Essen-Horst/Freisenbruch. Illegaler Sperrmüll, riesige Möbelhaufen, überquellende Container: Für Missstände im Hörsterfeld und Bergmannsfeld sind zwei Kümmerer im Einsatz.

Ein altes Sofa, ganze Kücheneinrichtungen, Stühle und Matratzen: Illegaler Sperrmüll türmt sich regelmäßig in manchen Vierteln. Im Hörsterfeld und Bergmannsfeld gibt es nun zwei Quartierskümmerer, die Müllecken melden, überquellende Container im Blick halten, manchen Müllsünder erwischen und Anwohner aufklären. Für die Stadt ist es ein Pilotprojekt – für den Kümmerer Jörg Wallner (57) ein Sechser im Lotto.

Immer wieder landet nicht angemeldeter Sperrmüll vor den Häusern, hier am Von-Ossietzky-Ring. Der Vermieter hat einen Hinweiszettel mit einem Verbot hinterlassen, geholfen hat es nicht.
Immer wieder landet nicht angemeldeter Sperrmüll vor den Häusern, hier am Von-Ossietzky-Ring. Der Vermieter hat einen Hinweiszettel mit einem Verbot hinterlassen, geholfen hat es nicht. © sag | Bild

An jedem Wochentag rückt Jörg Wallner gemeinsam mit Jamal Semmo aus, jeweils vier Stunden im Hörsterfeld und Bergmannsfeld halten die beiden in den Straßen Ausschau nach Müll- und Sperrmüllhaufen. Sie sprechen die Menschen an, fragen, ob der Müll angemeldet worden sei. Erklären, wie Sperrmüllabfuhr funktioniert und was illegale Müllkippen sind.

Sie sind im Konfliktmanagement geschult worden, angefeindet wurden sie aber bislang noch nicht. „Vielmehr kommen Menschen auch mit Fragen und Hinweisen auf uns zu“, sagt Jörg Wallner über die Kommunikation, die gut laufe.

Schädliche Stoffe und Rattennester in Müllhaufen

Die Kümmerer wenden sich dann an Vermieter, Hausmeister, das Ordnungsamt, nutzen die Mängelmelder-App oder informieren die Entsorgungsbetriebe, damit der Schandfleck rasch verschwindet. Immerhin können aus Gegenständen wie Kühlschränken umweltschädliche Stoffe auslaufen, sich in den Müllhaufen Ratten ihre Nester bauen.

Liegt der Sperrmüll gleich vor einem Haus, treten sie ein, haken nach, versuchen herauszufinden, wer verantwortlich sein könnte. „Manche schämen sich regelrecht, wenn sie erwischt werden“, berichtet der 57-Jährige von seinen Erfahrungen. Mit am Mann trage er den Bußgeldkatalog, Kompetenzen Knöllchen zu verteilen, habe er zwar nicht. „Es kann aber teuer werden“, sagt er und weiß, dass das schon beeindrucken kann.

Vermieter hängen Zettel mit Ablageverbot über die Sperrmüllhaufen

Manche Nachbarn wundern sich, wo die Möbel immer wieder herkommen, die regelmäßig einfach an der Straße, wie hier am Von-Ossietzky-Ring in Horst, abgestellt werden.
Manche Nachbarn wundern sich, wo die Möbel immer wieder herkommen, die regelmäßig einfach an der Straße, wie hier am Von-Ossietzky-Ring in Horst, abgestellt werden. © sag | Bild

Die Missstände in den beiden Vierteln , sie halten sich laut Quartierskümmerer die Waage. Und nicht nur die Kümmerer fragen sich regelmäßig, woher ganze Hausstände immer wieder herkämen . „Schweinerei“, nennt es eine Seniorin, die am Von-Ossietzky-Ring in Horst vorbeikommt. Die Matratzen lägen schon ganz lange auf dem Grünstreifen vor dem Hochhaus. Hinzu gekommen sind Schränke, Bretter – „und dahinten eine schöne Couch. Die Leute haben wohl zu viel Geld“, sagt sie kopfschüttelnd.

Der Vermieter der Häuser Leuschnerweg, Geschwister-Scholl-Straße und Von-Ossietzky-Ring indes hat über eine große Sperrmüllsammlung einen Zettel an den Baum gehängt: „Jegliche Art der Müllentsorgung ist untersagt“, steht darauf, dazu der Hinweis auf drohende Anzeigen und Kosten sowie die Telefonnummer für die Entsorgung.

Manche Anwohner glauben nicht an eine Verbesserung

Tonnenweise liegt das Zeug hier , das geht schon etwa zwei Jahre so“, kommentiert ein 77-jähriger Horster. Kaum werde ein Haufen abgeholt, folgten neue Möbel. Eine Verbesserung der Situation mag er nicht erkennen, „das ändert sich wohl nicht.“

Jörg Wallner ist da optimistischer, verbucht bereits Erfolge, klärt unermüdlich auf und weiß, dass es noch viel zu tun gibt: „Manche wissen nicht, dass sie Sperrmüll anmelden müssen.“ Er macht das in einer 39-Stunden-Woche wie Jamal Semmo auch. Er lebt im Hörsterfeld und kann die Menschen in den Vierteln bei Bedarf auch auf Arabisch ansprechen. Die beiden Vollzeitstellen sind zunächst befristet auf zwei Jahre, sind aber gleichzeitig für die Männer ein sozialversicherungspflichtiger Job – und dieser beendete für Jörg Wallner immerhin fast sieben Jahre Arbeitslosigkeit.

Hoffnung auf eine Festanstellung sank mit den Jahren

Müllberge wie dieser im Hörsterfeld türmen sich auch regelmäßig im benachbarten Bergmannsfeld, Quartierskümmerer haben die Situation nun im Blick.
Müllberge wie dieser im Hörsterfeld türmen sich auch regelmäßig im benachbarten Bergmannsfeld, Quartierskümmerer haben die Situation nun im Blick. © sag | Bild

Der gelernte gelernter Betonbauer aus Kray-Süd („gebürtig bin ich aus Königssteele“) war 25 Jahre lang bei Hochtief, dann bei diversen Firmen. Als die Niederlassung, in der er zuletzt beschäftigt gewesen ist, schloss, wurde er nicht an mehr in eine weitere übernommen. Das war 2013 und seine Hoffnung auf einen Job trotz Maßnahmen wie etwa bei der Neuen Arbeit (Aktiv 50+) irgendwann im Laufe der Jahre recht gering.

Dann kam die Stellenausschreibung, die Hilfe seiner Ansprechpartnerinnen bei der Neuen Arbeit und die Bewerbung. Die Aufgabe reizte ihn, sieht er doch auch in Kray ständig illegalen Sperrmüll herumliegen und ärgert sich darüber. Bei allem Einsatz aber, fast wäre es dann doch noch schief gegangen, weil die Stelle nur an Langzeitarbeitslose vergeben werden sollte.

Festanstellung macht ihn manchmal immer noch fassungslos

Statt der vorgeschriebenen Monate half der Antrag für einen Schwerbehindertenausweis. Denn zur Biografie von Jörg Wallner zählen berufliche Fortbildungen wie der Security-Schein, gesundheitlich aber auch Rückschläge wie ein Schlaganfall – und jetzt eine Festanstellung. Geglaubt habe er daran auf keinen Fall mehr, kann es manchmal immer noch nicht fassen. Mit Blick auf die Pandemie sagt er: „In einer Zeit, in der andere arbeitslos werden, bekomme ich einen Job.“