dem Virus, die Stadt muss mit Millionen helfen.

Mit Galopp aus der Krise? Daraus wird leider nichts: Vor dem Hintergrund der anhaltenden Corona-Pandemie knickt nach der Internationalen Pflanzenmesse IPM nun eine weitere Essener Großveranstaltung mit Weltformat vor dem Virus ein: Die für Mitte März geplante Equitana wurde am Dienstag vom Veranstalter Reed Exhibitions abgesagt. Die Messe gilt mit etwa 750 teilnehmenden Pferden und gut 200.000 erwarteten Besuchern als Weltmesse des Pferdesports.

Die Zügel aus der Hand zu geben, das sei beileibe „nicht leicht gefallen“, am Ende aber die beste Lösung: „Die weitere Pandemie-Entwicklung ist aus heutiger Sicht nach wie vor unklar“, betont Benedikt Binder-Krieglstein, Vorstandschef des Veranstalters Reed Exhibitions Deutschland GmbH: „Durch unsere Entscheidung schaffen wir nun Planungssicherheit für alle Teilnehmer.“

Wie Corona die Stadt-Töchter durchschüttelt

Die Corona-Pandemie hat nicht nur drastische Auswirkungen auf den Essener Kern-Haushalt. Auch die städtischen Beteiligungen sind in unterschiedlichem Ausmaß finanziell betroffen.

Am stärksten in Mitleidenschaft gezogen wird die Messe Essen mit zweistelligen Millionensummen. Aber auch die Ruhrbahn hat zu kämpfen, rechnet für 2021 mit einem um rund 15 Millionen Euro höheren Verlustausgleich.

Und während Theater und Philharmonie 2020 Pandemie-bedingt sogar besser abschnitt und 2021 nur 1,2 Millionen Euro schlechter dasteht als geplant, denkt Essen Marketing heute schon an den Weihnachtsmarkt des kommenden Jahres, der wohl kaum im Normalformat ablaufen kann. Folge: ein zusätzliches Minus von 356.000 Euro.

Wenn’s schlecht läuft, muss die Stadt weitere bis zu 16,5 Millionen Euro dazubuttern

Planungssicherheit: Ein schwacher Trost für die städtische Messe-Tochter, die mit dem Essener Impfzentrum demnächst zwar die allerorten geweckte Hoffnung, bald aus der Krise zu kommen, unter ihrem Hallendach beherbergt, die aber ihre eigene Erfolgsplanung spürbar nach unten korrigieren muss. Unter Normalbedingungen hätte 2021 an der Norbertstraße ein Rekordumsatz von 75,6 Millionen Euro ins Haus gestanden, der geplante städtische Zuschuss von 8,5 Millionen Euro hätte den erwarteten Jahresverlust von rund vier Millionen Euro locker aufgefangen.

Jetzt aber kalkuliert man betont vorsichtig mit einem auf knapp ein Drittel der ursprünglichen Zahlen gesunkenen Umsatz – mit der Folge, dass der Verlustausgleich dramatisch in die Höhe schnellen könnte: Bis zu 16,5 Millionen Euro, so notieren die Finanzfachleute in einer Ratsvorlage, müsste die Stadt im kommenden Jahr zusätzlich dazubuttern. Und das nach jenen 14,5 Millionen, die schon dieses Jahr Corona-bedingt fällig wurden. Immerhin, noch sind dies nur sehr grobe Schätzungen, betont Messe-Chef Oliver P. Kuhrt.

An der Norbertstraße kämpfen sie bis zuletzt um jedes Projekt

Zwar ächzen auch andere städtische Unternehmen unter der Corona-Misere, doch keine ist so stark betroffen wie die gerade erst herausgeputzte Messe-Tochter. Kein Wunder, dass sie an der Norbertstraße um jedes Projekt kämpfen. Während die Messe-Kollegen in Düsseldorf und Köln sämtliche Veranstaltungen im ersten Quartal 2021 rundheraus abgesagt haben, entscheidet die Messe Essen nach individueller Prüfung, wann wo die Reißleine gezogen wird, werden muss: Wie international ist die Messe aufgestellt? Wie viel Zeit zum Aufbau wird benötigt? Was sagen die Aussteller, die Partner-Verbände?

Für ein verlässliches Hygiene-Konzept ist gesorgt, aber Messen sind eben Marktplätze, bei denen auch das Gedränge zum guten Messe-Feeling gehört. Und niemand mag beachtliche Investitionen riskieren oder seinen guten Ruf aufs Spiel setzen. Darum etwa hat sich Equitana-Veranstalter Reed Exhibitions gegen eine abgespeckte Variante entschieden: Die sei angesichts der „hohen Erwartungen“, die die Branche mit der Equitana verknüpft, „nicht denkbar gewesen“.

Im Kalender geht es kreuz und quer: Noch steht die Reise-Messe im Programm

Bei der Corona-bedingt geplanten „Limited Edition“ der Essen Motor Show sah die Messe diese Gefahr einer verwässerten Marke nicht: Man habe sich ja, so Messe-Sprecherin Daniela Mühlen, ganz bewusst auf den Markenkern konzentriert: Individuelle, sportliche Fahrzeuge hätten im Fokus gestanden. „Wie gut das Konzept ankam, haben uns die zahlreichen positiven Reaktionen der Fans auf den Social Media Kanälen gezeigt.“ Dass der Praxistest am Ende ins Wasser fiel, war allein dem neuerlichen Lockdown zuzuschreiben.

Und so geht es im Essener Messe-Kalender derzeit noch kreuz und quer: Während die ausgesprochen einträgliche Pflanzen-Messe IPM und nun auch die Equitana abgesagt sind, während Baumesse und E-world in den Mai geschoben wurden, stehen die Reise- und die Fahrrad-Messe für Mitte Februar bis zum beweis des Gegenteils weiter im Programm. Auch drei Auslands-Projekte in Mumbai und Shanghai sind im ersten Halbjahr 2021 noch geplant. Die Hoffnung auf mehr hält die Messe auch ohne Equitana auf Trab.