Essen. Für Jungen, die nicht zu Hause bleiben können, gibt es in Essen eine neue Wohngruppe. Die ersten Jugendlichen feiern dort schon Weihnachten.

Möbel und Wände sind in Blaugraugrün-Tönen gehalten, der lange Holztisch sieht so einladend aus wie das Ecksofa. Jetzt wartet das schmucke Wohnzimmer auf die neuen Hausbewohner, die hier schon Weihnachten zusammen feiern könnten. „Wir haben Platz für sieben Jungs zwischen 14 und 21 Jahren, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr zu Hause wohnen können“, wirbt Sozialarbeiterin Jacqueline Span.

Eine Rumpelkammer wartete auf neues Leben

Sie leitet die neue therapeutische Wohngruppe für Jungen, die der katholische Sozialträger CSE neben dem Don-Bosco-Gymnasium in Essen-Bochold eingerichtet hat. In einem Altbau, der bis vor kurzem „eine Rumpelkammer war“. So sagt es der Vermieter, Pater Otto Nosbisch, Direktor der Niederlassung St. Johannes der Salesianer Don Boscos. Nach dem Wegzug des Bildungsangebots „Boje“ vor fünf Jahren plagten sich die Salesianer mit der Frage, wie sie das Haus in guter Lage und schlechtem Zustand wieder mit Leben füllen könnten.

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Caritasdirektor Björn Enno Hermans trug schließlich die Idee an sie heran, hier eine Wohngruppe für Jungen einzurichten. Nosbisch war begeistert: „Das passt so gut zu unserem Motto: ,Damit das Leben junger Menschen gelingt.’“

Die Jugendlichen haben viele schlechte Erfahrungen hinter sich

Den Jugendlichen, die hier wohnen sollen, ist bisher vieles nicht gelungen: Sie haben Familie als Schauplatz heftiger Konflikte kennengelernt, machen um die Schule einen Bogen, haben Klinikaufenthalte hinter sich und soziale Schwierigkeiten. So etwa lautet das Anforderungsprofil für die künftigen Bewohner, auf die sich Jacqueline Span sehr freut.

Wohngruppenleiterin Jacqueline Span freut sich über die freundliche Einrichtung des Gemeinschaftsraumes.
Wohngruppenleiterin Jacqueline Span freut sich über die freundliche Einrichtung des Gemeinschaftsraumes. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Sozialarbeiterin hat fünf Jahre lang in einer Mädchenwohngruppe gearbeitet und teils erstaunliche Entwicklungen erlebt. Oft bessere sich auch das Verhältnis zur Familie: „Durch die räumliche Trennung entsteht eine neue Nähe.“ Eltern und Geschwister seien wichtige Bezugspersonen für die Jugendlichen, von denen man sie nicht abschneiden wolle. „Familie bleibt Familie, wir wollen Zerrüttetes wieder zusammenführen.“

Mit der Wohngruppe zum ersten Mal ans Meer

Nicht immer sei es gelungen, den Mädchen eine neue Perspektive zu vermitteln. Manchmal müsse man erkennen, dass ein anderes Angebot besser passe. Und manche junge Frauen kehre später zurück und sagen: „Mit Euch war ich zum ersten Mal am Meer.“, „Bei Euch habe ich das beste Frühstück meines Lebens bekommen.“ Oder: „Ihr habt mir beigebracht, Bolognese zu kochen.“

Auch was wie Scheitern aussehe, könne sich mit der Zeit als Weichenstellung entpuppen, ergänzt Martina Lochmann, die die Abteilung stationäre Jugendhilfe bei der CSE leitet. Da sage eine ehemalige Bewohnerin rückblickend: „Ihr habt mich ganz schön genervt, aber das war gut.“ Ganz schön nerven – das lässt sich wohl mit Beharrlichkeit übersetzen, und die werde auch bei den Jungen gefragt sein, sagt Lochmann. Etwa wenn es um den Schulbesuch gehe.

Eine Erbschaft ermöglichte den Umbau des Hauses

Alle Regelschulen finden sich im Stadtteil: von der Hauptschule bis zum benachbarten Gymnasium. Wer unter Ängsten oder psychischen Problemen leide, könne in der Schule der Ruhrlandklinik gut aufgehoben sein. Für andere böten sich Brückenprogramme der Volkshochschule an. Die Jugendlichen können zudem Freizeit- und Sportangebote der Salesianer nutzen.

Der Altbau an der Theodor-Hartz-Straße in Essen-Bochold wurde für die neue Wohngruppe aufwendig saniert.
Der Altbau an der Theodor-Hartz-Straße in Essen-Bochold wurde für die neue Wohngruppe aufwendig saniert. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die haben sich auch die Neugestaltung der „Rumpelkammer“ etwas kosten lassen: „Wir haben eine Erbschaft gemacht und damit das Haus praktisch entkernt“, erzählt Pater Nosbisch. Nun gibt es hier verteilt auf drei Etagen für jeden Bewohner ein Zimmer, zahlreiche Bäder, ein Schlafzimmer für den Erzieher, Küche, das großzügige Wohnzimmer und einen Therapieraum. Gut anderthalb Jahre hat der Umbau gedauert. Das Ergebnis nennt Martina Lochmann ein „großes Glück“.

Zurück ins Leben finden

Ein sechsköpfiges pädagogisches Team, Psychologe und Hauswirtschafterin werden sich um die Jungen kümmern, die nun nach und nach einziehen. Der Personalschlüssel der therapeutischen Wohngruppe ist damit deutlich besser als der anderer betreuter WGs. Geschuldet ist das einer Klientel, die multiple Probleme mitbringt.

Einziehen können Jugendliche, die sich selbst melden ebenso wie jene, die übers Jugendamt vermittelt werden. Andere werden aus stationären Einrichtungen kommen und hier den nächsten Schritt Richtung Selbstständigkeit gehen. „Sie sollen hier zurück in den Alltag, ins Leben finden“, sagt Martina Lochmann. Und Leiterin Jacqueline Span ist „total gespannt“ auf die Arbeit mit den Jungen: „Der erste könnte morgen einziehen.“

Zuhause auf Zeit für Jungen ab 14 Jahren

Träger der neuen therapeutischen Wohngruppe für Jungen ist die CSE, die gemeinsame Gesellschaft von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen in Essen. Die Gruppe ist in einem kernsanierten Altbau neben dem Don-Bosco-Gymnasium in Bochold untergebracht. Jeder Bewohner hat ein Einzelzimmer, außerdem gibt es ein Schlafzimmer für den Betreuer, der über Nacht bleibt.

Die Gruppe hat Platz für sieben Jungen und junge Männer zwischen 14 bis 21 Jahren, die grundlegende soziale und emotionale Schwierigkeiten oder schwere Konflikte in der Familie haben. Sie werden intensiv pädagogisch und therapeutisch unterstützt, um eine Zukunftsperspektive zu entwickeln. Kontakt: 0201-319375-435 oder per Mail: