Essen. Aus Sorge, dass das Betriebsfest zum Corona-Hotspot wird, verzichten viele Firmen auf eine Weihnachtsfeier. So halten es Essener Firmen...
Sie bewegen sich zwischen Ritual und Rausch, zwischen Gänseessen, Eisstockschießen und Clubnacht – und sie sind ein veritabler Wirtschaftsfaktor: Weihnachtsfeiern spülen im November und Dezember hübsche Summen in die Kassen von Gastronomie und Eventbranche. In diesem Jahr aber macht der Lockdown selbst den gemeinsamen Bummel über den Weihnachtsmarkt unmöglich. Weshalb Essens Arbeitgeber nun zwischen Ausfall und alternativer Plattform wählen müssen.
Sorge, dass die Weihnachtsfeier zum Corona-Hotspot wird
„Unsere Mitglieder haben derzeit vornehmlich die Gesundheit ihrer Mitarbeiter im Blick, weshalb der Großteil der Unternehmen auf Weihnachtsfeiern im gewohnten Stil verzichtet“, hat etwa Ulrich Kanders beobachtet. Der Hauptgeschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes (EUV) glaubt, dass viele Arbeitgeber auf keinen Fall das Risiko eingehen wollen, dass sich ihre Feier „zu einem möglichen Corona-Hotspot entwickelt“.
Zwar drückten Weihnachtsfeiern zum Ende des Jahres auch Wertschätzung und Anerkennung für die Mitarbeiter aus. In Zeiten finanzieller Einbußen hätten die aber sicher Verständnis dafür, wenn das gewohnte Fest entfalle. An seine Stelle träten nun vielerorts Digital-Formate wie die „Plätzchen-Back-Challenge im Homeoffice“ oder das Glühwein-Trinken per Zoom-Schalte.
Mehr als 50 Kollegen kochen miteinander – per Videoschalte
Virtuell und doch im großen Stil feiert an diesem Freitag (11. Dezember) Gustav Dobos, Direktor der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin der Kliniken Essen-Mitte, mit seinem Team. „Wir werden gemeinsam kochen und essen – mit 54 Teilnehmern.“ An beinahe 54 Standorten, versteht sich.
Dobos und seine Ehefrau haben einen indischen Ayurveda-Arzt und dessen Frau zu Gast. Diese hat in Indien einen Koch-Blog und wird ein vegetarisches Gericht kochen. Das Quartett in Dobos’ Küche wird sich vorher auf Corona testen, die anderen Teilnehmer werden nur zugeschaltet – und kochen zu Hause mit.
Sie haben vorab ein Päckchen mit den Gewürzen, Dobos’ neuem Buch („Die gestresste Seele“) und einem Prosecco zum Anstoßen bekommen. Das Team wird nicht nur gemeinsam essen und trinken, sondern auch Weihnachtslieder singen. Eine Kollegin wird ein meditatives Klavierstück vortragen und Dobos eine kleine Rede halten.
Am Sonntag haben sie eine Technikprobe gemacht; und um die Stimmung mache er sich auch keine Sorge. Im Pandemie-Jahr begegneten sich die Kollegen ohnehin regelmäßig digital: dienstags beim Yoga, donnerstags bei der Meditation. „Gerade für Kollegen, die frisch in Essen sind und allein im Apartment sitzen, ist das schön.“ Außerdem habe sein Team eine echte Weihnachtsfeierkultur und feiere jedes Jahr mit Motto und Kleiderordnung. „Alle freuen sich riesig auf die Weihnachtsfeier, die Vorfreude ist vielleicht noch größer als sonst.“
Was Dobos im Alleingang stemmt, bietet Thomas Siepmann von der Kommunikationsagentur TAS als Komplett-Paket an: Er hat die Showküche von Sternekoch Nelson Müller zum Fernsehstudio gemacht, in der nun jeder Chef für seine Belegschaft den TV-Koch geben kann. „Wir hatten unheimliche viele Anfragen, aber etliche haben sich dann doch entschieden, ihren Mitarbeitern lieber Genuss-Boxen zuzuschicken.“ Er mutmaße, dass er sein Angebot „einen Tacken zu spät“ auf den Markt gebracht hat, und dass es „nicht jedermanns Sache ist, 90 Minuten den Alleinunterhalter zu machen“. Da zeichne mancher seine Weihnachtsbotschaft lieber auf.
Von der XXL-Party blieb nur die Mitarbeiter-Ehrung
Siepmann selbst zählt zu den Mutigen, die das kombinierte Küchen-/Fernsehstudio nutzen werden. Nach einer überstandenen Corona-Infektion dürfte er über eine Sause wie in früheren Jahren nicht mal nachgedacht haben. Da fuhr er schon mal mit 70 Leuten zum Freestyle-Ski-Weltcup-Festival mit anschließendem Jan-Delay-Konzert.
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Von XXL auf Null fährt auch Marcus Prünte in diesem Jahr herunter: Der McDonald’s-Franchisenehmer hat allein in Essen sieben Filialen und insgesamt beinahe 700 Mitarbeiter. Für die hat er in den Vorjahren Mega-Partys geschmissen, mit DJs, Cocktails, TV-Sternchen und Tattoo-Studio. Vorbei. „Wir haben schon im Frühjahr gesagt, dass es keine Feier geben kann.“ Zwar habe er die Krise mit Kurzarbeit so überstanden, dass er niemanden entlassen musste: „Aber wir sind noch immer weit weg von der Normalität, und viele Kollegen in der Gastronomie pfeifen auf dem letzten Loch, geben auf.“ Nur auf die Ehrung langjähriger Mitarbeiter habe er in diesem harten Jahr nicht verzichten wollen: Also haben sie die Filialen abgefahren und Blumen, Pokale, Einkaufsgutscheine ausgeliefert.
„Wir wollen den Mitarbeitern signalisieren, wie dankbar wir für den großartigen Einsatz in diesem Jahr sind“, sagt auch Caritasdirektor Björn Enno Hermans. Mit einer Karte, die jeder nach Hause bekomme, und einem digitalen Adventskalender, der sie bis Heiligabend begleite. Eine zentrale Weihnachtsfeier habe es bei Essens Caritas und der CSE ohnehin nicht gegeben, dafür ein Budget, etwa für einen Weihnachtsmarktbesuch – das Geld kann mit ins nächste Jahr genommen werden.
Auch am Uniklinikum ist die große Weihnachtsfeier unbekannt und das sommerliche Mitarbeiterfest musste ausfallen. „Aber der Vorstand lädt auch in diesem Jahr zur Gans in die Kantine ein“, sagt Sprecher Thorsten Schabelon. Nur dass die Corona-Helden nicht an einem Tag gemeinsam tafeln können, sondern sich auf mehrere Tage verteilen: Gänse-Essen mit Abstandsgebot.